Die Dynamik der Zeit – die Erosion der Rechtssicherheit
Aktuell ist ein interessantes, aber bedenkliches Phänomen besonders gut zu beobachten: Die Anlassgesetzgebung.
Medial eher unbeachtet, aber in seiner rechtserodierenden Bedeutung für die Demokratie höchst bedenklich, werden Gesetze, welche die Grundlage unseres Zusammenlebens bilden, in einem Tempo geändert – das schlicht atemberaubend ist.
Der aktuell regierende Bundeskanzler, Herr Kurz, hat, im Zuge der Corona-Gesetzgebung, dieses Verfahre zur Blüte gebracht: Gesetze werden erlassen, für eine Dauer, welche jeglichen Einspruch dagegen unmöglich macht, da sie zum Einspruchszeitraum bereits wieder außer Kraft sind.
Ich rede hier nicht von Notstandsgesetzen – nein – ich rede hier von Gesetzestellen auch im Bürgerlichen Gesetzbuch. Als überschaubares Beispiel soll hier die Beschlussfassung im Nationalrat vom 17.6.2021 herangezogen werden (siehe: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/BNR/BNR_00321/index.shtml), an dem die Praxis der hohen Dynamik besonders gut sichtbar wird:
„Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes
Das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609/1977, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xx/2021, wird wie folgt geändert:
1. Dem § 79 wird nach Abs. 173 folgender Abs. 174 angefügt: „(174) § 81 Abs. 17 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2021 tritt mit 1. Juli 2021 in Kraft und mit Ende September 2021 außer Kraft. § 81 Abs. 17 in der Fassung des Bundesgesetzes www.parlament.gv.at
2 von 2 909 der Beilagen XXVII. GP – Beschluss NR – Gesetzestext BGBl. I Nr. xxx/2021 ist auf die Bezüge der Notstandshilfe für die Monate Juli bis September 2021 anzuwenden. § 67 ist auf die Bezüge der Monate Juli bis September 2021 nicht anzuwende.“ ( https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_01698/index.shtml)
Da wird ein Gesetz, das heuer bereits geändert wurden, nun abermals geändert, wobei die Änderung mit Juli in Kraft tritt und bereits im September wieder außer Kraft ist.
Rechtssicherheit schaut anders aus. Das Bürgerliche Gesetzbuch ist eigentlich ein Werk, das es den Bürgern ermöglichen soll, geordnet ihre Reche und Pflichten zu kennen. Werden dabei Geltungsdauern in Monaten und Gesetzesänderungen mehrmals im Jahr üblich, so geht das in Richtung gesetzliche Willkür.
Aktuell wird die Corona-Krise und die Bekämpfung der katastrophaeln wirtschaftlichen und menschlichen Folgen der im Zuge dieser Bekämpfung verhängten Maßnahmen als Grund angegeben. So einsichtig es scheint, dass in solchen Krisensitutationen rasch gesetzliche Maßnahmen, etwa bei der Unterstützung der Menschen, notwendig werden – umso fragwürdiger ist es, dies über die regulären Gesetzeswerke zu machen. In Notstandszeiten gelten Notstandsgesetze!
Aktuell versucht die Regierung anscheinend, Notstandsgesetze zu vermeiden und die Notstandsbekämpfung über die allgemeinen Gesetzeswerke zu ermöglichen.
Für mein Rechtsempfinden, ist dies der falsche Weg (und wurde meines Wissens historisch so auch kaum durchgeführt), weil die Rechtssicherheit damit aufgelassen wird. Niemand von den Normalbürgern kann bei dieser Art der Gesetzgebung die geltenden Gesetze noch kennen. Sie können damit auch nicht eingehalten werden. Es entsteht ein Raum der gesetzlichen Willkür. Eine volksnahe Verwaltung würde so etwas vermeiden.
Für mich erhebt sich da die Frage: Ist die Verwaltung den Krisen gegeüber nur so hilflos geworden, oder wird ein anderer Zweck mit dieser Art der Gesetzgebung verfolgt?
Graz, 22.6.2021, W. Friedhuber
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