Michael Pröbsting UKRAINE BETWEEN US/ EU AND RUSSIAN IMPERIALISM (Rezension)
Wer des Englischen mächtig ist, erfährt in der Broschüre eine Menge über den Konflikt/ Krieg in der Ukraine- vor allem über die Vorgänge und Strukturen im Osten des Landes.
Nach wie vor herrscht in breiten Teilen der Linken hinsichtlich der Ukraine Uninformiertheit, Unsicherheit oder Denken in „Lager“kategorien vor. Nicht wenige Debatten erschöpfen sich in Schwarz-Weiß-Zuweisungen wie „alle auf dem Maidan waren Rechte, wenn nicht Faschisten“ bzw. im Osten des Landes sind alle „Agenten Putins“. Michael Pröbstings Analyse hebt sich wohltuend von solcher Kurzsichtigkeit ab.
Zurecht wird die Yanukowich-Regierung als Repräsentation der „Interessen einer reaktionären Gruppe von Oligarchen mit pro-russischer Orientierung“ (S.4) charakterisiert. Andererseits wird gut der Prozeß der Formierung des Protests im Osten des Landes gegen die rechte, neoliberale „Übergangsregierung“ in Kiew und ihren Krieg gegen des Donbass dokumentiert.
Gezeigt wird, wie der westliche Imperialismus und der Imperialismus Rußlands vielfältig intervenieren, um ihre jeweiligen „claims“ abzustecken.
Die Broschüre legt dar, wie legitim der Widerstand im Osten war und ist, aber er schildert ihn in keiner Weise blauäugig. Vielmehr wird gezeigt, daß von Anfang im Donbass „Kreml-Vertraute“, grußrussische Chauvinisten und Rechtsextremisten kräftig mitmischten und heute klar die Oberhand haben!
Auch die geopolitischen Passagen der Broschüre sind differenziert. Nach einer Charakterisierung der verschiedenen imperialistischen Fraktionen in Rußland (z.B. der einflußreichen „Eurasier“) heißt es hinsichtlich der dominanten Putin-Gruppierung: „Moskau wollte nicht die Donbass-Region annektieren, sondern eher die Aufstände als Instrumente gebrauchen, um auf das neue Regime in Kiew Druck auszuüben und einen vorteilhaften deal in ihren bilateralen Beziehungen zu erreichen“ (S.16).
Zwei solidarisch kritisch Anmerkungen erscheinen mir notwendig. Ich hätte mir gewünscht, daß die Ereignisse auf dem Maidan mit der gleichen prozeßhaften Methode dargestellt werden wie die Vorgänge im Donbass. Am Maidan fand SCHLIESSLICH eine „politische Enteignung“ der Bewegung statt. Demgegenüber heißt es im Text lapidar: diese Bewegung „entstand vom Anfang an als eine Bewegung die ein reaktionäres Ziel unterstützte (Beitritt zur EU)“ (S.4) . Wichtige Faktoren, wie etwa die mehr als 5000 (sic!) Kämpfe, die es in der Ukraine 2013 gegeben hatt und die auf dem Maidan ebenfalls ihren Ausdruck fanden (es gab sogar marxistische Schulungen) werden so ausgeblendet.
So richtig der abschließende Forderungskatalog der Broschüre auch ist (S.24), so sehr erscheint er mir zu linear aus dem „revolutionär-marxistischen Handgepäck“ abgeleitet zu sein. Es fehlen die nächsten Schritte, damit er Wirklichkeit wird: Wiederherstellen einer gemeinsamen Gesprächsbasis der ukrainischen Linken (sie redet derzeit nicht einmal miteinander!); „Friedenskonferenzen“; internationale Aktionstage; Ausarbeitung eines (Übergangs)programms „von unten“, das den Oligarchen und dem jeweiligen Imperialismus konkret die Stirn bietet.
Hermann Dworczak (0676 / 972 31 10)
Michael Pröbsting Ukraine between US/ EU and Russian Imperialism
Revolutionary Communism No.28 November 2014, Vienna. 31 Seiten, 5 Euro.
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