LinkeStmk: Analyse 2018
LinkeStmk Status 2018
Als PDF-Download: Jahreswechsel2018
Zuerst in eigener Sache:
Die LinkeStmk – 2009 als Verein zur Koordination von Aktionen und Kommunikation für eine Wahlplattform gegründet – hat durch den Tod von Johann Schögler 2016 (siehe: http://www.linkestmk.at/archive/9027 ) die zentrale treibende Kraft verloren.
Per Beschluss wurde der Verein weitergeführt und es wurden bis 2017 auch noch Graswurzel-Aktivitäten (Kundgebungen, Beteiligungen usw.) zur Verbreiterung des linken-humanen Gedankengutes durchgeführt. Leider sind sehr viele Kontakte direkt an der Person von Johann, der auch der zentrale Aktivist war, gehangen. So hat sich kaum jemand aus der linken Gemeinschaft gefunden, aktiv im Verein mitzuarbeiten. Aus diesem Grund hat der Verein seine Aktivitäten auf den Betrieb des Internetauftritts (www.linkestmk.at) sowie auf individuelle Teilnahme an Aktivitäten eingeschränkt. Eigene Auftritte, Veranstaltungen, sowie die Teilnahme an anderen Tagungen können aus Kapazitätsgründen nicht mehr durchgeführt werden. Auch das inzwischen schon Tradition gewordenen Neujahrs-Status-Seminar kann nicht mehr abgehalten werden. War im Vorjahr noch dank der Initiative von Christian ein Seminar möglich, so ist diese Aktivität heuer auch erloschen.
In Summe ist dieses erlöschen der Aktivitäten der Koordinationsplattform nahezu symptomatisch für die politische Landschaft in Österreich:
- Die rechten Kräfte übernehmen die Meinungshoheit.
- Die Menschen glauben wieder an die alten, einfachen Lösungen.
- Der Wille zu einer, auf Gleichheit, Solidarität und Frieden bestimmten Welt erlischt.
- Die linken Kräfte gehen einen neuen Weg und formieren sich in Kleingruppen und nicht mehr in Wahlparteien.
Damit ist das Gerüst der politischen Landschaft eigentlich skizziert. Im Nachfolgenden soll dieser Trend nur mehr verdeutlicht werden.
Status der Welt:
Die große Chance eine friedliche Welt zu erlangen war 1989 greifbar nahe. Einige Zeit sah es auch so aus, als würde, trotz weiterem hegemonialen Streben der Westmächte, die Chance nutzbar. Arabischer Frühling, orange Revolutionen usw. signalisierten eine Zeit des Aufbruchs. Aber bereits Präsident Obama und erst recht der jetzige US-Präsident hat seine Vasallenstaaten dazu gezwungen, den kalten Krieg neu zu beleben. Die USA braucht die neoliberale Wirtschaftsform für ihren Way of Life und dieser Way of Life braucht Konflikte als dynamisches Element. Die Europäer in ihrer Vereinigung der EU sind durch ihre ideologische Nähe zum angloamerikanischen Block gezwungen diesen Weg zu folgen. Folglich wurde – zum Schaden der EU-Bürger – auch von Europa der friedliche und Prosperität versprechende Weg mit Russland ausgeschlagen und durch Sanktionen, Wiederaufrüstung und Blockbildung ersetzt. In der Folge übernahmen breite Bürgerschichten diesen Ansatz und wandten sich dem Nationalismus und Rassismus zu. Mit der eigenartigen Völkerwanderung 2015 wurden in der öffentlichen Meinung alle alternativen soziopolitischen Konzepte endgültig desavouiert.
Somit haben wir in der Welt wieder einen Zustand wie vor dem 2. Weltkrieg: Blockbildungen, zahlreiche Kleinkonflikte und die ständige Bedrohung durch einen großen Konflikt. Folgerichtig werden, wie ebenfalls vor dem 2. Weltkrieg, überall die Rüstungsausgaben wieder hochgefahren.
Mit dem Vorgehen gelang es aber, die Finanzkatastrophe aus dem Jahre 2008 zu übertauchen. Vor allem die EU hat mit ihrem Target II – System und mit ihrer inflationären Geldpolitik es geschafft, die aktuelle Wirtschaft zu stabilisieren. Die katastrophalen Folgen der Finanzkrise 2008 sind aber nicht beseitigt, sie sind nur in einer neuen Blase versteckt. Die zunehmenden Spannungen innerhalb der westlichen Staaten zeigen dies. Nationalismus und Abschottung – die Politik die auch Donald Trump vorgibt – ist auch eine Methode, die Finanzkrise hinter Rüstungskosten zu verbergen.
Erfolg der aktuellen Weltpolitik
- Verschieben des Welt-Wirtschafts-Crash
- Verhinderung globaler kriegerischer Auseinandersetzungen
- Konservieren des Status Quo
Risikopotential der aktuellen Weltpolitik
Als Summe ist diese Politik extrem risikoreich:
- Es ist nicht sicher, ob die gewaltigen inflationären Geldmittel (USA u. EU) tatsächlich problemlos abgeschrieben werden können.
- Es ist nicht sicher, ob China oder Russland mitspielen.
- Es ist nicht sicher ob Afrika oder Indien sowie andere asiatische Staaten nicht andere Strategien verfolgen (etwa atomare Aufrüstung).
- Es ist auch nicht sicher, dass die europäische Bevölkerung weiter mitspielt, wenn sie merkt, dass sie die Kosten trägt.
- Und nicht zuletzt hat dieser Weg der Hetze und des Konflikts immer nur für eine kleine Minderheit Profit versprochen, der Rest hat größtes Leid und Tod durch diese Politik erlitten.
- Es ist unwahrscheinlich, dass die Probleme der Welt (Bevölkerungszahl, Desertifikation, Atmosphärenveränderung, Verschmutzung der biologischen Grundlagen, Ende der Ressourcennutzung mit der vorhandenen Technologie) beliebig aufgeschoben werden können.
Zusammenfassung
Zusammenfassend kann die Situation der Welt anno 2018 wie folgt dargestellt werden:
- Erneute Blockbildung (Westen, Russland, China)
- Radikaler Neoliberalismus im westlichen Block
- Aufhetzen der Menschen gegeneinander
- Ende der progressiven Problemlösungskonzepte
- Aktivieren von kleinen- bis mittleren Kriegsherden
- Dominanz der neoliberalen Ökonomie (in allen Blöcken)
- Ressourcenverschwendung durch Rüstung
- Aber es zeigt sich (Bsp. Frankreich), dass sich autonome Widerstandsgruppen gegen den herrschenden Mainstream bilden. Diese Widerstandsgruppen sind noch klein, aber selbstbewusst und im Zentrum der Gesellschaft.
- Zunahme der Überwachung und Zensur
Status in Österreich
Auch in Österreich ist der radikale Neoliberalismus nun vollständig angekommen. Im Auftrag der EU-Gremien wird der Parlamentarismus und der Föderalismus nun in eine Art Wirtschaftsständestaat umgewandelt. Getragen von rechten, bürgerlichen Kräften wird wieder ein Konzept von 1929 (Förderung der Wirtschaft auf Kosten der sozial Bedürftigen und auf Kosten des gemeinsamen Lebensraum) eingeführt. Da seitens der progressiven Kräfte (Linke) keine politisch adäquaten Konzepte geboten sind, die im Parlamentarismus eingebundenen linksorientierten Kräfte (Sozialdemokraten, aber auch Kommunisten) in der Politik keine spürbaren Akzente setzen (anders als 1920 in Wien), sieht auch die Bevölkerung immer mehr in Abschottung und Nationalismus das Heil. Die geschichtliche Lektion scheint vergessen – oder wurde noch nie begriffen.
Eine parteipolitische Alternative seitens der Linke ist nicht in Sicht.
Aber auch in Österreich hat sich der Pluralismus in so fern verfestigt, dass sich zahlreiche autonome Gruppen bilden. Die linken Kräfte bündeln sich nicht mehr wie um 1900 in Parteien – sondern in zahlreichen autonom agierenden Zellen. Junge Menschen bilden Kollektive, Tauschkreise, Selbstverwaltungen.
Hier ist es noch schwer abzuschätzen, ob diese Bewegungen den neoliberalen Staat stützen, indem die Gruppen in Eigeninitiative die Aufgaben übernehmen, derer sich der neoliberale Staat entledigt, oder ob das der Nährboden für ein, dem 21. Jahrhundert gemäße Bewegung ist.
Zusammenfassung:
- Die parlamentarischen Parteien verfolgen Konzepte aus dem vergangenen Jahrhundert
- Der von der EU angeordnete Neoliberalismus wird von der Regierung Zug um Zug in die österreichischen Gesetze eingebracht (Konzerngerichte, Verbrauchernormen, Gewinnansprüche, Sozialabbau, Verfügungsgewalt über Arbeitskräfte)
- Das staatliche Vorsorgeprinzip für die Schwächeren wird aufgelassen
- Medienmonopol der Regenten
- Überwachung und Zensur nimmt (ausgehend von EU) massiv zu.
- Verdeckte Privatisierung von Gemeinde- und Staatsaufgaben
Datenbelege
Die meisten der dargelegten Einschätzungen lasse sich aktuell nur durch Eindrücke und Zeitungsmeldungen belegen. Die statistischen Daten für 2018 stehen kaum zur Verfügung. Das Zahlenmaterial enthält einerseits viele Qualitäten nicht (etwa Zensur, Privatisierung von Staatsfunktionen usw.) und ist von OeNB und Statistik Austria für 2018 noch nicht bereitgestellt. Zudem sind auch diese Dienste zunehmend Kostenpflichtig.
Der verfügbare Datenbestand liefert folgendes (zum Großteil beruhigendes) Bild:
- sinkende Arbeitslosigkeit
- leicht sinkendes Staatsdefizit
- leicht sinkendes Verarmungsrisiko
- keine sichtbaren Verschlechterung der Pensionszahlung
- keine große Zunahme der Einkommensschere
Praktisch alle Werte liegen in dem, von der EU vorgegebenen Zielwerten. Österreich liegt bei allen Werten im besseren Drittel der EU-Staaten.
In den verfügbaren Datensätzen gibt es nur wenige gravierende Auffälligkeit: Etwa die Staatsschuldenentwicklung, die 1974 steil anstieg (Kabinett Kreisky II) und seither nicht mehr zurückging.
Einige dieser unveränderten und geringen Trends haben jedoch Problem-Potential:
- die unveränderte Verschuldung (Schuldendienst benötigt immer mehr Geld)
- das ständige Auseinanderdriften der Einkommen des obersten und des untersten Quartils der Einkommen.
- der nahezu lineare Anstieg der Preise.
- das praktisch stagnierende PIP/Kopf
Es ist dabei zu beachten, dass viele Statistiken nur Änderungen zeigen, d.h. werden sie in absoluten Werten aufgetragen, sind diese Kurven Exponentialkurven. Eine ständige Zunahme des Reichtums der obersten Einkommensklasse auf Kosten der untersten lässt die Einkommensschere ständig weiter aufklaffen.
Was ist nun bedenklich?
- Zuerst, dass die demokratische Mitbestimmung immer weiter abgebaut wird.
- Dann dass zunehmend wahrheitsverzerrend kommuniziert wird (es gibt keine „Lohnnebenkosten“ – alle Anteile sind Bestandteil des Lohns; es gibt keinen Generationenvertrag – der wäre juridisch unzulässig, Pensionen sind keine „Sozialleistungen“ in dem Sinn wie „Sozialhilfe“, Pensionen sind Versicherungsleistungen usw. ).
- Sowie dass die Zensur und Überwachung zunimmt (Internetzensur, Meinungszensur, Sprachzensur).
- Ausgehen von der EU übernehmen die Konzerne immer mehr das Rechtssystem (Gewinnhaftung, Produktzulassung).
- Unter dem Titel der Eigenvorsorge wird die staatliche Verpflichtung zurückgenommen (Krankenversicherung, Pensionsversicherung).
- Der Staat lagert immer mehr seiner Funktionen in Gesellschaften aus (und privatisiert sie damit, ASFINAG, ESTAG, Stadwerke usw.).
- Die Strukturen des Sozialsystems werden aufgelassen und die Finanzierungsbasis den Kapitaleignern überlassen (Stichwort: Lohnnebenkosten, Armenbetreuung, Sozialvereine, Spendenaktionen)
- Das PIP pro Kopf im Euroraum stagniert. Damit können Gewinnerwartungen der Unternehmungen nur mehr aus Umschichtungen vorhandener Kapitalien lukriert werden (Sozialtöpfe)
Die meisten dieser Komponenten sind aus dem USA-Staatenbund bekannt – auch die Folgen. Es wird also, von den meisten unbemerkt – ein kompletter Kulturwandel vollzogen: Weg vom Fürsorgestaat kontinentaler Prägung hin zum US-amerikanischen Ideal der Autonomie um jeden Preis. Allerdings bleiben die Bürgerrechte eingeschränkt auf die europäische Kultur (Waffengesetz, Klagemöglichkeiten, Haftungsbedingungen bei Produkte usw.).
Sehr bedenklich ist auch das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU. Dies aus mehreren Gründen: Großbritannien ist eine gelebte Demokratie, die in der Ideologie des Liberalismus existiert. Der Rest von Europa hat noch nicht ganz realisiert, wie man demokratisch mit dem Liberalismus umgeht. Gerade in Österreich und Deutschland ist der Glaube an einen schützenden Staat noch sehr stark. Es fehlt hier das Gegengewicht zu den herrschenden Kapitalinteressen.
Dann die Wirtschaft. Im Zuge der Friedenssicherung in Europa wurde zwischen den Staaten des EWR bewusst die Industrieproduktion aufgeteilt. Gerade in der Hoch- und Rüstungstechnologie ist Großbritannien eine wesentliche Komponente. Bei einem Hard-Brexit sind die Auswirkungen – etwa auf die Airbus-Industrie – kaum absehbar. Daher ist viel, was momentan durch die Medien geht ein Theaterdonner. Die Gefahr ist aber gegeben, dass Frankreich wieder seine Großmachtallüren entwickelt und glaubt, Großbritannien ersetzen zu können. Das wäre für die europäische Industrie fatal. Großbritannien hat durch die engeren Verbindungen zur USA und durch ihre Common-Wealth-Gemeinschaft hier eindeutig die besseren Karten als Frankreich und Europa (Krisengebiet Afrika, Handelsembargo zu Russland).
Die Gefahr ist also real, dass die rechte Regierung in Europa und in Österreich wieder die Lösung von 1930 forciert und sich an den Sozialleistungen gütlich tut. Die Verarmung der Bevölkerung kann dann in der Statistik 2019 oder 2020 analysiert werden (in Griechenland aber schon jetzt zu sehen).
Was wär zu wünschen?
- Dass der Trend zur Bildung autonomer alternativen Gruppen weiter geht.
- Dass es gelingt, mehr Basisdemokratie zu verwirklichen
- Dass das Wahlgesetz dahingehend geändert werden kann, dass neoliberale Diktate (Sozialversicherungszerschlagung, 60 Stundenwoche, Gewinngarantie usw.) verhindert werden können (auch Bauprojekte, Neutralitätsverlust, Gesetzesänderung für die Wirtschaft usw.)
- Dass sich wieder eine plurale Medienlandschaft bildet
Wie könnte das erreicht werden?
- Nutzung der Netzkanäle solange sie noch nicht vollständig zensuriert sind.
- Protestaktion um Problembewusstsein zu schaffen
- Petitionen und Bürgerbeteiligungen um Widerstand zu signalisieren
- Starten eigener Alternativgruppen um das Handlungsfeld zu erweitern
- Rückfordern der öffentlichen Räume
- Fordern des bedingungslosen Grundeinkommens (oder der 25h Woche)
- – kurz: Das gleiche wie jedes Jahr!
In der solidarischen Hoffnung, dass der progressive Geist endlich im 21. Jahrhundert Fuß fasst.
Graz, 29.12.2018, W.Friedhuber
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