Leserbrief zu Zeitungsartikel: Zum Artikel „Vielfalt in der Einfalt“ von Stefan Beig am Freitag, den 23.2.2018
Ein Blick auf die eingeladenen Vortragenden bei der Konferenz „An End to Antisemitism“ in Wien zeigt deutlich wessen Kindes Geist die Veranstaltung ist: Viele der der Vortragenden kommen aus Israel, die restlichen stützen auf die eine oder andere Weise dessen Anspruch im Namen des Antisemitismus die Stimme laut zu machen.
Entsprechend wurde ausgeteilt: Linke und Muslime gelten als die neuen Hauptprotagonisten von Antisemitismus. Nicht zufällig – befinden sich doch genau unter ihnen die schärfsten KritikerInnen der israelischen Politik gegenüber den PalästinenserInnen.
Also wird auch der Antizionismus, auf den sich viele GegnerInnen des israelischen Staatsterrors – und ja, genau das ist er! – beziehen, als neuer Antisemitismus deklariert.
Doch schon Hannah Arendt und Karl Kraus haben den Zionismus kritisiert, der Historiker Shlomo Sand hat ihn als Gründungsmythos für Israel hinterfragt und bis heute gibt es JüdInnen, die diese Ideologie strikt ablehnen.
Solche JüdInnen waren auf der Wiener Konferenz nicht gefragt.
Noch weniger jene, die mit der Konferenz „Zeit der Verleumdner“ in Berlin vor kurzem eine „ideologiekritische Intervention gegen die Instrumentalisierung von Juden, des Judentums und der jüdischen Katastrophe“ starteten. Intellektuelle wie Esther Bejarano, Moshé Machover, Rolf Verleger haben gemeinsam mit PalästinenserInnen über die Vereinnahmung des Antisemitismusbegriffs diskutiert: Gegen die emotionale Erpressung, die damit betrieben wird (Moshé Machover) und die Kooperation von nationalreligiösen Zionisten, Evangelikalen und anderen Rechtsradikalen in Israel, USA und Europa (Avishai Ehrlich).
Es ist bezeichnend, dass die Konferenz „An End to Antisemitism“ in Österreich stattfindet, wo beinahe jeder Versuch von Seiten der PalästinenserInnen auf ihre Geschichte aufmerksam zu machen, mit Verboten und Antisemitismusverleumdungen übersät wird. VertreterInnen des Staates haben Interesse an Profit, das können israelische Staatsprotagonisten bieten, wenn sie Waffen aus Österreich bestellen, oder in Wahlkämpfen ihr zweifelhaftes know-how anbieten. Bald gibt es vielleicht Gas aus Israel zu kaufen. Dass das eine von den Palästinenserinnen geraubte Ressource ist, kümmert sie nicht.
Kein Zufall, dass Strache &Co. kaum an der Regierung, den Schulterschluss mit Israel sucht.
Durch ihre brutale menschen- und völkerrechtsverletzende Politik haben israelische Regierungen seit der Nakba 1947/48 laufend Regimes installiert, die schlimmer als das Apartheidregime in Südafrika agieren. Diese Regimes delegitimieren sich selbst, denn sie nehmen sich durch Gewalt Rechte, verstoßen gegen Rechte und sprechen sie anderen ab.
Diese Regimes haben die Friedensbemühungen der PalästinenserInnen boykottiert und torpediert.
Der Palästina-Konflikt ist einer zwischen Kolonisator und Kolonisiertem. Ein hochgerüsteter moderner Militär- und Verwaltungsapparat steht einer Bevölkerung gegenüber, die sich gegen ihre Vertreibung und Zerstörung wehrt. Für sie geht es ums Überleben. Diese Menschen haben das Recht auf Widerstand und für sie ist dieses Recht schlichtweg eine Notwendigkeit.
Das verschweigt und verschleiert diese Konferenz in Wien und mit ihr alle ihre FörderInnen. Doch israelische RepräsentantInnen und ProtagonistInnen haben die Definition für Antisemitismus nicht für sich gepachtet.
Vielmehr gilt: Egal welcher Hautfarbe, Herkunft wir sind oder welcher Religion wir uns zugehörig fühlen – nur der gemeinsame Aufstand gegen Unrecht, nur der gemeinsame Widerstand gegen Unterdrückung sorgt dafür, dass wir unsere Menschlichkeit bewahren. Sie ist das höchste Gut.
Helga Suleiman
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