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Die Übernahme des Staates durch die Wirtschaft am Beispiel AMS in Österreich

Bloged in Allgemein by friedi Sonntag November 1, 2020

Österreich hatte ein sogenanntes Arbeitsamt. Dies war eine Behörde, welche die Belange der Arbeitslosenversicherung betrieb und Arbeitsmarktpolitik im Sinne der Beschäftigungslosen. Das sogenannte „Stempelgeld“ ist ein Schlagwort aus dieser Zeit.

„Mit dem Arbeitsmarktservicegesetz vom 1. Juli 1994 [Anm.: Regierung SPÖ: Kanzler Vranitzky] wurde die Arbeitsmarktverwaltung (AMV) aus dem Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales ausgegliedert und das Arbeitsmarktservice (AMS) als Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts konstituiert.“ (https://www.ams.at/organisation/ueber-ams/daten-und-fakten)

Seither bildet das AMS eine Mischung von Dienstleistungsunternehmung – auch für die Unternehmer – und Stelle mit Behördencharakter für die arbeitslosen Menschen. Der Schwerpunkt der Tätigkeiten geht zudem immer mehr hin zur Kostensenkung und Einsatz von e-Government (automatisierte Verwaltung). Dies auch auf Kosten der Menschenwürde – und wie die Vorkommnisse um den sogenannten AMS-Algorithmus zeigen, sogar ohne Berücksichtigung der Rechtslage!

Der unter Vranitzky anno 1985 begonnene Weg der neoliberalen Politik in Österreich wird nun durch die ÖVP und ihre Bündnispartner (zur Zeit die GRÜNEn) ungehindert fortgesetzt. Auf der Strecke bleiben die Schwächsten der Gesellschaft, denen zunehmend Restriktionen – auch ohne Rechtsbasis – zugemutet werden.

So plante etwa das AMS für 2020 die Einführung eines elektronischen Bewertungssystems für Arbeitssuchende. Ziel war eine Kostenreduktion im AMS sowie die Bedarfsdeckung an Arbeitskräfte der Unternehmerclientel in der jeweiligen Region. Das Ding wurde euphemistischer „Arbeitsmarktchancen Assistenz System“ (AMAS) oder auch „personalisiertes Arbeitsmarkt-Assistenz-System“ (PAMAS)genannt.

Die Einführung wurde ab November 2018 betrieben – dies trotz heftiger Proteste und Einsprüche seitens Datenschützern, Philosphen, Philosophinnen und Arbeitslosenorganisationen (siehe https://www.linkestmk.at/archive/17049 und https://epicenter.works/content/das-problem-mit-dem-ams-algorithmus).

Selbst eine parlamentarische Anfrage seitens der SPÖ wurde von der neoliberalen Regierung Kurz mit unsinnigen Leerfloskeln abgewiesen (siehe: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200225_OTS0105/muchitsch-beantwortung-von-aschbacher-bestaetigt-falschen-weg-mit-ams-algorithmus und https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_02296/index.shtml) . Es schien hoffnugslos hier eine Achtung von Menschenrecht und Staatsrecht durch die Regenten zu erreichen. Kein Einspruch, keine Argumentation, kein Aufzeigen von Schwachstellen und kein Protest wurde zur Kenntnis genommen. Eine technik- und herrschaftszentrierte Lobby stellte sich taub und ignorierte alles was nicht in ihr Konzept passte – auch im Parlament.

Erst das „amtswegige Prüfvervahren“ der Datenschutzbehörde machte dem Spuk ein (vorläufiges) Ende. Sie untersagte den Einsatz des Algorithmus aufgrund fehlender Rechtsgrundllage (siehe: http://fetzen.net/aalgo/docs/DSB_Bescheid_an_AMS_zu_AMS_Algorithmus_AMAS_16_08_2020.pdf ).

Was sich der neoliberale Block unter Vranitzky,  fortgegührt durch Kurz und seiem Wirtschaftblock so schön vorgestellt hatte, erwies sich als Fallstrick: Eine Dienstleistungsunternehmen im Sinne der Unternehmer mit der Rechtsgewalt einer Behörde gegenüber den Arbeitssuchenden, hat sich nun gegen die Intention der Regenten gewandt. Der Einsatz eines so weitreichenden Algorithmus wie der AMAS einen darstellt, der nicht lediglich eine statistische Auswertung darstellt, sondern darüber hinaus noch Mehrwert durch Entscheidungshilfestellungen generiert, kann von einer Behörde nur aufgrund eines gesetzlichen Auftrages eingesetzt werden – und das Gesetz hat man nicht erlassen.

Eine Gesetzesfindung im Parlament sollte aber anscheinend vermieden werden (oder die befassten Stellen sind so fachfremd, dass sie den Bedarf nicht erkannt haben). Der Algorithmus hat jedenfalls zahlreiche juristische Problemlagen zu bieten, die einem konfliktfreiem Gesetz zu seinem Einsatz im Wege stehen. Er widerspricht in wesentlichen Punkten allgemeinen Vereinbarung zur Menschenwürde – etwa dadurch, dass eine maschinell errechnete Einstufung über den weiteren Berufsweg der Arbeitssuchenden die Grundentscheidung trifft. Von dieser Entscheidung ist die Mittelzuteilung für die weitere Betreuung der Erwerbsarbeitslosen wesentlich mitbestimmt.

Auch wenn die Regierung und der Produzent des Algorithmus bestreiten, dass es sich bei AMAS um eine künstliche Intelligenz handelt, so ist das eine Spitzfindigkeit, welche die Kritik nicht entschärft, handelt es sich doch  um einen Algorithmus, der datenauswertende Schlüsse zieht (siehe Bescheidtext der Datenschutzbehörde ). Prinzipiell genügt er in zahlreichen Punkten nicht den Richtlinien den „Ethik-Leitlinien für eine vertrauenswürdige KI“ der EU (siehe etwa https://ec.europa.eu/newsroom/dae/document.cfm?doc_id=60425) – etwa in der Transparenz der Datenauswertung.

Die neoliberale Regierung (im Rahmen der EU und auch in Österreich!) kümmert sich zwar wenig um Gesetze, die sie einschränken würde, aber solange nun der Bescheid der Datenschutzbehörde aufrecht ist, ist der Einsatz des unseligen Algorithmus blockiert.

Ein kleiner Sieg des Rechtsstaates zugunsten der an den Rand gedrängten Menschen. Leider ist zu befürchten, dass 1.) entweder der Bescheidbeschwerde des AMS doch noch stattgegeben wird oder 2.) das Parlament einfach den Einsatz per Gesetz beschließt (dann vermutlich auch mit den Stimmen der SPÖ).

Im Endeffekt schützt uns vor der neoliberalen Oberschicht nur eines: Eine andere Regierung – aber da gibt es zur Zeit leider keine Hoffnung.

Graz, 1. November 2020, W.Friedhuber (Korrigiert 21:00)

Kommentare	»
  1. traurig aber wahr ! der bericht passt zum 1. november, leider.

    Trackback by kurt strohmaier 3. November 2020 20:50

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