LINKEstmk 

  LinkeStmk | YouTube | Stmk gemeinsam | Grazer BI | Volksbegehren | Petitionen

[Steiermark] Die Wirksamkeit von unabhängigen Gerichten zur Unterdrückung von Protesten

Bloged in Allgemein by friedi Mittwoch April 7, 2021

Der Vorgang müsste eigentlich unter der Rubrik „Geschichten aus Krähwinkel“ eingereiht werden, wenn er nicht so ernst wäre: Da wird ein Aktivist wegen seines Plakates gegen den Gifteinsatz in der Landwirtschaft in der Steiermark verklagt und prompt schuldig gesprochen!

Was vor Jahren schon bei den Demonstrationen gegen den Draken-Abfangjäger gut funktioniert hat – und auch den Murkraftwerksgegner geschadet hat – wird nun auch gegen Proteste des Giftmitteleinsatzes in der Landwirtschaft eingesetzt: Eine Gerichtsbarkeit, die keinen Vergleich mit östlichen – dort aber kritisierten – Vorgängen zu scheuen braucht: Eine Justiz, die bevorzugt Demonstranten verurteilt (und auf dem Auge der Macht erblindet ist).

Neu ist das ja nicht: Majestätsbeleidigung mit drakonischen Folgen gibt es in jeder „guten“ Diktatur. Eine Justiz, die der Verwaltung näher steht als dem Bürger und seinen Rechten, ist auch nichts neues. Dass diese Art der Gerichtsbarkeit nun aber immer mehr gegen jegliche Art von Protest eingesetzt wird, das ist – zumindest im Nachkriegs-Österreich – doch ein neuer Zug.

War bei der Verurteilung des Demonstranten Dr. Ganglbauer im Dezember 2018 eventuell die im Verfahren dargelegte Todesangst der Exponenten der Landesregierung nicht prinzipiell abzusprechen – es wurde immerhin ein Spottgedicht anonym versendet  (siehe: https://www.linkestmk.at/archive/12966),  ist es nun ein Transparent, das alle Bauern der Steiermark in ihrer Ehre verletzt und daher strenge gerichtliche Maßnahmen erfordert.

Der Vorgang hat ja anscheinend wirklich viel Frechheit in sich: Da weiß jemand ganz genau (zumindest unterstellt ihm das das Gericht), dass in der Steiermark kein Bauer seine Reben spritzt, und niemand in der Landwirtschaft Umweltgifte einsetzt und erfrecht sich ein Protestplakat mit dem Text „Gott schütze uns vor giftspritzenden Bauern!“ aufzuhängen!

Wozu soll so ein Plakat in der Steiermark? Wo doch jeder weiß, dass die sterische Bauernschaft niemals Insektenvertilgungsmittel einsetzt – und schon gar nicht Unkrautvernichtungsmittel! Ja in Brasilien – aber doch nicht in der Steiermark!

Allein dieses „Werbeblakat“ (so die gerichtlich Bezeichnung des Protestbanners), das allein schon durch seine Existenz den Bauern den Einsatz von Giften unterstellt! Das kann  einem schon das Blut in den Kopf schießen lassen.

Ja! Das ist frech!

Der Steirische Bauernbund – Vertreter aller steirischen Bauern – fand in Frau Dr. Elisabeth Steininger-Türk eine verständige Richterin, die rasch erkannte, dass hier alle steirischen Bauern (warum nur die?) zutiefst beleidigt wurden und der Tatbestand der Ehrenbeleidigung erfüllt ist.

Da ist es gut, dass die umsichtige Frau Richterin flux die Paragraphen für eine harte – aber natürlich gerechte – Strafe zur Hand hat.

Das Gericht stellte fest dass „[d]ie beklagte Prtei […] den Bauernstand wider besseres Wissens als Giftspritzer“ (Gerichtsurteil im Namen der Republik Österreich, Aktenzahl 207 C 65/20 t) beleidigt hat.

Zur Strafe ist der betreffende Aktivist nun finanziell empfindlich zu Ader zu lassen! Ähnlich wie in Fällen zuvor hofft man so, jeden beginnenden Einmischung in Belangen, die nur die Standesvertretungen oder die Verwaltung betreffen, zu unterbinden.

Überhaupt dann, wenn solche Unterstellungen komplett aus der Luft gegriffen sind.  Die paar Verkaufsstatistiken von Umweltgiften sind geflissentlich zu ignorieren – das weiß wohl jeder. Die gekauften Mengen werden nur – vermutlich von Industriearbeitern – als Sammlerstücke eingelagert.

Das im Namen der Republik gesprochene Urteil lässt – nachdem der Bösewicht um ein paar Tausender ärmer gemacht wurde – hoffen, dass die Bauern – mit oder ohne Giftspritze – wieder in ihrer Ehre hergestellt sind.

Überhaupt: Umweltgifte einzusetzen wäre ja nicht schlimm – das macht ja – bis auf die steirischen Bauern – fast jeder, aber „Werbeplakate“ aufzustellen, die vor Bauern warnen, die Umweltgifte einsetzen, das muss sich aufhören!

Dumm nur, dass der Aktivist ein überzeugter Aktivist ist und das Urteil bekämpfen will. Ich würde es ihm ja nicht raten. Die Gerichtsurteile gegen Demonstranten haben in der Steiermark eine Tradition die vermutlich so alt ist wie der Bauernbund.

Aber falls der Aktivist tatsächlich die Finanzmittel über Spenden aufbringt, gegen den Gerichtsmoloch anzutreten, bleibt ihm in diesen Fall die Hoffnung auf die EU-Gerichtsbarkeit – die Hoffnung also, dass Krähwinkel noch nicht überall herrscht.

Graz, 6.4.2021, W.Friedhuber


Sachliche Schilderung (Ergänzung 9.4.2021)

Urteil v. 11.03.2021. pdf

Info zum Grazer Plakaturteil_20210328

 

Kommentare	»
  1. https://cms.falter.at/blogs/athurnher/2021/03/07/frau-salomons-gespuer-fuer-aggressive-faktenverdrehung/

    der link als parallele, da vieles im bereich von gerichtsurteilen irgendwie den roland freisler in erinnerung bringt.

    Trackback by kurt strohmaier 7. April 2021 10:51

Leave a comment


RSS feed for comments on this post. TrackBack URI

Powered by Wordpress, theme by Dimension 2k