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Ulrich Weinzierl STEFAN ZWEIGS BRENNENDES GEHEIMNIS (Rezension)

Bloged in Allgemein by friedi Dienstag Oktober 27, 2015
Ulrich Wienzierl Stefan Zweigs brennendes Geheimnis
Wer hat nicht Stefan Zweig -in der Schule- gelesen?! Wer hat nicht von seinem Selbstmord im fernen Brasilien gehört ?! Aber wer weiß schon, daß Zweig ein „brennendes Geheimnis“ hütete, das ihm Lust und Qual zugleich bereitete: daß er Exhibitionist war.
Ulrich Weinzierl hat nun ein gut recherchiertes Buch geschrieben, daß sich auch dieser „Schattenseite “ des bedeutenden bürgerlichen Schriftstellers widmet. Nicht um „pikante Enthüllungen “ zu präsentieren, sondern um die Widersprüchlichkeit der Zweigschen Charakterstruktur zu zeigen.
Zweig hat in seinem männlichen Narzissmus Frauen reihenweise „konsumiert“. Er war ein absoluter Kenner des Liebeslebens, ließ nichts anbrennen. Seine erste Frau war für ihn sein „Oberhaserl“(Originalton), daneben hatte er ein stattliche Anzahl von „Unterhaserln“.
Wie in Kakanien weit verbreitet (man/ frau denke etwa nur an den Kaffeehausliteraten Peter Altenberg) , war auch ihm die Lust am ganz jungen weiblichen Geschlecht nicht fremd (damals waren die Hälfte der GunstgewerblerInnen Minderjährige!).
Anders als gelegentlich vermutet/ behauptet, war Zweig- im Gegensatz zu Thomas Mann- nicht (latent) homosexuell. Diese Annahme erfolgt nicht zuletzt wegen Zweigs Novelle „Verwirrung der Gefühle“, wo er mit großem Einfühlungsvermögen das Thema Gleichgeschlechtlichkeit behandelt. “ Weinzierl zeigt dies in dem umfangreichen Kapitel „Verwirrung der Gefühle?“ (S.83ff ) und kommt zu der Einschätzung, daß es allerdings homoerotische Komponenten gegeben hat, z. B. den „pädagogischen Eros“ gegenübern männlichen Verehrern und Schülern (S. 138 ff).
Aber Zweig war Exhibitionist: er entblößte sich in diversen Wiener Parks und in Schönbrunn vor Mädchen und Frauen. Er zog einerseits daraus Lustgewinn- auch bei der (glücklich überstandenen) Entdeckung seiner „Perversion“, anderseits litt er darunter schrecklich und schämte sich. Weinzierl deutet Zweigs ständiges Bemühen sich an „großen, hehren, reinen“ Charakteren zu orientieren und selbst zu solch einer „Autorität“ zu werden, als Versuch sein „brennendes Geheimnis“ zu konterkarieren.
Warum das alles? Um einen großen, antifaschistischen Schriftsteller zu demontieren?? Mitnichten.
Das Buch schließt mit einer tiefen Würdigung des literarischen Schaffens und politischen Wirkens von Stefan Zweig. Aber es wird eben nicht die Komplexheit seiner Persönlichkeit unter den Teppich gekehrt. Solch differenzierte Sichtweise ist gerade heute wichtig, wo es angesichts der kombinierten Krisen des Kapitalismus weider verstärkt die Sehnsucht nach „Eindeutigkeit“, „klarer Identität“ oder -unverblümt- „rettenden starken Männern“ gibt. Wie Freud entdeckte und Schnitzler formulierte, ist die „Seele ein weites Land“. Hoffnung kann es nur geben, wo aus Es Ich wird- politisch gesagt: durch bewußte, kollektive, solidarische EIGENaktivität und nicht durch Anlehnung an vorgebliche „Retter“.
Hermann Dworczak( 0676 / 972 31 10 )
Ullrich Weinzierl Stefan Zweigs brennendes Geheimnis
Paul Zsolnay Verlag Wien 2015. 286 Seiten. 20,50 Euro
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