[Brunath] Die fragwürdigen Konzepte der Pandemiebekämpfung
R. Brunath hat die fragwürdigen Konzepte der Pandemiebekämpfung reflektiert.
Brunats Umfeld ist die Bundesrepublik Deutschland und nicht zentral Österreich. Aber die fragwürdigen Konzepte unterscheiden sich in den Ländern kaum. Es stellt sich da mit einem gewissen Recht die Frage: Sind überall Dillettanten am Werk oder sind die negativen sozialen Auswirkungen der Konzepte der eigentlich gewollte Kern. Interessant dazu ist auch ein Interview mit den italienischen Botschafter in der Berliner Zeitung.
Zunächst der Artikel von R. Brunath:
Pandemiebekämpfung und soziale Not.
In den Medien hören wir über ein Kind das nicht operiert werden kann weil kein Intensiv-Bett frei sei, oder über einen älteren Menschen in Pflegenotstand, der eine Herzoperation benötigt und kein Verständnis dafür hat, dass die Betten mit Corona-Infizierten belegt sind – alles mit der Attitüde, dass denen die Betten nicht zustehen würden.
Eine solche Haltung vieler Menschen ist das Ergebnis von subtiler Suggestion und Hetze von den Ampelkoalitionären und den Medien mit der Aufforderung: Alle Ungeimpften seid solidarisch und geht zur Impfung. Eine Aussage, ob es dann aller Voraussicht nach wirksam sein würde, wird nicht mitgeliefert.
Jetzt wird Gehorsam gefordert. Eigensinn und das Bestehen auf Freiheit und Unabhängigkeit wird nicht akzeptiert. Den Koalitionären muss man entgegenhalten: »Würdet ihr mit der gleichen Vehemenz gegen Lohndrückerei, Privatisierungen und Pflegenotstand optieren?« Schlechte Erfahrung gibt die Antwort: »Der Zwang, der jetzt an den Tag gelegt wird, wäre [in der Wirtschaft] nicht notwendig!«
Geradezu zwanghaft appellieren die Politeliten an Solidarität und die Freiheit des Einzelnen für die Impfung. Das aber ist ein unlauterer Gebrauch des Begriffes Freiheit, denn dahinter steckt nicht wirklich die Freiheit der Wahl, z.B. für welchen Typ Impfung oder welche Art der Vorsorge man sich entscheidet.
Angeboten wird seitens der Politik nur ein »entweder – oder«. Das aber hat nichts mit wirklicher Sorge für die Menschen zu tun, eher mit einem friss oder stirb. Das hat nur zu tun mit der Sorge für die Profite des big Pharma – und mit der Sorge, dass der Menschen im Lande erkennen könnten, wie kaputt gespart unser Gesundheitswesen schon ist. Und dabei hätten die Ampelkoalitionäre es im Gegensatz zur vorherigen Regierung erreichen können. Statt dessen faseln sie nur von Freiheit und Demokratie in ihrem Vertrag.
Die Wörter Freiheit kommen im Koalitionsvertrag 70 mal vor, Demokratie 47 mal. Das ist Wortgetöse und oberflächlicher Gebrauch des Begriffes Freiheit im Koalitionsvertrag. Das führt gerade bei den Betroffenen des sozialen Abstiegs zu Disorientierungen und oft zu verqueren persönlichen Positionen, Schuldzuweisungen oder deren Forderung nach Erfüllung des fatamorganahaften Versprechens auf Freiheit.
Und auf diese Rille sollen die Betroffenen auch setzen, denn dann übersehen sie, dass es in Wirklichkeit nicht um eine imaginäre Freiheit geht, sondern um ihre Existenz, die frei gesetzt oder aufgesogen wird von big Money.
Und in der Tat, ein nicht unbedeutender Teil der prekären, verarmten und verängstigten Mittelschicht belegt seine Wut über seinen kürzlich erfolgten oder bevorstehenden sozialen Abstieg und über die Ungerechtigkeit, die man aufgrund der Art und Weise erlitten hat, wie der pandemische Notfall gehandhabt wurde, mit Verlust an »Freiheit«. Es sind Menschen, die die Sprache des sozialen Kampfes nicht beherrschen, Menschen, die niemals einer Gewerkschaft angehörten, ja, die den Gewerkschaften sogar feindlich gegenüberstanden und noch stehen, Menschen, die nicht zu den Erben politischer Traditionen mit etabliertem Vokabular gehören.
Sie stehen im Gegensatz zur Situation zu den Anfängen der Arbeiterbewegungen für die Mehrheit in der Gesellschaft. Sie sind mannigfaltig zusammengesetzt, haben unterschiedlichste Biografien und Lebensziele.
Deshalb werden ihre Aufstände und Proteste der Zukunft immer heterogener und überraschender sein, zumindest in ihrer Entstehungsphase. Dies wurde bereits 2018 beim Aufstand der Gelbwesten in Frankreich deutlich, wie auch bei „Querdenkerdemos“ in Deutschland, weil die neoliberale Wirtschaftsweise schwindelerregend schnell immer mehr Existenzen verschlingt, ja, selbst das Leben von zuvor gesicherten Klassen immer prekärer werden lässt.
Diese Aufstände werden uneinheitlich beginnen, weil deren Protagonisten nicht den Hintergrund haben der Erinnerung an Arbeiterkämpfe und soziale Bewegungen der Vergangenheit, ein Klassenbewusstsein, eine Tradition des sozialen Konflikts.
Die Protagonisten der nächsten Wellen sozialer Kämpfe werden »zweischichtig« sein: d.h. prekär in ihrem neuen Zustand, aber bürgerlich in ihrer noch vorhandenen Mentalität. Gerade wegen des Schocks des sozialen Abstiegs werden sie zunächst versuchen, die kleinbürgerlichen Werte von früher zu pflegen, die Überbleibsel ihres früheren Status. Den werden sie hegen wie ein verkümmerndes Pflänzchen und demjenigen, der ihnen eine Rückkehr zu dem Vorher oder zumindest Sicherheit verspricht, dem werden sie folgen. Das hat die zurückliegende Bundestagswahl eindeutig klar gemacht. Anders ist die wundersame Rückkehr der SPD mit ihrem neuen Heilsbringer nicht zu erklären.
Was allerdings im Ergebnis dieser Wahl fehlte, war ein aus der Vergangenheit (1920er Jahre) bekannter Effekt: Immer wenn die Sozialisten zunahmen, gab es auch einen paritätischen Zuwachs bei den Kommunisten, die heute unsichtbar sind. Ohne diese aber, verfallen die Sozialisten zu leicht den Verführungen des Kapitalismus.
Und dieser Zusammenhang muss den »Zweischichtigen« erklärt werden, denn sie werden eines Tages sehen, dass sie mit Grünen-SPD und ihren immer neuen Heilsbringern, die es unfair finden, wenn man sie an ihre Wahlversprechen erinnert, auch nicht ihre Existenzsorgen los werden. Dann werden sie es mit den Rechten versuchen, die mit Ressentiments und rassistisch argumentieren.
Die Diskussionen mit den »Zweischichtigen« erfordert Interpretationsaufwand, mehr politische Vorstellungskraft und mehr Geduld. Nur mit Geduld und dem Verzicht auf ein sofortiges Schubladendenken kann man hoffen, fruchtbare Synthesen zu finden. Erklärungsangebote Einzelner in den sozialen Medien (twitter, fb ecc) sind zu oft oberflächlich und vorschnell und sind deshalb zweifellos kontraproduktiv.
Rainer Brunath Hamburg, 4.12.2021
Dass die ausgerufene Pandemie dazu dient, restriktiver Anordnungen für die Bevölkerung zu erproben, ist im Intervew mit dem italienischen Botschafter in der Berliner Zeitung zu sehen. Die Zeitung titelt mit ‚Corona-Politik: „Italien ist ein politisches Labor“‘ (Berliner Zeitung 30.11.20210).
Darin nennt der Botschafter Maßnahmen, die klar auf die Pandemie zielen wie den Ausbau der medizinischen Infrastruktur – aber leider auch Rechtsbeschränkungen, die mehr als fragliche in ihrer Verhältnismäßigkeit sind:
„Wenn ich in Italien einen Zug besteigen will, kann ich das ohne digitales Covid-Zertifikat der EU (3G) nicht mehr tun. Ich komme in ein Gebäude am Flughafen ohne Covid-Zertifikat der EU gar nicht rein. Alles ist digitalisiert, und damit ist sichergestellt, dass sich niemand ohne Covid-Zertifikat der EU Zutritt verschaffen kann.“(ebd.)
Trotz einer genannten Durchimpfungsrate von genannten 84,55% (siehe: ebd.), sollen die einschränkenden Maßnahmen nun sogar verstärkt werden.
„Trotzdem werden wir die Maßnahmen noch einmal verschärfen müssen. Wenn die Lage kritisch wird, muss die Politik handeln.“ Daher wird am 6. Dezember der sogenannte Grüne Pass von 3G auf 2G umgestellt. Das geht quasi auf Knopfdruck: „Das geschieht digital, indem der Pass entsprechend geändert wird.“ (ebd.)
Die politische Veränderung die mit diesen restriktiven Maßnahmen Hand in Hand gehen, werden am Beispiel in der Veränderung der legitimationsart der Staatsführung genannt:
So wurde der frühere EZB-Chef Mario Draghi, ohne je kandidiert zu haben, Ministerpräsident des Landes. […] „Die Tatsache, dass unser Ministerpräsident Mario Draghi nicht bei einer Wahl kandidiert hat, ist kein Problem: In Italien ernennt der Staatspräsident den Ministerpräsidenten. Dieser muss sich nach seiner Ernennung einer Vertrauensabstimmung im Parlament stellen. Nach dieser Abstimmung ist er natürlich demokratisch voll legitimiert. Der Ministerpräsident bezieht seine Autorität vom Parlament. Daher gibt es in Italien vom Grundsatz her keine Technokraten-Regierung.“ (ebd.)
Dass diese Vorgänge ohne größere Proteste und Radikalisierungen vor sich gehen, betont der Botschafter in dem Interview mehrmals. Die großen Proteste – etwa im Oktober und November in Triest und Mailand werden nicht erwähnt. Lediglich der Hinweis: es gäbe „nur wenige Demonstrationen der Impfgegner“ (ebd.). Auch dies eine Taktik die in der Pandemie wieder seine Blüten treibt: Unerwünschtes wird medial totgeschwiegen – die Ängste der Bürger, werden ignoriert. Die Eliten stellen durch mediale Macht und Desinformatin den Mainstream her (siehe den Beitrag von R. Brunath oberhalb) – und leider scheint es zu funktinieren.
Graz, 7.12.2021, W.Friedhuber
interessant was so in italien geht, was in österreich angeblich nicht geht.
auszug aus dem interview mit dem italienischen botschafter in berlin mit der berliner zeitung:
Wie kommt es, dass Italien heute zum Musterland in Europa in Sachen Corona-Maßnahmen geworden ist? Armando Varricchio, Botschafter Italiens in Berlin, sagt im Gespräch mit der Berliner Zeitung, Italien sei das erste Land in Europa gewesen, „das von der Pandemie hart getroffen wurde“. Die ersten Monate seien sehr schwierig gewesen: „Aber wir haben unsere Lehren gezogen. Wir haben die Kapazitäten auf den Intensivstationen ausgebaut und auch medizinisches Gerät für die Krankenhäuser in den kleineren Städten angeschafft.“ Der Fokus liege „ganz klar auf den Älteren und Menschen mit Vorerkrankungen“.
Trackback by kurt strohmaier 8. Dezember 2021 17:20
es hat der orban in einem interview gemeint, österreich könne bei den maßnahmen zu covid aktuell für ungarn kein beispiel sein, denn sinngemäß stellte er fest, ungarn habe mehr und bessere spitalskapazitäten.
Trackback by kurt strohmaier 8. Dezember 2021 17:24