[Österreich][Palästinasolidarität] Politisch motivierte Razzia und Gesinnungsfragen bei Einvernahmen u.v.a.m
Infos zu:
- Politisch motivierte Razzia und Gesinnungsfragen bei Einverhahmen
- „Sicherheit“ – Wirtschaft und Ideologie in Israel
- Welcome Muslims! Recognize the rights of Palestinians!
1) Politisch motivierte Razzia und Gesinnungsfragen bei BVT-Einvernahmen
Am 9. November, einem symbolträchtigen Tag*, stürmten die österreichischen Sicherheitskräfte in einer Razzia gegen die Moslembrüder und die Hamas Häuser und Wohnungen von 70 Personen in Wien.
Das Innenministerium räumte ein, dass diese Aktion in keiner direkten Verbindung mit dem Attentat vom 2. November, sondern ein „Schlag gegen die Wurzeln des politischen Islams“ sei.
Medien sprachen von der Sicherstellung von 25 Millionen Euro in bar, wobei diese Angabe von der Staatsanwaltschaft nicht bestätigt wurde.
Derzeit ist bekannt, dass alle mobilen und immobilen Ressourcen der Betroffenen beschlagnahmt wurden. Es erscheint jedoch merkwürdig, dass bei dieser enormen Geldmenge keine einzige Festnahme stattgefunden hat.
Betroffene wurden als „Beschuldigte“ sowie als „Zeugen“ verhört. Auch bei jenen Personen, die nur als „Zeugen“ bezeichnet wurden, drangen Sicherheitskräfte in der Nacht vom 9. November gewaltsam in deren
Wohnungen ein und versetzten Kinder und Angehörige in Angst. Türen wurden gewaltsam aufgebrochen, Spurhunde eingesetzt, Kinder wurden in der Kälte ohne Jacken stehen gelassen und erst nach mehreren Minuten wurde gestattet, ihnen Jacken zu holen. Bei mindestens einem der Fälle wurden Kinder befragt, „wo der Papa das Geld versteckt“. Einige Familien wurden mit aufgebrochener Tür und mit keinem Cent in der Tasche zurückgelassen. Die Sicherstellung der Gelder berücksichtigt nicht die Mindestsicherung von Menschen.
Bei den BVT-Vernehmungen wurden neben Fragen, die den konkreten Zweck der Razzia betreffen, andere Fragen gestellt, die wenig mit dem Tatbestand zu tun haben und vielmehr als Gesinnungsfragen angesehen
werden können.
Das BVT befragte die Verdächtigten bezüglich ihrer Konfession sowie ihrer Ausübung der Religion, ihres Familienlebens und ihres sozialen Umfelds, ihrer Meinungen zu problematischen Themen der islamischen
Religion bzw. ihrer Position zu politischen Aspekte des Islams. Weiters interessierte sich das BVT für den Umgang der Verhörten mit dem Begriff Islamophobie (!), und suggerierte mit einer suggestiven Nachfrage, dass Islamophobie ja doch gerechtfertigt sein könnte und ob der Befragte diese Ansicht nicht teile.
Erstaunlicherweise wurden die Verhörten auch zu Palästina gefragt, ein Thema, das willkürlich mit den anderen Fragen in Zusammenhang gebracht worden war. Man könnte vermuten, dass diese willkürliche Einbettung das Ziel hat, die Ablehnung des Zionistenstaates in Verbindung mit dem aus der Sicht des BVT zu bekämpfenden politischen Islam zu bringen, um diese zu kriminalisieren.
Dies ist umso mehr beunruhigend, da in derselben Woche ein Maßnahmenpaket der Regierung bekanntgegeben wurde, das mit Verweis auf die Bekämpfung von Terror einen Feldzug gegen den „politischen Islam“ als Gesinnung ankündigt und dafür Maßnahmen ergreifen möchte, die sowohl menschenrechtlich als auch juristisch äußerst fragwürdig sind. Sollen die während der Verhöre gestellten Fragen demnächst „Experten“ als Grundlage dienen, um über die Verhaftung von Menschen wegen „Gefahr“ und die Schließung von Vereinen wegen „terroristischer Propaganda“ zu entscheiden? Was wäre im Verständnis eines BVT-Beamten zum Beispiel die Verbindung zwischen Mädchenbeschneidung (die in Palästina kein Thema
ist) und der Haltung eines Palästinensers zum israelischen Staat, der erst durch die Zerstörung seiner Existenz in Palästina entstanden ist?
Für uns als freiheitsliebende Menschen und besonders als in Wien lebende AraberInnen und PalästinenserInnen sind diese Fragen sowie das angekündigte Maßnahmenpaket des Innenministeriums mehr als beunruhigend.
Es kann nämlich leicht in Gesinnungsjustiz einer Regierung umschlagen, die unkritisch gegenüber dem israelischen Staatsterror gegen die Palästinenser ist und vielmehr diesen Staat als Verbündeten im Kampf
gegen den Terror sieht. Die kritiklose Übernahme von Positionen der Sisi-Militärdiktatur in Ägypten zum politischen Islam sowie jener der israelischen Kolonialisten zum palästinensischen Widerstand durch die
österreichische Regierung kann keinesfalls die Radikalisierung verhindern, sondern eher signifikant zu deren Zuspitzung beitragen.
Dafür braucht man nur einen Blick auf die Entwicklungen in jener Region zu werfen.
Wir erklären uns solidarisch mit allen Opfern von Unrecht und fordern die österreichische Regierung auf, das rechtswidrige Maßnahmenpaket zu revidieren sowie die Handlungen des Innenministeriums zu untersuchen und zu korrigieren.
In der arabischen und palästinensischen Gemeinde sehen wir im Moment eine absolute Notwendigkeit, die Menschen über ihre Rechte gegenüber der Exekutive aufzuklären. Eins davon ist vor allem: unter diesen Umständen auf keine Gesinnungsfragen antworten!
Arabischer Palästina-Club
Wien, 15.11.2020
Hier ein Auszug der Fragen (ganzer Text:
https://www.palaestinasolidaritaet.at/de/4570)
Wie viele Freundschaften pflegen Sie und Ihre Familie mit autochthonen (alteingesessenen) bzw. nicht muslimischen Österreichern?
Besuchen Sie eine Moschee? Wenn ja welche, und besuchen Sie sie regelmäßig?
Wie sehen Ihre religiösen Verhältnisse zuhause aus?
Sind Sie dafür, dass man den Dialog bzw. die Friedensverhandlungen mit Israel führt und unterstützt?
Welchen Zugang benötigt es aus Ihrer Sicht, um den Konflikt zwischen Palästina und Israel zu lösen?
Kennen Sie das Dokument „Die Protokolle der Weisen von Zion“?
Kennen Sie Jasser Arafat?
Was halten Sie von Jasser Arafat? Sehen Sie in Jasser Arafat ein Vorbild?
Geht Ihre Frau alleine zum Einkaufen?
Stehen Sie vollinhaltlich zu den „Europäischen Menschenrechten“?
Halten Sie, Ihre Frau und Ihre Kinder die Gebetszeiten ein?
Sind Sie für eine strenge Trennung von Männern und Frauen während der Gebetszeiten bei Ihnen zu Hause?
(…)
2) „Sicherheit“ – Wirtschaft und Ideologie in Israel
Video: Franz Sölkner im Interview mit Shir Hever
Israel ist eine der am meisten militarisierten Gesellschaften der Welt.
Unter dem Einfluß der neoliberal-kapitalistischen Ideologie wurde der Sicherheitssektor Israels in den letzten Jahrzenten zunehmend den privaten Profitinteressen geöffnet. Private Firmen haben heute wesentliche Anteile an der Besatzung und Unterdrückung palästinensischer Rechte. Dadurch entstehen innerhalb Israels Spannungen zwischen der Militärführung und den starken politischen Kräften des rechtspopulistischen Lagers. So erscheinen ironischerweise hohe Offiziere oft als Vertreter einer weniger aggressiven Politik. Als Folge
der Privatisierung wurden die israelischen Repressions-, Militär- und Überwachungstechnologien auch zu einem Exportgut. Mitexportiert werden damit verbundene Sicherheitsideologien, die Ungerechtigkeit,
Ungleichheit und Unterdrückung als Konfliktursachen systematisch ausblenden. Diese Politik Israels wird auch in Österreich in vielen Bereichen von Regierung und Parlament durch eine enge Kooperation mit
der Regierung Netanjahu willfährig unterstützt. Dr. Shir Hever, geb. 1978 in Israel; Journalist und Wirtschaftswissenschafter, Studium der Politischen Ökonomie in Berlin; Forschungsgebiete: Ökonomische Aspekte der Besatzung Palästinas; Israelische Sicherheitsideologien; Privatisierung des israelischen Sicherheitsapparates. Sein 2. Buch The Privatization of Israeli Security erschien 2017 bei Pluto Press. Er ist
Mitglied der „Jüdischen Stimme für eine gerechten Frieden in Nahost – Deutschland“. Er lebt in Heidelberg.
https://www.palaestinasolidaritaet.at/de/4571
Zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=3TP0URhVXt8
3) Welcome Muslims! Recognize the rights of Palestinians!
We demand a fundamental change of course from our federal government Declaration of Palestine-Solidarity Austria
https://www.palaestinasolidaritaet.at/en/node/4569/edit
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www.palaestinasolidaritaet.at
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