[A.Almeder] Ist die Credit Suisse-Abwicklung ein Trigger für westliche Dominanz – oder das Gegenteil
Alfred Almeder versucht ein Analyse rund um die undurchsichtigen Vorgänge am Finanzsektor. Die zentrale Frage lautet: Sind die Turbulenzen zeichen des Endes der US-Finanzhegemonie oder deren Gegenteil.
Die Reflexion ist im Zuge einer internen Diskussion entstanden, daher schienen mir leichte Adaptionen zur besseren Lesbarkeit notwendig.
Ist Credit Suisse_Abwicklung_Trigger für westliche Dominanz oder Vorspiel zur Eskalation?
Reflexion von Alfred Almeder
Die meisten werden wohl erst heute [Anm. Fri.: 20.3.23] morgens über die aktuellen Nachrichten erfahren, was sich an diesem Sonntag ereignet hat.
Die ohnedies schon seit Jahren schwächelnde Credit Suisse wird von ihrem eidgenössischen Großkonkurrenten UBS übernommen. Die Besonderheit dieses Deals liegt nicht nur am geringen Ablösepreis – d.h. die Eigentümer werden mit Minimalstbeträgen durch Umtausch in UBS-Aktien abgegolten. [Das ist] also kein Bail-in, aber doch eine weitere Vermögensvernichtung für die Share-holder zu den ohnedies schon angelaufenen Kursverlusten, die […] nun mehr realisiert werden – [durch den im Deal] inkludierten völligen Verlust der Gläubigerforderungen, d.h. die Anleihen werden wertlos.
Diese Regelung widerspricht dem sonst üblichen [Prinzip], das die vorrangige Bedienung von Anleihen gegenüber den [oben angeführten] normalerweise üblichen Bail-in, also die Bedienung der Eigentümer [vorsieht].
Worin liegt nun die Sprengkraft dieser Entscheidung?
Offensichtlich haben die USA massiven Druck ausgeübt, dass die global und damit auch für den US-Markt durchaus systemrelevante Credit Suisse nicht kippen darf. Die noch am Freitag von der Schweizer Nationalbank erklärte Haftung von 50 Mrd. Dollar war offensichtlich nicht ausreichend. Die FED selbst hat nach der Pleite der SVB, Silvergate und Signature ohnedies bereits für den gesamten US-Bankenbereich eine Refinanzierungsmöglichkeit durch Hinterlegung der von diesen gehalten US-Staatsanleihen zum Nominalwert bei der FED festgelegt. Dies wurde deshalb notwendig, weil deren Eigenkapitalquoten durch die gesunkenen Anleihewerten (steigende Zinsen bedeuten sinkende Anleihekurse) massiv unter Druck kamen und so wie bei der SVB, bei einem Bankrun (der passiert ja 2023 mittlerweile digital und nicht durch Menschenschlangen vor den Filialen) zur Liquiditätsbeschaffung den Verkauf dieser Anleihen am Sekundärmarkt zum Bankrott führte.
Bis zur Credit Suisse-Katastrophe glaubte man so, die Krise vor allem bei den Regionalbanken kontrollieren zu können, und eine Ansteckungsgefahr für den gesamten Bankensektor zu vermeiden. Das Switchen der Anleger von den Regionalbanken zu den Big Playern wie JP Morgan, Morgan Stanley, Bank of America, Wells Fargo, Goldman Sachs die ihrerseits wieder in einer kollektiven Finanzspritze in der Höhe von 30 Mrd. Dollar für die Regionalbank First Republic die Stärke von Corporate America im Finanzsektor unter Beweis stellen wollten. Mittlerweile scheint auch dies zu kurz zu greifen, da Standard & Poors First Republic trotzdem in den Junk-Status abgestuft hat.
Jetzt wurde mit der gemeinsamen Erklärung der defacto G7-Nationalbanken (die EZB repräsentiert ja alle europäischen Euro-Länder darin inklusive der Schweizer Nationalbank) vor ca. 2 Stunden [belannt gegeben], dass ausreichende Dollar-Liquidität zur Verfügung gestellt wird. [Damit wird] ganz klar die Panik deutlich, dass mit schwersten Verwerfungen an den Finanzmärkten heute gerechnet wird, die völlig außer Kontrolle geraten könnten. Die quantitativ ca. 3-4 x so großen Bondmärkte gegenüber den Aktienmärkten mit ihren großteils institutionellen Anlegern haben dies ja schon Ende letzter Woche durch enorme Kursbewegungen gezeigt.
Wo liegt nun die politische Sprengkraft der Thematik, wenn die Verwerfungen doch zu einer globalen Finanzkrise ausarten sollten?
Nun der schwerste Fehler des Westens in Folge des Ukraine-Krieges war die de facto Enteignung nicht nur des russischen Staatsvermögens, sondern auch der von Privatpersonen und das nicht nur von russischen Oligarchen oder vermeintlichen regierungsnahen Personen, sondern auch den von Shareholdern an russischen Unternehmen. Das hat dem Rest der Welt, ungeachtet all ihrer gegenseitigen Rivalitäten wie China/Indien, Saudi Arabien/Iran schonungslos klar gemacht, dass man sich zur Erhaltung der absoluten Hegemonie auch wieder dem angelsächsischen Freibeuterprinzip bedient. Daraus entstand die logische Wende zur präventiven Etablierung alternativer Währungs- und somit Zahlungsstrukturen im weltweiten Handel beim Großteil der Staaten außerhalb des „Wertewestens“.
Mit Solidarität oder besonderer Wertschätzung für das rachitische Russland mit seinem erratisch agierenden Präsidenten hat das nicht viel zu tun, wie sich an der Akzeptanz des vom Westen initiierten Ausschlusses von russischen Sportlern an internationalen Bewerben oder der fehlenden Kritik am ausgesprochenen Haftbefehl durch den IGH gegen Putin zeigt.
Von Brasilia über Pretoria bis New Delhi will man einfach nicht die absolute Herrschaft des Westens, die sich am stärksten durch den US-Dollar und dessen Dominanz widerspiegelt.
Wenn nun nach diesem Vertrauensbruch auch die systemische Schwäche des US-Dollars das internationale Standing der Weltleitwährung nachhaltigen Schaden nehmen könnte, gerät die schuldenbasierte Wirtschaft der USA in enorme Schwierigkeiten und damit auch der ultimative Exekutor dieser Weltordnung namens US-Army in existenzielle Finanznot.
Der einzige Befreiungsschlag wäre die Eskalation des Konfliktes gegen Russland um der Welt vor Augen zu führen, wer letztendlich die ultimative Letztentscheidung besitzt. Ein eindeutiger Sieger würde dann auch den international investierten Multimillionär aus Mumbai, Riad und Rio wieder an die stabilen Finanzplätze von New York und London zurückbringen.
Das man sich nicht einmal besonders Mühe geben muss, um eine Begründung dafür abzugeben, hat die Farce um Nordstream-Sprengungen wohl ganz deutlich gemacht (ein Spiegel-Artikel über Lukaschenkos Verspeisen eines entführten polnischen Kindes als Interventionsgrund gegen Weißrussland könnte da schon genügen). Mit Polen und den baltischen Ländern hat man einerseits die bissigen Kettenhunde [und] mit den von Deutschland angeführten Pudeln auch die bedingungslos folgende Soft-Power dafür.
Möglich ist aber auch, dass die Märkte dieses starke kollektive Auftreten der westlichen Nationalbanken als bisher noch nie dagewesene Stärke der Stabilität werten, und auch so wieder die hegemoniale Stellung wieder stärken. In der Ukraine lässt man dann die Blutmühle weiterlaufen und wie Lindsay Graham ja vor laufenden Kameras enthusiastisch bestätigt hat, wird man die Ukraine solange unterstützen, weil diese bereits wäre bis zum letzten Mann zu kämpfen. Also im Osten nichts Neues!
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