[AIK] Islam als willkommenes Feindbild
***Österreich***
1) Islam als willkommenes Feindbild
Auf der Suche nach demokratischen Antworten
Diskussionsveranstaltung, 20. Jänner 2015, 19 Uhr, Wien
***Moldawien***
2) Ein Ruf aus einem „demokratischen“ Gefängnis Moldawiens
Appell an die Botschafter der EU und der USA in der Republik Moldawien
Von Paul Grigorchuk1) Islam als willkommenes Feindbild
Auf der Suche nach demokratischen Antworten
Dienstag, 20. Januar 2015 – 19:00
Österreichisch-Arabisches Kulturzentrum (Okaz) 4., Gußhausstr 14/3, Wien
Die Köpfungsvideos sind der absolute PR-Renner – für beide Seiten. Hier eine von den Medien befeuerte Islamfeindlichkeit, die den Westen über alle Lager, von links bis rechts, von den Opfern bis zu den Gewinnern
der Globalisierung, gegen einen gemeinsamen Feind eint. Dort eine ebenso identitäre Mobilisierung für einen oder gar den Islamischen Staat als Alternative zum westlichen Herrschaftssystem, die auch bei uns immer mehr Unterstützer findet, insbesondere bei den muslimischen Unterschichten.
* Anna Maria Steiner, katholische Theologin, Friedensaktivistin und Religionsprofessorin in Graz
* Helmut Dahmer, Soziologe, der Marxismus mit Psychoanalyse zu verbinden und die (anti)islamische Mobilisierung unter diesem Blickwinkel zu fassen versucht
* Imad Garbaya, demokratischer und antiimperialistischer Aktivist tunesischer Herkunft, Mitglied des Österreichisch-Arabischen Kulturzentrums und Verfechter eines selbständigen arabischen Laizismus
* Amir Zaidan, Übersetzer des Korans ins Deutsche und Direktor des Islamischen Religionspädagogischen Instituts der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich
* Waseem Haddad, Religionswissenschaftler syrischer Herkunft an der evangelisch-theologischen Fakultät Wien
Moderation: Wilhelm Langthaler
Die islamfeindliche Stimmung führt zur zunehmenden Gleichsetzung von Islam = Jihadismus = Terrorismus. Selbst staatliche Institutionen sind nicht davor gefeit dem Vorschub zu leisten. Der als liberal geltende
Minister Kurz will eine Übersetzung des Korans amtlich verordnen, als wäre diese Heilige Schrift, auf die sich alle Muslime beziehen, das Problem. Nicht nur, dass er damit die Freiheit des Glaubens in Frage
stellt, sondern er provoziert richtiggehend, denn der Koran gilt den Gläubigen als „ungeschaffenes Wort Gottes“, dessen Kontrolle er sich im Namen des Staates anmaßt.
Kurz steht damit ganz in der Tradition der katholischen Symbiose von Kirche und Staat, fast als wolle er einen Staatsislam gründen. Er perpetuiert, was dem Muslimen zur Vorwurf gemacht wird: die fehlende
Trennung von Staat und (institutionalisiertem) Glauben. Rund eine halbe Million Menschen in Österreich stehen so unter kollektivem Verdacht. Die de facto geringeren Chancen angesichts ihrer
niedrigen sozialen Stellung werden durch den kulturell-identitären Ausschluss nochmals verstärkt – mit der self-fullfilling profecy eine Parallelgesellschaft zu bilden.
Es ist offensichtlich, dass es einen Zusammenhang mit den politischen Verhältnissen im Nahen Osten gibt: der alte Kolonialismus mit seinen Hinterlassenschaften wie der Besetzung Palästinas, das Scheitern des
Arabischen Frühlings, der konfessionelle Konflikt, der soziale Niedergangs angesichts der Globalisierung etc.
Nicht nur aus geopolitischen Gründen und der Millionen von neuen Kriegsflüchtlingen, die an Europas Tore klopfen, sondern auch wegen der strukturellen sozialen Differenz, die nicht anders als Zuwanderung
produziert kann, reicht dieser Konflikt bis tief in die österreichische Politik. Er trifft auf eine Gesellschaft, die sich mit Migration sehr schwer tut.
• Rechtfertigt das reale oder vermeintliche Bedrohungsszenario Einschränkungen der Bürgerrechte, insbesondere der Meinungs- und Religionsfreiheit?
• Warum ist der Bedarf nach einem Feindbild so groß und wieso fällt die Wahl so selbstverständlich auf den Islam?
• Und umgekehrt: wie erklärt sich der millenaristische Drang nach einer gänzlich anderen Welt, nach einem Kalifat?
• Wie sehr steht die Islamophobie in Kontinuität der Schablonen des Kalten Krieges und gar des Antisemitismus?
• Imperiales Politikversagen in Nahost? Welchen Beitrag leistete der Westen zum Konflikt und was kann er zu dessen Lösung beitragen?
• Wie kann eine demokratische Kritik am Politischen Islam aussehen ohne Herrschaftsapologie zu werden?
2) Ein Ruf aus einem „demokratischen“ Gefängnis Moldawiens
Appell an die Botschafter der EU und der USA in der Republik Moldawien
Von Paul Grigorchuk
Der moldawische Aktivist Paul Grigorchuk, ein Journalist und Führer des Sozialforums Moldawiens, schrieb diese Erklärung aus dem Gefängnis, wo er seit der Zeit vor den Parlamentswahlen vom 30. November in Europas ärmstem Land inhaftiert ist: „Bis jetzt haben sie nicht mehr geschafft, als Dissidenten los zu werden.“
http://borotba.su/kishinev_pogrom_against_the_moldovan_left.html
Ich rufe die unabhängigen Medien an, diesen Appell zu veröffentlichen, den ich schreibe, während ich in einer moldawischen Gefängniszelle sitze.
Zu Anfang (und für jene, die es nicht wissen): Meine Anklage ist konstruiert und alle kriminellen Vorwürfe gegen mich sind politisch motivierte Anklagepunkte. Ich erlaube mir diesen Appell in der Form von Glückwünschen an die Vertreter der westlichen diplomatischen Missionen zu schreiben. Heute können sie das Ergebnis der jüngsten Parlamentswahlen in Moldawien feiern. Daher möchte ich zuerst dem US-Botschafter und den Leitern der EU-Delegationen in Moldawien gratulieren.
Sehr geehrte Diplomaten: Während Sie der korrupten Regierung der Oligarchen und der Empfänger von Bestechungsgeldern (nach Meinung des Verfassungsgerichtshofes der Republik Moldawien) alle mögliche
moralische und finanzielle Unterstützung zukommen ließen, wurden die ersten politischen Gefangenen in Moldawien inhaftiert. Ist das das Ergebnis der „Demokratie“ im ärmsten Land Europas, über die Sie als
„Erfolgsgeschichte“ unserer Republik berichten?
Gratulation an Sie, dass die sogenannten „europäischen Werte“ und „Prinzipien der Demokratie“, von denen Sie lobend sprechen, wenn Sie die Situation in Moldawien kommentieren, so wunderbar erblühen in den
Verboten gegen die Opposition und gegen alle Menschen, die anders denken als die Führungsfiguren der Republik Moldawien. Von nun an bedeuten die „Redefreiheit“ und der „Pluralismus“ europäischen Stils, dass
unerwünschte Medien geschlossen und oppositionelle Journalisten und Aktivisten durch die Herrschenden verfolgt werden. Denn nun werden in Moldawien friedliche politische Proteste gleichgesetzt mit Extremismus
und Antifaschismus mit krimineller Aktivität.
Ich möchte dem US-Botschafter eine Empfehlung für das Büro unseres Generalstaatsanwalts senden. Obgleich die Leute dort in Eile waren, kann die politische Anklage die sie gegen mich konstruiert haben in ihren Widersprüchen und ihrer Unglaubwürdigkeit allen Anforderungen eines Science-Fiction Films standhalten. Nach ihrer Meinung könnte ich, der ich nie Waffen in den Händen hatte oder einen Kampfsport praktizierte, es mit jeglichem „Navy Seal“ aufnehmen und ich wäre heute in der Lage
die zweite Oktoberrevolution im Land zu organisieren. Ich hoffe, dass Sie, nachdem Sie meinen Fall gelesen haben, ein gutes Wort für den moldawischen Generalstaatsanwalt bei einem Hollywood-Produzenten
einlegen können. Vielleicht wären die besten westlichen Schauspieler interessiert eine Rolle zu übernehmen in diesen fantastischen Szenen krimineller Aktivität, wie sie gegen politische Dissidenten in Moldawien
konstruiert werden.
Das Büro des Generalstaatsanwaltes hat offenbar auch parapsychologische Fähigkeiten. Wie sonst wäre die Tatsache zu erklären, dass die Anklage gegen mich für die angebliche Vorbereitung zur Destabilisierung des
Landes im Oktober-November bereits im August eröffnet wurde, lange bevor ich überhaupt die ihrer Meinung nach vorliegenden Verbrechen begangen hätte.
Leider waren die parapsychologischen Fähigkeiten, die die Staatsanwälte in meinem Fall bewiesen haben und die eine der moldawischen Parteien bewogen hatte, in ihrem Wahlkampf heroisch über die Notwendigkeit des
„Kampfes gegen Extremismus“ zu sprechen, nicht vorhanden, als es darum ging, die Ermordung von Sorin Paču in dem „Padurea Domneasca“ Nationalpark zu verhindern oder bei der Aufklärung von Verbrechen durch VIPs aus den Kreisen der moldawischen Justiz. Aus bestimmten Gründen ist es offenbar den heimischen Gesetzeshütern nicht möglich dem früheren Abgeordneten der Demokratischen Partei Valery Guma habhaft zu werden. Obgleich ihm die parlamentarische Immunität entzogen wurde und er durch
Interpol gesucht wird, schaffen es die moldawischen Gesetzeshüter einfach nicht, ihn zu ergreifen. Aber das Wichtiges ist ja nicht der Kampf gegen die Korruption, sondern dass sich in unserem Land die
„Demokratie“ entwickelt …nicht wahr?
Ich möchte nicht mehr von Ihrer Zeit stehlen. Sie sind heute sicher mit wichtigeren Dingen beschäftigt, als sich mit meinem Fall auseinander zu setzen – etwa mit der Installation einer neuen-alten prowestlichen
Koalitionsregierung, aufgebaut auf politisch bankrotte Individuen, die sich den „europäischen Werten“ verschrieben haben, Werten die heute in den Augen zumindest jedes zweiten Wählers bereits diskreditiert sind.
Sie sollen wissen, dass ich an diesem 8. Dezember, dem ersten Jahrestag des Todes meiner Mutter, nicht an ihrem Grab sein kann. Und dass Michael Amerberg [ein weiterer inhaftierter kommunistischer Aktivist] in einer kritischen Zeit nicht an der Seite seiner schwangeren Frau sein wird.
… In der Zwischenzeit sprechen die Parteien der „demokratischen“ Mehrheit wieder einmal von „Prinzipien und Werten“. Sie versprechen neuerlich, das Land von Schurken und Korruption zu reinigen. Bisher
haben sie nur erfolgreich das Land von Dissidenten und Oppositionellen gesäubert, diese verlässlich in Gefängnissen isoliert. Mit schweigender Zustimmung – Ihrer Zustimmung meine Herren. Ist das nicht so?
Paul Grigorchuk, Journalist, Aktivist der Zivilgesellschaft, politischer Gefangener
PS: Ich hoffe, dass die Medien, die meine Glückwünsche veröffentlichen, nicht mit extremistischen und terroristischen Organisationen gleichgesetzt werden.
Antiimperialistische Koordination
aik@antiimperialista.org
www.antiimperialista.org/de
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