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Ukrainekrieg: Wer ist zu kritisieren?

Bloged in Allgemein,Diskussion,Krise by friedi Sonntag Juli 31, 2022

Nachdem mir in einer Diskussion vorgeworfen wurde, ich kritisier nur den Westen und die Ukraine – nicht aber den Agressor Russlands, habe ich versucht, die Vorgänge zu reflektieren und diese meine Asymmetrie in der Kritik zu beleuchten.

Warum meine Kritik im Ukraine-Konflikt das westliche Vorgehen schärfer kritisiert als das russische.

Nun, der erste und banale Grund ist, dass ich mich für das westliche Vorgehen mehr verantwortlich fühle, als für das russische. Aber es gibt in der Rhetorik der ukrainischen Staatsführung und vor allem in der Art der Kriegsführung viele Elemente, welche meine Kritik am Vorgehen der Ukraine und des Westens herausfordern.

Es ist klar, dass Verstöße gegen internationales Recht, gegen die Haager Landkriegsordnung und gegen die allgemeine Humanität kritisiert und geahndet werden müssen. Insofern ist es klar, dass die internationale Staatengemeinschaft die russische Okkupation, sowie die dabei begangenen Kriegsverbrechen sanktionieren muss.

Aber wie immer gibt es dabei ein Aber.

Dieses Aber beginnt schon im Vorfeld des Konfliktes – und damit meine ich nicht den Maidan-Putsch, sondern das westliche Vorgehen seit dem Fall der Berliner Mauer.

So hat der Westen nicht nur seine Zusagen gegenüber Russland bezüglich der NATO-Osterweiterung gebrochen sondern der Westen – allen voran die USA – war auch wesentlich beteiligt, dass in den ehemaligen Sowjetrepubliken das Oligarchentum sich etablieren konnte. Nach neoliberalen Wirtschaftskonzept haben die meist us-amerikanischen Berater zur rücksichtslosen Privatisierung aller Vermögen gedrängt. Dieses Konzept – gemäß Milton Friedman – sollte in Russland einen liberalen Markt mit klaren Eigentumsverhältnissen schaffen. Gemeinsam mit einem entwickelten Rechtssystem sollte dann dieser Markt auftretenden Problem über die gerichtlichen Klagemechanismus selbst regeln (Konzept der unsichtbaren Hand gemäß der Markttheorie von Adam Smith). Russland und auch einige andere ehemaligen Sowjetrepubliken haben dieses Konzept umgesetzt. Die Folgen waren für die einfachen Menschen und auch für Russland katastrophal: Oligarchentum, Entzug von Produktionsmittel durch ausländische Konzerne, Verarmung der Bevölkerung und Niedergang der einstigen Supermacht Russland. Dieser Vorgang wurde nun von Wladimir Putin, der den Träumen der alten Großmacht anhängt, gestoppt. Er hat inzwischen, aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit dem Westen, ein fast pathologisches Misstrauen gegen westliche Politik entwickelt. Aussagen und Politik des Westens sieht er eher als Bedrohungen. Demgemäß drängt er auch auf eine Schutzzone an den Grenzen Russalands.

Der Westen (also EU, GBR, USA) wiederum sah die russische Macht – sowohl militärisch als auch weltpolitisch schwinden und erweiterte Zug um Zug seine Einflusssphäre. Ein ehemaliger Ostblockstaat nach dem anderen schloss sich der EU an oder ging in die NATO. Gerade die NATO stellt aber ein strategisches Sicherheitsrisiko für Russland dar. Die USA tat unter fadscheinigen Begründungen alles, um ihren militärischen Einfluss ostwärts zu treiben. So wurden etwa unter dem Vorwand, Europa gegen iranische Raketen zu schützen 2012 ein Raketenabwehrsystem installiert. Dies ist für Russland nicht nur eine Provokation sondern im Konfliktfall auch eine existenzielle Bedrohung, da im Falle eines militärischen Überfalls Russland seine Zweitschlagfähigkeit verliert. Mit dem Vorrücken der NATO an Russlands Grenzen wird auch ein plötzliche Überfall, der sofort wesentliche Zentren in Russland unter Beschuss nehmen kann, immer mehr möglich. Dass nicht die iranischen Raketen der Grund für die Etablierung des Raketenabwehrschirms war, wurde von us-amerikanischer Seite auch mehr oder minder offen gesagt. In der Fachzeitschrift Foreign Policy etwa heißt es unverblümt:

Sowjetische Führer werden erst durch eine glaubwürdige amerikanische Siegesstrategie beeindruckt sein. Eine solche Lehre müsste den Tod des Sowjetstaates ins Auge fassen. Die Vereinigten Staaten sollten planen, die Sowjetunion zu besiegen, und dies zu einem Preis, der die Wiedergenesung der USA nicht verhindert. Washington sollte Kriegsziele verfolgen, die letzten Endes die Zerstörung der sowjetischen politischen Autorität anstreben sowie die Entstehung einer Weltordnung, die mit westlichen Wertvorstellungen vereinbar ist.“ (zitiert nach https://aixpaix.de/muenchhausen/raketenabwehrschild.html [Aufgerufen am 31.7.2022])

Bei all diesen Vorgängen, Wortbrüchen, Aufrüstungen und Aussagen des Westens bzw. der westlichen Leitmacht wundert es nicht, dass früher oder später Russland nicht mehr mitspielen wird. Mit Wladimir Putin, der aus dem russische Geheimdienst kommt, ist ein Mann in die russische Politik eingestiegen, der einerseits die Russische Föderation wieder stark machen will und anderseits dem Westen kein Vertrauen mehr entgegenbringt.

Dieses historische Gemenge, das ich versucht habe hier holzschnittartig darzulegen, ist der Nährboden, auf dem auch der Ukrainekrieg fußt.

Der Westen (Synonym für USA verwendet) ist sich seiner Überlegenheit bewusst – immerhin ist das Militärbudget des Westens mit ca. 700 Milliarden $ fast 14 mal so groß wie das russische (siehe: https://www.faz.net/aktuell/politik/militaers-der-welt-welche-streitkraft-ist-die-maechtigste-13416922.html [Aufgerufen am 31.7.2022] ). – und diese Überlegenheit führt auch zur Überheblichkeit. Die Überheblichkeit wiederum war eine der Auslöser für den Ukrainekrieg.

Russland wollte die Ausweitung der NATO in die Ukraine verhindern. Daher schlug Russland vor, dass die Ukraine militärisch neutral wird. Die Antwort vom US-Präsidenten Joe Biden war sinngemäß ein flapsiges: „Kommt nicht in Frage. Wer in die NATO will, kommt auch in die NATO“. Gemischt war dieses diplomatische Geplänkel noch mit Agitationen in der Ukraine selbst.

So agitierten in der westlichen Ukraine ukrainische Nationalisten zusammen mit westlichen Agenten für eine westlich gesinnte Regierung, während im Nord-Osten der russische Einfluss für ein russenfreundliches Regime agitierten. Mit dem Maidanputsch kippte dann die inner-ukrainische Situation. Im Nord-Osten spalteten sich die russisch dominierten Oblasten ab. Sie wollten unabhängig von der ukrainisch-nationalistischen Regierung werden. Immerhin hat diese 2019 das Russisch als Amtssprache verboten – war also der russischen Bevölkerung gegenüber klar feindlich eingestellt.

Diese Situation nutzte nun Russland, indem es die abtrünnigen Provinzen anerkannte und diese Russland um militärische Hilfe baten. Damit war der Grund für einen Einmarsch russischer Truppen geschaffen. Dieser Einmarsch wäre, so er an den Grenzen von Luhansk oder Donezk stehen geblieben wäre, vermutlich auch völkerrechtlich gedeckt gewesen. In einer krassen Fehleinschätzung der Situation hat aber die Russische Föderation die Friedensordnung gebrochen und ist auf Kiev marschiert – was einer klaren Okkupation gleich kommt. Mit diesem Schritt hat sich Russland außerhalb des Völkerrechts gestellt – und der Westen hat seinen Sanktionsreigen gegen Russland begonnen.

Es gäbe noch viel anzuführen, aber ich versuche an dieser Stelle einmal ein Zwischenresümee:

  • Die USA geführte NATO hat seine Zusagen nicht eingehalten und hat sich aggressiv gegen Osten ausgebreitet.
  • Die USA hat begonnen, im NATO-Raum militärische Systeme zu installieren, welche ihre Erstschlagfähigkeiten gegen Russland verbessert und gleichzeitig die Zweitschlagfähigkeiten Russlands beeinträchtigt.
  • Die Aussagen us-amerikanischer Medien lassen klar erkennen, dass Russland bekämpft werden soll.
  • Sicherheitsbedürfnisse Russlands wurden ignoriert.
  • Diplomatisches Vorgehen seitens des Westens wurde aus Überheblichkeit unterlassen.

Gemäß dieser Punkte, ist Kritik am Westen zu leisten.

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine ist ein Verstoß gegen internationale Abmachungen – allerdings in einer Weise, wie in der Westen seit 1990 mehrfach selbst durchgeführt hat (Jugoslawien, Irak, Libyen usw.). Eine Kritik dieses Einmarsches ist notwendig und der Einmarsch ist zu sanktionieren – aber eben angemessen, in Relation zu den Vorkommnissen nach 1990.

In dieser Situation hat der Westen jedoch eine Sanktionsspirale gegen Russland losgetreten, die ihresgleichen Sucht. Im Endeffekt hat man praktisch das gesamte Welthandelssystem aus den Angeln gehoben. Dort wo eigentlich eine UN-Verurteilung angebracht wäre, oder wo eine scharfe diplomatische Depesche das Mittel der Wahl wäre, hat man Zahlungssysteme gesperrt, hat man Handelsströme unterbrochen – kurz die Sanktionen waren eigentlich keine Sanktionen im Sinne dass sie ein Einlenken Russlands bewirken könnten – sondern es war der Auftakt zu einem Wirtschaftskrieg Westen gegen Russland.

Das ist einer meiner Kernpunkte in meiner Kritik an den Vorgängen.

Nun komme ich zu den Auswirkungen und Vorgängen im Krieg selbst.

Da haben wir einmal ein gut dokumentiertes brutales Vorgehen der russischen Invasoren. Erschießungen von Zivilisten sind gut dokumentiert, Vergewaltigungen werden glaubhaft behauptet und Plünderungen scheinen vorzukommen. Das sind Verstöße, die vor Kriegsgerichten und Menschegerichtshöfen zu verhandeln und zu bestrafen sind. Russland muss hier zu Reparationsleistung verurteilt werden. Ebenso muss Russland zu Reparationsleistungen für den angerichteten Schaden von internationalen Gerichtshöfen verurteilt werden oder sich selbst dazu verpflichten.

Auf der anderen Seite – also auf der ukrainischen Seite ist aber hier ebenfalls heftige Kritik zu üben. Die ukrainische Regierung wäre eigentlich dazu verpflichtet, ihre Zivilisten zu schützen, sie aus Kampfgebieten zu evakuieren. Gemäß dem, was über Youtube zu sehen war und auch was in den westlichen Medien berichtet wurde ist aber genau das Gegenteil passiert. Wolodimir Selenskij hat in Videos dazu aufgerufen, Invasoren mit Molotow-Coktails anzugreifen; die Verwaltung hat an Zivilisten Waffen ausgegeben, um Widerstand zu leisten. All das macht Zivilisten aber zu Kombattanten! Selenskij hat damit eigentlich den Grundstein für die Tötung von Zivilisten gelegt. Zudem – und auch das war auf Youtube-Videos ersichtlich – haben sich reguläre ukrainische Truppen – etwa Panzer – in Wohnviertel „versteckt“. Das macht die Wohnviertel zu regulären Angriffszielen. Das Asow-Stahlwerk könnte da nahezu als Musterbeispiel für diese Art der Kriegsführung herangezogen werden: Man versteckt eine Kampfgruppe in Bunkern mitten in einer Stadt, von wo sie dann Nadelstichartig den Gegner angreifen. Um dieses Widerstandsnest auszuschalten, ist der Gegner dann militärisch gezwungen, die Stadt einzunehmen – mit gewaltigen zivilen Kollateralschäden. Dort wo eine verantwortliche Regierung die Stadt, die nicht zu verteidigen ist, übergibt, haben die ukrainischen Nationalisten die Stadt praktisch als Hinterhalt für eine Kampftruppe genutzt. Aus staatsrechtlicher Sicht ein unverantwortliches Vorgehen.

Wenn ich an diesem Punkt wieder über die Gewichtung meiner Kritik nachdenke, so schlägt sie gegen die Regierung Selenskij aus. Die russischen Truppen sind Okkupanten und daher – wie schon zuvor dargelegt – zu verurteilen und zu sanktionieren. Dies trifft ebenso für die in den Kampfhandlungen begangenen Kriegsverbrechen zu. Aber die Regierung Selenskij hat eine militärisch Strategie verfolgt, welche die Bevölkerung als Teil der Abwehrmaßnahmen benutzt hat. Dies relativiert einerseits mögliche Kriegsverbrechen und ist aus meiner Sicht doppelt verachtenswert, weil die Regierung eigentlich zum Schutz der Zivilisten da wäre.

Damit komme ich zu meinem letzten Punkt: Die tagespolitische Lage.

Russland hatte ursprünglich eine militärisch neutrale Ukraine gefordert. Dies wäre eine Forderung, die ohne Krieg erfüllbar gewesen wäre. Der Westen wollte es nicht. Ein klarer Kritikpunkt an den Westen (und die ukrainische Führung). Nun hat Russland seine Forderungen ausgeweitet: Es forder Luhansk und Donezk als unabhängige Teilstaaten und eine militärisch neutrale Rest-Ukraine. Auch diese Forderung wäre ohne Krieg erfüllbar.

Der Westen und die ukrainische Führung stellen hingegen Maximalforderungen: Die Rückeroberung aller Gebiete inklusive der Halbinsel Krim. Diese Forderung ist selbst militärisch kaum erfüllbar. Diese Forderung wäre nur erfüllbar, wenn Russland zusammenbrechen würde. Damit ist meine Kritik auch hier am Westen und an der Ukraine stärker als an der russischen Seite. Es gibt nur von russischer Seite Forderungen, die den Krieg beenden würden.

Von ukrainischer Seite werden Maximalforderungen erhoben, die nicht erfüllbar sind. Dies zudem in einer Situation, in der die Ukraine praktisch schon besiegt ist: Es gehen die Waffen aus und das Geld ist ohnedies schon lange ausgegangen. Der Krieg kann von Seiten der Ukraine nur mehr dadurch weitergeführt werden, dass ihn logistisch und finanziell der Westen führt. Diese Situation beinhaltet die Gefahr, dass sich der Krieg ausweitet. Jetzt schon liefert Polen, Deutschland, England, USA, Frankreich u.a. das Kriegsgerät und bildet ukrainische Soldaten aus. Eigentlich kann dieser Umstand schon als Kriegseintritt gesehen werden. Zusammen mit dem unter dem Titel „Sanktionen“ geführten Wirtschaftskrieg haben wir eigentlich alle Voraussetzungen, dass sich der Krieg auch als heißer Krieg – etwa nach Polen oder Rumänien – ausbreitet. Aktuell ist es Russland, oder russlands Schwäche, zu danken, dass der Krieg lokal bleibt. Aber auch aus diesem Blickpunkt ist der Schwerpunkt meiner Kritik auf Seiten des Westens bzw. der Ukraine.

Zusammenfassend halte ich fest: Russland führt einen Krieg, der verurteilt und sanktioniert werden muss. Im Vorgehen ist aber Russland die einzige Macht, die rational und offen agiert und somit die Möglichkeit schafft, den Konflikt zu beenden.

Der Westen und die Ukraine agitieren im Verborgenen, ohne Konzepte, wie der Krieg anders als mit einer Erschöpfung oder mit einem militärischen Sieg einer Seite beendet werden kann. Dies bedeutet weiter Zerstörung, Tod und Leid. Für mich eine Strategie, die verurteilenswert ist.

Graz, 31.7.22, W.Friedhuber

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