[Brunath] Essay
Ruhmlos verlässt Europa die Weltbühne
Essay von Rainer Brunath, Hamburg 5.8.2025
Die aktuelle Situation Europas – politisch wie wirtschaftlich – lässt die Frage aufkommen, ob der Kontinent, der in seiner historischen Vergangenheit von 500 – 600 Jahren den Rest der Menschheit durch technische Errungenschaften oder durch politische Philosophie und die damit verbundenen Wissenschaften nur unterdrückt und ausgebeutet hat, noch eine Zukunft hat. Oder hat der heutige Erbe des damaligen Europa – nämlich die USA, ehemals Einwanderungsland von hauptsächlich europäischen Immigranten – diese Funktion des Ausbeuters gegenüber der Menschheit übernommen und hat damit die alternden Eltern (Europa) aufs Altenteil gesetzt.
Nahe liegt diese Frage, denn Europa hat alle inneren Ressourcen verloren die ihm Souveränität und An-spruch auf Autorität verschaffen könnten, und ferner ist ein möglicher Beitrag der Europäer zur allgemeinen geopolitischen Entwicklung völlig undenkbar geworden. Der vor Kurzem gescheiterte Gipfel zwischen China und der Europäischen Union ist ein hervorragender Beweis dafür – Europa hat seine Souveränität verloren. Peking macht dies unmissverständlich deutlich, denn im Gegensatz zu Russland, das immer noch Bereitschaft zur zu Kooperation mit dem alten Kontinent signalisiert, hegt China keinerlei historische Sentimentalitäten gegenüber Europa.
Das Pünktchen auf dem i war die faktische Kapitulation Europas vor Donald Trump, als die Europäische Union einem „Deal“ der ein Diktat war, zustimmte. Drohungen seitens Trump wurde entsprochen – 15% Zoll für Exporte in die USA, null Zoll für Importe aus den USA, Einkauf von US-Energieträgern und Waffen im Milliarden-Maßstab aus den USA. Das wird eine Wiederherstellung des europäischen Industriepotenzials erschweren, wenn nicht unmöglich machen. Nur eines wurde in und für Europa konsolidiert: die Rhetorik gegen Russland und nun auch gegen China. Unmöglich sei – obwohl man noch vor kurzem darauf gesetzt hatte – konstruktive Beziehungen zum Reich der Mitte aufrechtzuerhalten.
Es ist ernüchternd festzustellen, wie schnell sich die internationale Bedeutung Europas, die auch in den Augen der Außenwelt so erschien, verschlechtert hat. Was ist der Grund dafür? Neben vielen Erklärungen ist es in der Hauptsache der völlige Verlust einer Zukunftsvision, der totale Verfall der Eliten und der politischen Systeme, die Apathie der Mehrheit der Bevölkerung. Anstelle zivilisierter Kultur ist Egoismus, Selbstbezogenheit und Kriminalisierung alternativer Meinungen (Opposition) getreten sowie überhebliche Besserwisserei gegenüber Ländern des Ostens und des Südens – erhobene Zeigefinger, die schon Geschichte haben. Vor etwa 15 Jahren organisierte die damalige EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini ein Treffen zur Frage der gemeinsamen Außenpolitik, an dem auch Wissenschaftler aus anderen Regionen der Welt teilnahmen. Schon damals wollten die europäischen Teilnehmer keine Vorschläge hören, darüber nachzudenken, was Europa der Welt geben könnte. Ablehnung solcher Gedanken seitens der nichteuropäischen Teilnehmer dominierte die Konferenz. Und so ist die Haltung der EU heute noch. Und darin liegt auch der Grund für das, was heute mit Europa geschieht.
Wie geht es nun mit Europa weiter?
Stellt die EU – trotz seiner mittlerweile wirtschaftlichen aber auch militärischen Schwäche – eine Gefahr für den Weltfrieden dar? Dagegen gäbe es begründete Einwände. Zum Beispiel die Tatsache, dass Europa über unzureichende personellen Ressourcen für gefährliche militärische Abenteuer verfügt. Nicht im Sinne einer theoretisch mobilisierbaren Bevölkerung, sondern im Sinne von Menschenmassen, die bereit sind, zu töten und zu sterben. Die Europäer leben immerhin noch recht gut, was auf individueller Ebene nicht gerade zur Selbstaufopfer-ung beiträgt. Zweifel gäbe es auch bezüglich der europäischen Eliten, dass sie ihre Träume von einer Wiederbelebung der totalen Rüstungsindustrie verwirklichen könnten kraft mangelnder finanzieller Ressourcen. Aber wie ein starrköpfiges Kind, das seinen Willen nicht bekommt, könnte das heutige Europa genau und trotz der inneren Widersprüche die Krise provozieren, in die dann Russland und die USA – die beiden militärisch stärksten Mächte der Welt – hineingezogen würden.
Aber – es gibt keine ernsthaften Gründe zu glauben, dass die Amerikaner bereit sind, sich für ihre europäischen Satelliten zu opfern. Zumal die USA selbst das europäische Territorium bereits während des Kalten Krieges als Schauplatz für einen begrenzten Konflikt mit Russland betrachteten. Aber – unter den heutigen Bedingungen birgt ein solcher Konflikt für die USA immer die Gefahr, dass er sich zu einem unbegrenzten Konflikt ausweitet, der auch das Territorium der USA betrifft.
Derzeit haben sich anscheinend die europäischen Eliten zum Ziel gesetzt, die Konfrontation mit Russland hinauszuzögern, in der Hoffnung, dass sich die Politik der USA ändern könnte, wenn Trumps Gegner an die Macht kommen. Sollten sie damit Erfolg haben, droht ggf die Situation außer Kontrolle zu geraten. Auf jeden Fall aber, gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass die europäischen Politiker ihre Haltung überdenken werden: sie können sich einfach nicht vorstellen, wie man mit Russland andere Beziehungen als in Form einer direkten Konfrontation aufbauen könnte. Und darin liegt die größte Gefahr für Europa – es kennt keinen friedlichen Weg in die Zukunft und wird immer, vorausgesetzt die politischen Voraussetzungen bleiben wie sie sind – wieder nur die konfrontative Lösung wählen
Nicht minder interessant ist die Frage, wie Europa in Zukunft aussehen könnte, falls es den Politikern nicht gelingt, uns alle in einen militärischen Konflikt hineinzuziehen.
Europa hinkt derzeit in den vielversprechendsten Bereichen der Wissenschaft und Technologie hinter dem Rest der Welt hinterher, die sich in einem „teuflischen Kreis“ befindet, da die USA unter Trump keine Bereitschaft zur Neuordnung der internationalen Beziehungen zeigt und nur Sieger und Besiegte, Drohungen und Ultimaten kennt. Die von Russland und China angeführten Staaten des globalen Südens und Ostens, setzen hingegen auf eine neue, multipolare Ordnung, die Trump mental nicht akzeptieren kann. Die Hoffnung der Welt (auch der Mehrheit der Menschen im Westen) liegt in rationalen Akteuren wie Lula, Putin und Xi Jinping, die trotz der Widrigkeiten an Diplomatie festhalten.
Deutschland ist inzwischen völlig unfähig diesen „Teufelskreis“ zu verlassen. Das bedeutet für Deutschland und Europa, endgültig zu einem Anhängsel der USA zu werden, und zwar nicht mehr nur in militärpoli-tischer, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht.
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