[Lost in Europe/Damrau] Die Zinserhöhung der EZB und das Problem der Geldhorte
Thoma Damrau hat zum Lost in Europe – Artikel „Zehnte Zinserhöhung: Die EZB läuft Amok“ (Lost in Europe, 14. September 2023) eine knackige Analyse der Zustände am EU-Geldmarkt als Kommentar hinterlassen. Ich halte ihn für sehr lesenswert, daher nachfolgend in voller Länge:
Zentralbanken sind Drogen-Dealer. Spätestens nach der Bankenkrise 2007 wurde billiges Geld als Aufputschmittel für die Wirtschaft großzügig verteilt. Was als kurzfristige Maßnahme sinnvoll ist, richtet als Dauer-Medikation enorme Schäden an.
Ich würde z.B. behaupten, dass die Niedrigzinspolitik die Immobilienpreise durch die Decke gejagt hat:
– Wo reine Geldlage wenig Profit abwirft, sucht sich das Kapital andere Anlagemöglichkeiten – Aktien und vor allem Immobilien.
– Bei niedrigen Zinsen lohnt es sich, einen Kredit aufzunehmen, eine Immobilie zu erwerben (oder zu bauen) und mit den erzielten Mieteinnahmen den Kredit abzubezahlen – oder im Zweifelsfall gar nicht erst zu vermieten und lediglich auf kontinuierliche Wertsteigerung zu spekulieren.
Da der verfügbare Baugrund (insbesondere in Deutschland) endlich ist (und als ökologischen Gründen auch nicht massiv erweitert werden sollte) steigen erst einmal die Grundstückpreise und in der Folge die Preise für den umbauten Raum: Hier im Großraum Stuttgart liegt der Quadratmeter-Preis für eine neue Stadt-nahe Wohnung bei € 7000. Wer plant eine solche Immobilieninvestition in 30 Jahren durch Mietnahmen wieder hereinzuholen, müsste eine Monatsmiete von grob €20 pro Monat und Quadratmeter (€ 7000 / 360 Monate) verlangen. Am Ende muss der Staat Mieten und Bauen massiv subventionieren, um die schlimmsten Verwerfungen zuzuschütten.
Und jetzt wird der Junkie auf kalten Entzug gestellt: Anstatt langsam (in den letzten zehn Jahren) die Zinsen anzuheben, wird in Panik kurzfristig der Stecker gezogen. Dabei hat die Inflation vermutlich wenig mit billigem Geld zu tun, sonst wäre die Inflation schon seit dem Beginn der Nullzins-Politik durch die Decke gegangen. Aber das neu gedruckte Geld stärkte ja nicht die Massenkaufkraft, sondern wurde als Kapitalgewinn abgeschöpft (und in die Karibik verbracht): So entsteht keine Inflation. Es bedurfte erst einer Verknappung von Energie, Rohstoffen und Vorprodukten, um die Preise in die Höhe zu treiben. Und diese Inflation holt nicht das Geld aus der Kabaribik zurück, sondern reduziert die Kaufkraft und damit die Nachfrage: Der Weg in die Rezession. Der Staat müsste eigentlich anti-zyklisch agieren und die Nachfrage stärken.
Aber in Zeiten, in denen das gesamte politische Establishment (einschließlich der Grünen) wirtschaftsliberal und daher die Angebots-orientiert denkt, werden (Unternehmens-)Steuern gesenkt und Subventionen an Konzerne verteilt werden.
No comments yet.