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ÖSTERREICH / Europawahl: SP-Debakel und genereller Rechtsruck ( ERWEITERT ! )

Bloged in Allgemein by admin Montag Juni 29, 2009

Die Sozialdemokratie hat mit minus 9,5 Prozent ein wahres Debakel eingefahren. Die Niederlage hat historische Dimension: es handelt sich um das schlechteste Ergebnis der 2.Republik – also der Zeit nach 1945. Obenauf sind mit 30 Prozent die Schwarzen, der Populismus eines -von der Kronenzeitung mächtig gefördeten-Hans- Peter Martin und die FPÖ, die sich verdoppeln konnte ( in Wien und Niederösterreich sogar verdreifachen).

Dieser generelle Rechtsruck, der auch in etlichen anderen europäischen Laendern erfolgte ( in Ungarn und Großbritannien zogen mit Jobbik und British National Party sogar offene Faschisten ins Europarlament ein ) sollte der Linken zu denken geben. Offensichtlich ist, daß die Sozialdemokratie angesichts der globalen Krise des Kapitalismus orientierungslos dasteht. Wie schon bei Wahlen davor (Salzburg, Kärnten, Arbeiterkammerwahlen,…) laufen der SPÖ die WählerInnen in Scharen davon: teils indem sie zu Hause bleiben, teils indem sie zu anderen Parteien überlaufen.

Dabei spiegelt die allgemeine Katastrophe für die SP die spezifischen Einbrüche nur unzulänglich wieder: gerade in den “ ArbeiterInnenhochburgen“ gab es die schlimmsten Rückschläge: in Wiener Bezirken wie Favoriten, Brigittenau oder Floridsdsdorf gingen über 15 Prozent verloren. In Wien- Simmering , wo es traditionellerweise absolute Mehrheiten gibt, sackte die SP um 19 Prozent ab und liegt mit 33 Pozent nur mehr um 8 Prozent vor der FPÖ ( 25 % ). In der Industrieregion der Obersteiermark hagelte es ähnliche Niederlagen. In Leoben, der zweitgrößten Stadt der Steiermark gingen ebenfalls 19 Prozent verloren ( wie in Kapfenberg ) In den Industriestandorten Niederösterreichs setzte es ein Minus von 17 Prozent in Ternitz und 16 Pozent in Wiener Neustadt. In Lenzing (Oberösterreich), Sitz einer großen Papierfabrik, gingen sogar 22 Prozent verloren ! Die Negativliste ließe sich beliebig fortsetzen.

Gerade in den erwähnten Bezirken und Städten gingen viele ehemalige SP-stimmen direkt zu den Hetzern und Rassisten der FPÖ. Die FPÖ gab sich demagogisch als „soziale Heimatpartei “ ( „Österreich zuerst“ )- gepaart mit Fremdenfeindlickeit und Rassismus ( “ Gegen EU-Asyl-Wahnsinn“ ) . Gleichzeitig wurden Islamophobie und Antisemitismus bedient: „Veto gegen Türkei & Israel in EU “ . Der Wahltag wurde zum „Tag der Abrechnung“ stilisiert.

Die Grünen , die abermals Einbußen zu verzeichnen hatten und bei 10 Prozent landeten , sind meilenweit davon entfernt, gesellschaftspolitische Alternativen anzubieten- gerade in Europafragen, wo sie sich für den neoliberalen und militaristischen Reformvertrag ausgesprochen haben.

In so einer Situation nimmt es nicht wunder, daß Populismus und extreme Rechte gleichsam in ein politisches Vakuum vorstoßen können. Die Liste von Hans Peter Martin, die auf 18 Prozent kam, läßt sich vielleicht am ehesten als ein “ Populismus der Mitte “ charakterisieren: zum Teil werden reale soziale und politische Probleme aufgegriffen, die Kritik daran wird jedoch vor allem in ein gebetsmühlenartiges Wettern gegen die “ Brüsseler Bürokratie “ umgebogen. Und natürlich ist nicht sozialer oder politischer Widerstand angesagt. Die Botschaft ist vielmehr: vertraut dem “ Rebellen “ Hans Peter Martin, dem “ Einzigen, den die Mächtigen fürchten „- er wird es als “ Hecht im Karpfenteich“ schon richten…

Die FPÖ, die 14 Prozent der Stimmen erhielt , hätte wahrscheinlich noch mehr abgeräümt, hätte sie in der Schlußphase des Wahlkampfs nicht den Bogen überspannt. Ihr „Führer“ Heinz-Christian Strache trat bei Wahlveranstaltungen mit dem Kruzifix ( sic ! ) auf , um sich gegenüber der angeblich drohenden “ moslemischen Gefahr “ als “ Retter des Abendlands “ zu präsentieren- historisch und ideologiegeschichtlich eine echte Chuzpe, wenn man die antiklerikare Tradition der – deutschnationalen- FPÖ reflektiert. Schließlich bezeichnete Strache den Präsidenten der israelitischen Kultusgemeinde Ariel Muzikant als “ geistigen Ziehvater des Linksterrorismus“, was begreiflicherweise einen allgemeinen Sturm der Entrüstung auslöste. Angesichts solcher Eskapaden machten etliche “ Unzufriedene “ lieber bei dem “ gemäßigten “ Populisten Martin das Wahlkreuzchen.

Schließlich kam das BZÖ- die Nachfahren Jörg Haiders- auf 4,6 Prozent, womit die extreme Rechte insgesamt rund 19 Prozent erhielt.

Die kleine österreichische Linke muss sich doppelt bei der eigenen Nase nehmen:

– erstens, dass sie die -wichtigen- Europawahlen weitgehend verschlafen hat

– zweitens , dass es ihr nicht gelang, gemeinsam eine linke Alternative zu präsentieren ( der Alleingang der KPÖ schaffte gerade 0,7 Prozent ).

Es bleibt nur zu hoffen, daß dieser generelle Rechtsruck zu einem Umdenken führt: und endlich ernsthaft und solidarisch an den Aufbau einer politischen Kraft links von der Sozialdemokratie herangegangen wird. Dieser Aufbau ist umso notwendiger, als es nicht das geringste Anzeichen für ein Umdenken der sozialdemokratischen Führung gibt. Im Gegenteil: auf ihrer Präsidiumssitzung wurde der bisherige Schlingerkurs bestätigt und dem kritischen Landeshauptmann Franz Voves eine politische Kopfwäsche verpaßt.

Hermann Dworczak ( 0676 / 972 31 10)

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