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Der „freie Westen“ und der „unterdrückte Osten“

Bloged in Allgemein,Protest by friedi Freitag Juni 11, 2021

Bei uns im Westen herrscht Meinungsfreiheit – außer, man vertritt verbotene Meinungen – aber sonst kann man frei seine Bedenken äußern. Natürlich: Die Konsequenzen muss man dann schon tragen – die Machtblöcke wissen sich auch hier zu wehren – allen voran die ÖVP mit ihren Bünden.

Was in Österreich schon vor Jahren im sogenannten Tierschützerprozess zu beobachten war, dass eine mächtige Lobby (damals die Pelzhändler) es schafften, berechtigte Proteste zu kriminalisieren und die Aktivisten verurteilen zu lassen, ist immer noch gebräuchlich – vor allem in den juristischen Erstinstanzen.

Diese Erstinstanzen urteilen häufig sehr herrschaftsorientiert (siehe dazu auch den Bericht über die Verfahren gegen die Murkraftwerksgegner: https://www.linkestmk.at/archive/15275  speziell die Schilderung eines solchen Verfahrens: https://www.linkestmk.at/archive/12966 ).

Generell ist dieses Vorgehen der Regionalmacht gegen Aktivisten bei uns nicht neu: Auch schon gegen die Demonstrationen gegen die Abfangjäger in den 1980er Jahren (damals waren die Grünen noch linksorientiert alternativ) wurde so vorgegangen.

Seither ist es aber leider nicht besser geworden; eher im Gegenteil: Das System hat sich angepasst und immunisiert. Die GRÜNEn sind nun in großen Teilen zu einer kleinbürgerlichen Fraktion verkommen; die Protestunterdrückung ist nun professionalisiert kaltgestellt: Alle abweichenden Meinungen werden verschwiegen oder kriminalisiert, diffamiert und durch immer strengere Gesetze geahndet.

Die Medien schweigen dazu oder spielen mit. Dies betrifft nicht nur identitäre oder reche oder linke „Krawallmacher“ oder „Chaoten“ – denen staatgefährdenden oder sachbeschädigendes Verhalten unterstellt wird, sondern auch friedliche Bürgerbewegungen – und das in immer weiteren Ausmaß. Menschen, die ihre abweichende Meinungen publizieren – etwa zu Corona – werden mit Berufsverbot, Entlassung usw. geahndet. Dieser Vorgang wird von den wirtschaftsnahen Organisationen und Parteien betrieben  – nicht nur in Österreich.

Aktuell hat diese Art von „westlicher Freiheit“ einen steirischen Tierschützer erwischt. Ein Protestplakat gegen den Einsatz bedenklicher Methoden in der Landwirtschaft wurde sofort vom steirischen ÖVP-Bauernbund geklagt. Das Gericht verurteilte folgsam den Aktivisten (siehe auch: https://www.linkestmk.at/archive/18721 ).

Ein Falter-Artikel fasst die Vorgänge kommentiert zusammen (siehe: https://www.falter.at/zeitung/20210602/giftige-klagen/_9cc0b50896?ref=nav – Leider ist der Artikel online ohne Abo nicht voll lesbar).

Generell ist zu sagen, dass, dass es zu so einem Prozess überhaupt gekommen ist, ist schon ein Schlag gegen die verkündete westliche Freiheit ist. Proteste gegen tatsächliche oder vermeintliche Missstände sind der Kern der pluralistischen Demokratei.

Nur: Die Ängste der Menschen interessieren die profitorientierten Instituionen und ihre Vertreter nicht. Was den Profit schmälern könnte, das wird zum Schweigen gebracht – vor allem dort, wo die wirtschaftsinteressen die Regierung stellen.

Dies ist auch oder gerade in der EU so. So wundert es nicht, dass Protestbewegungen, Dokumentarfilmer, Publizisten in der EU mit Schadensersatzklagen überzogen werden, wie auch im Falter-Artikel dargestellt.

Etwa wenn in Südtirol ein SVP-Landesrat einen Dokumentarfilmer verklagt, der die Praktiken der Apfelplantagen dokumentiert hat.  In Frankreich wird eine Publizistin veklagt, weil sie Pestizidrückstände im Wein veröffentlicht hat (siehe Falter S.60).

Der Falter-Artikel beschreibt auch gut, wie etwa das steirische Gericht im Verfahren alle Belege, die für den Angeklagten sprechen, einfach vom Tisch wischt – trotz erdrückender Beleglage. Das Gericht ignoriert dabei zahlreiche – auch wissenschaftliche – Belege und kommt zu dem Entschluss:

„Namhafe Europarechtsexperten kamen zum Schluss, dass ein Totalverbot von Glyphosat nicht möglich ist. Sohin ist die Bezeichnung ,Gif‘ für Glyphosat jedenfalls unzulässig.“ (Falter, S.61)

Man muss sich aber auf der Zunge zergehen lassen, dass es eigentlich um eine Protestaktion eines besorgten Umweltschützers ging. Wenn Proteste in der Wortwahl nun davon abhängig werden, ob eine Richterin die Bezeichnung für juristisch korrekt hält oder nicht, so kann praktisch jede Äußerung untersagt werden – aber ev. ist das ja auch das Ziel dieses Vorgehens (siehe etwa den Versuch der ÖVP, Hausfriedensbruch gesetzlich auszudehnen: https://www.linkestmk.at/archive/14935 ).

Der beklagte Aktivist, Franz Sökner, legte im Verfahren zahlreiche Publikationen von Wissenschaftler, von Aktivisten und Zeitschriften vor.

„Sölkner argumentierte mit Büchern und Medienbeiträgen, die den Begriff „Gif“ für Pestizide verwenden. Etwa das Buch des Wiener Ökologen Johann G. Zaller „Unser täglich Gif“. Er zitierte Berichte von Fleischtestkäufen durch NGOs, die auf einem erheblichen Teil der Proben antibiotikaresistente Keime fanden. Er führte die Dokumentation des Fernsehsenders Arte „Killerkeime – Gefahr aus dem Tierstall“ an. Die Plakate, so sieht es Sölkner, würden nur breit diskutierte Forderungen wiedergeben. Für das Totalherbizid Glyphosat habe ja gar der Nationalrat ein Totalverbot beschlossen“ (Falter, S. 61).

Trotzdem urteilte die Richterin:

„Überdies sei Sölkner ‚jeglichen Beweis schuldig geblieben, dass sich die Bauernschaf nicht an die gesetzlichen Vorgaben‘ halten würde“ (ebd.).

Wie zu sehen ist, ist die Argumentation hier leicht abgewandelt: Das Protestplakat stellte nie die Behauptung auf, dass sich jemand nicht an die gesetzlichen Vorgaben halten würde (obwohl die Belastung des Grundwassers in der südlichen Steiermark, sowie die Geruchsbelästigungen deutliche Signale sind, dass dem so ist). Aber diese Art der Argumentation scheint ja in der „neuen ÖVP“ inzwischen der Standard geworden zu sein – bis hinauf in höchste Regierungsspitzen: Was nicht gesetzlich verboten ist, das wird gemacht – egal wie unmoralisch das ist.

Was das Verfahren gegen Sölkner wieder schön zeigt: Die Freiheit im Westen endet dort, wo der Profit geschmälert wird. Gibt es ernsthafte Proteste gegen profitgetriebene Umweltzerstörung, ähneln die Methoden doch sehr den Methoden, die man etwa Russland oder China unterstellt.

Freilich ein großer Unterschied bleibt bestehen: Im „freien Westen“ werden die Menschen finaniziell Ruiniert (siehe Tierschützerprozess) und medial diffamiert – im „diktatorischen Osten“ werden sie eingesperrt. Aus systemkritischer Sicht ist dieser Unterschied klein: Protest wird da wie dort wirksam unterbunden (zumindest wird es versucht). Aus persönlicher Sicht ist der Unterschied aber gewaltig: Freiheitsentzug dort, Geldstrafe da.

Aber: Solange es Menschen wie Sölkner gibt, gibt es auch die Hoffnung, dass die Proteste doch auch die schlafende Mehrheit erreichen und über diese die rücksichtslosen Profiteure in die Schranken weisen – und mit ihnen die folgsamen Erstgerichte.

Und: Last but not least – Die Oberbehörden heben diese herrschaftsfolgenden Urteile der Erstgerichte meist auf – also soweit funktioniert der „freie Westen“ ja (noch) – allerdings: Die Einschüchterung und das finanzielle Risiko der Klagsanfechtung wirkt für die meisten Menschen doch abschreckend und unterdrückend.

Graz, 11.6.2021, W. Friedhuber

 

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