Sikhs – Kleiner Ausflug in die Religionssoziologie (WAPE – 4. Bericht)
Im Bundesstaat Punjab sind Sikhs allgegenwaertig. Man/ frau erkennt sie unmittelbar an ihrer Kleidung – nicht zuletzt dem Turban, den viele Maenner hier tragen. In Amritsar, an dessen Uni ich zwei Vortrage hielt, steht das zentrale Heiligtum der Sikhs: der sensationlell schoene Goldene Tempel.
All das gibt Anlass, sich etwas naeher mit der Geschichte des Sikhismus zu beschaeftigen. Er entstand vor rund 500 Jahren und vereinigte hinduistische und Islam-Glaubensinhalte. Ihm eignete quer zu den traditionellen Hierarchien eine starke soziale Komponente, auch die Stellung der Frau in der Gesellschaft erfuhr durch ihn eine bemerkenswerte Aufwertung.
Beim Studium der Inhalte des Gruendervaters des Sikhismus Guru Nanak (1469-1539) faellt mir vergleichsweise -cum grano salis- unwillkuerlich Thomas Muenzer ein. Bekanntlich setzte sich Engels mit ihm im „Deutschen Bauernkrieg“ eingehend auseinander, Bloch widmete ihm ebenfalls ein bis heute fesselndes Buch. Muenzer, der Fuehrer der revoltierenden Bauern, artikulierte seine Positionen in einer radikalen, urchristlichen Sichtweise. Guru Ganak optierte ebernfalls fuer umfassende sozialen Gerechtigkeit und Toleranz. Spezialisten auf diesem Gebiet erzaehlen mir, dass er ebenso gegen das Kastenunwesen auftrat, sich aber ihm Laufe der Zeit auch innerhalb des Sikkismus de facto Kasten gebildet haben.
Die Geschichte des Sikkhismus ist durchaus wechselvoll: sie reicht von partieller Privilegierung durch islamische Mogul-Herrscher ueber deren Duldung bis hin zu brutalster Unterdrueckung- einer ihrer Fuehrer wurde in siedendes Oel gesteckt.
Ohne die Religon der Sikhs im mindesten idealisieren zu wollen, laesst sich sagen, dass sich eine gewisse egalitaere Komponente erhalten hat. Beim Besuch des Goldenen Tempels wird dies spuerbar: von hart orthodoxen Lebenseinstellungen, geschweige denn Fundamentalismus ist nix zu merken. Es herrscht eine entspannte Atmosphaere- Angehoerige anderer Religionen oder Atheisten wie ich sind herzlich willkommen.
Fuer etliche Linke, die ich hier treffe, ist das Tragen des Turban ein normaler „kultureller“ Vorgang. Ein Marxist und Fuktionaer der CP(M) fragt mich sogar am Ende eines langen Gespraechs, ob Marxismus und „Meditation“ miteinander vereinbar sind.
So komplex verlaufen die Dinge hier- mit einem platten Vulgaermaterialismus waere man/ frau schlicht auf dem Holzweg.
Heramnn Dworczak
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