Rainer Brunath schildert die Folgen der überzogenen Sanktionen gegen Russland: Nun ist die „Wertegemeinschaft“ Bittsteller bei Autokraten fernab der menschenrechtlichen Ideale des Westens.

Bittsteller Scholz

Bundeskanzler Scholz reiste jüngst in die Golfstaaten. Er erreichte bei seinem Besuch von drei Ländern in zwei Tagen immerhin, dass es eine Lieferzusage gibt. Zum Jahreswechsel sollen einmalig 137.000 Kubikmeter Gas aus den Vereinigten Arabischen Emiraten importiert werden. Das war’s. Außerdem noch 250.000 Tonnen Diesel pro Monat, ebenfalls von dort. Diese Lieferzusagen liegen angesichts des tatsächlichen Verbrauch in Deutschland eher im homöopathischen Bereich. Aber egal, die Potentaten auf der Arabischen Halbinsel kriegen unser Geld. Und man behauptet, ein Anfang sei damit gemacht. Wer das nicht als Zweckoptimismus einschätzt, ist selber schuld, denn die dort ausgehandelten Verträge sind überschaubar. Ein Schuft aber, der zynische Fragen stellt, wie z.B. jene nach zweierlei Maß für die Begründung warum ein Krieg, den die Saudis gegen ihre eigenen Ethnien führen keine Rolle spielt während Russland zum Dämon hochstilisiert wird.

Man erinnere sich: Moskau würde man künftig die Einnahmen kappen und sich nach anderen Lieferanten umsehen. Auf diese Weise werde man der russischen Regierung den Geldhahn zur weiteren Finanzierung des Krieges abdrehen. Man werde sich neue Partner suchen, verlässlichere, moralisch höherwertige. Jawoll!!!

Nun, man glaubt neue Partner gefunden zu haben. Die „Vorzeigedemokratien Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate“ sollen Deutschland mit ihren Energielieferungen aus der Abhängigkeit vom autoritären Russland befreien. Der Krieg im Jemen wird dabei ebenso ausgeklammert wie Menschenrechtsfragen oder das Lieblingsthema des deutschen politischen Establishments, die Frage nach LGBT-Rechten. All das, was für Russland gilt, gilt für die Staaten am Golf nicht. Die Bundesregierung agiert nicht nur unglaubwürdig, sondern krankhaft schizophren. Aber vielleicht hat das mit der Himmelsrichtung zu tun. Der Süden ist halt wertiger als der Osten, denn das Ganze geht auf Kosten der deutschen Verbraucher, die das alles zu bezahlen haben und denen man so nebenbei einen Extraprofit aus der Tasche zieht.

Es scheint Herrn Scholz die Sache wert zu sein, das deutsch-russische Verhältnis mit eskalierender, konfrontativer Politik für Generationen zu beschädigen, um auf der anderen Seite tatsächlich repressive Regime mit seinem Kotau zu hofieren und damit dortige Herrschaftsverhältnisse zu zementieren. Scholz rechtfertigt sich einerseits, notwendige Themen seien angesprochen worden, aber bei seinem Gedächtnis, das er bei der Cum ex Affäre zu Schau stellte, könnte man meinen, dass er das wohl auch vergessen hat.

Aber egal, es ist doch einleuchtend, dass Scholz als Bittsteller nicht in der Position ist, Bedingungen zu stellen. Die Bundesrepublik tritt hier nicht als souveräner Partner auf. Sie ist daher auch nicht in der Lage, Verträge an die Einhaltung von Grundrechten zu binden. Und Scholz weiß das. Und er weiß auch, dass die Bundesregierung sich mit ihrer Absage an russische Energieträger selbst schachmatt gesetzt hat. Sie muss jetzt nehmen, was der Markt ihr bietet, und nach den Regeln, die der Markt macht. Und wenn man den Markt durch die eigene Sanktionspolitik nochmals verengt hat, dann muss man eben buckeln und zu Kreuze kriechen. Der Kanzler macht der Welt vor, wie es geht. Und er scheint das buckeln zu können. Man erinnere sich, seine schwache Vorstellung in Washington auf der Pressekonferenz neben Biden.

Die Golfsaaten haben begonnen, immer enger mit China zu handeln. Sowohl Saudi-Arabien als auch Katar wurden beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) zu Dialogpartnern. Auch den Golfstaaten ist klar, dass die Musik künftig nicht mehr im Westen spielt. Und sie können sich das als souveräne Staaten erlauben.

Besonders paradox sind die zugesagten Lieferungen von Diesel. Die Golfstaaten importieren in zunehmendem Maße Rohöl aus Russland. Ein ausgesprochen gutes Geschäft, denn aufgrund der Selbstkasteiung westlicher Länder, sind die arabischen Staaten in der Lage, das importierte Öl und die daraus raffinierten Produkte mit hohen Gewinnen weiter zu veräußern. Die moralische Hybris jedenfalls, mit der Deutschland gegenüber Russland auftritt, ist voller Scheinheiligkeit. Der Besuch von Scholz in den Golfstaaten führt das in aller Deutlichkeit vor.

Rainer Brunath, Hamburg, 27.9.2022