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Interview avec Hubert Prévaud, cgt airbus, Toulouse

Bloged in Diskussion by admin Sonntag Januar 23, 2011

Frankreich: Gespräch mit Hubert Prévaud, CGT Airbus, Toulouse, über die Protestbewegung gegen die Pensionsreform

Johann Schögler: Die Bewegung im vergangenen Herbst in Frankreich war sehr stark, aber Sarkozy hat – ohne sich zu rühmen – die Reform schließlich und endlich doch durchgesetzt. In welchem Masse kannst Du hier trotzdem sagen, dass es keine totale Niederlage dieser breiten Protestbewegung war?

Hubert Prévaud: Formell gesehen ist es eine Niederlage, denn die Pensionsreform war gesetzlich verabschiedet worden, aber die ArbeiterInnen, die sich in Bewegung gesetzt hatten fühlen sich nicht geschlagen; d.h. während der ganzen Kampfzeitphase gegen diese Pensionsreform haben sie die Erfahrung ihrer Stärke gemacht und sie konnten nicht demoralisiert und sagen wir besiegt werden. Das Gefühl wieder kampfbereit zu sein ist aufrecht und parallel dazu gibt es eine tief greifende Überlegung über die Mittel, die man einsetzen müsste, um gegen so eine Reform an zu kämpfen.

Johann Schögler: Was hat es Sarkozy schließlich ermöglicht die Oberhand zu behalten? Ist dies zurückzuführen auf Unterschiede zwischen der Basis und den Interessen der gewerkschaftlichen Bürokratie oder war eher die harte Entschlossenheit Sarkozys auf keinen Fall nachzugeben, ausschlaggebend ?

Hubert Prévaud: Ja, es hat, so würde ich sagen eine Art Naivität seitens der Gewerkschaftsführung gegeben. Natürlich sind das keine Naiven, aber gleich zu Beginn, als sie sich in der Gewerkschaftsfront zusammen schlossen ( CGT, CFTD, ..) so ging es ihnen nicht darum, dass die Reform zurückgezogen wird, sondern dass diese Reform abgeändert wird. Sie waren nicht wirklich überzeugt, dass die Reform zu Fall gebracht werden könne und sie waren überzeugt, dass man eine Pensionsreform brauche.

Aber die Mittel, die sie in die Hand nahmen, um sie zu Fall zu bringen waren nicht angebracht. Ein Genosse sagte trefflich, dass es sich um Streiks mit einer Salami-Taktik handelte. Einen Aktionstag Anfang September – man wartet eine Reaktion Sakorzys ab – entweder er reagiert oder reagiert eben gar nicht darauf – also wurde ein weiterer Aktionstag Ende September durchgeführt. Ebenso zwei im Oktober und dann einen am Samstag, damit alle die Möglichkeit haben daran teilzunehmen. Daraufhin wieder einen im November.

Diese Aktionstage hatten eine große breite Teilnahme zur Folge und obwohl niemand der Illusion auf saß, man könne damit die Rücknahme der Sarkozy-Reform erzwingen, war die Teilnahme trotzdem immer sehr stark und das zeigt den gewaltigen angestauten Zorn, den es in der französischen Gesellschaft und bei den Arbeitern gibt ; die Frustration die vorherrscht.

Schließlich haben sie alles wie einen Coup über die Bühne gebracht in einer schnell beschlossenen Fernsehsendung.

Auf der einen Seite haben die Arbeiter starke Initiativen ergriffen, wie die Blockade der Raffinerien; Gewerkschaftsübergreifende Arbeiter-Komitees blockierten die Zugänge zu den Treibstofflagern oder die Zugänge zu gewissen Flughäfen; die Arbeiter des EDF-Elektrizitätskonzerns haben zu gewissen Verwaltungsgebäuden wie z.B. den Präfekturen den Strom abgeschaltet, ..

Johann Schögler….. sie konnten aber die Blockade des Landes nicht erreichen ..

Hubert Prévaud: Sie waren um Haaresbreite an der totalen Blockade dran. So gab es zu einem gewissen Zeitpunkt weniger als die Hälfte der 14000 Tankstellen, die noch über Treibstoff verfügten – noch drei oder vier Tage und die Benzinversorgung wäre am Ende und die ganze Wirtschaft blockiert gewesen.

Johann Schögler: —- die Regierung verordnete dagegen Zwangsräumungen …

Hubert Prévaud: …Zwangsräumungen bedeutet nicht, dass sie damit die Raffinerien wieder in Gang setzen können. Die Arbeiter hatten Vertrauen in ihre Aktion. Leider ist zu einem gewissen Zeitpunkt die Gewerkschaftsführung und vor allem die der CFDT – Francois Chéréque der Bewegung in den Rücken gefallen, als er seine Unterstützung und sein Verständnis für die polizeilichen Räumungen bekundete.

Johann Schögler: Die gewerkschaftliche Einheitsfront an der Spitze der Gewerkschaften war sicherlich ein Fortschritt, denn das hat es so schon lange nicht mehr gegeben. Hat sie vor allem dazu gedient den aufgestauten Dampf aus dem Kessel abzulassen, oder bestand die Schwäche darin, dass die Verbindung zwischen der kämpfenden Basis und der Aktionstage-organisierenden Spitze nicht zustande kam? Der Druck der Basis auf die Gewerkschaftsspitze war doch zu schwach?

Hubert Prévaud: Hier muss man sich die Bedingungen ansehen, unter denen die Einheit geschlossen wurde. D.h. Zuerst hat man ein Ziel, wie jenes gegen die Reform zu kämpfen und dann wird eine Einheit unter den verschiedenen Gewerkschaften geschlossen. Diesmal hatten sie gesagt, wir setzen uns zusammen und schließen eine Einheit und dann werden wir sehen, wie weit wir gehen können, mit welchen Kompromissen wir auskommen müssen. Das heißt es ging so weit wie die CFDT beschlossen hatte zu gehen. Und hier war dann der Zeitpunkt, an dem Francois Chéréque sagte, dass es genug sei. Und als man nun Mitte November dieses Limit erreicht hatte, war alles zu Ende. Bernard Thibault ( Gewerkschaftsvorstand der CGT) hat klein beigegeben und er hat auch nicht mehr die bestehenden Blockaden unterstützt. Es gab natürlich Feuer am Dach. Diese Fernsehdiskussion hatte umgehend stattgefunden – denn wenn das mit den Raffinerien weiter ging, so hätte sich die Bewegung rasch ausweiten können. Sie haben nur erreicht, dass der Dampf im Kessel ein wenig gesenkt wurde, denn der Druck ist immer noch da. Das Vertrauen in die Kampfkraft ist ungebrochen und die Raffineriearbeiter haben erlebt über welche Kraft und Macht sie verfügen. Diese sagen, zu diesem Punkt haben wir verloren, denn da es keine Perspektive der Ausweitung der Bewegung mehr gab, waren die Arbeiter nicht mehr bereit Geld einzubüßen, ohne zu wissen wohin das führen würde. Das Gesetz war angenommen und von Sarkozy unterschrieben worden. Das Vertrauen in die eigene Stärke konnte nicht gebrochen werden. Vergesst nicht wir sind noch da. Das ist die Stimmung.

Johann Schögler: Du denkst, eine andere Protestwelle könnte zu einem anderen Anlass mit den Erfahrungen aus diesem Kampf auf höherer Ebene losbrechen? Zum Beispiel, dass die Arbeiter sagen,“wir zahlen nicht für eure Krise“.? Gegen eine Einsparungsmaßnahme, die im kommenden Jahr – ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen – kommen könnte?

Hubert Prévaud: Das ist sehr schwer zu sagen. Sarkozy will sehr rasch seine Reform der Sozialversicherung umsetzen. Er wird sehr bald die nächsten Maßnahmen ankündigen, denn er zählt darauf, dass die Gewerkschaftsspitze sich nicht durchsetzen konnte und wird daher die nächsten Schritte angehen.

Es ist schwer zu sagen, wie es weiter geht. Sarkozy ist schon sehr unpopulär und das Wahljahr wird bald kommen und daher hat er nicht mehr die Wahl zu warten oder nicht. Der französische Kapitalismus hat viele strategische Punkte eingebüßt und sie wollen, dass die Arbeiter für die Krise zahlen. Die objektiven Bedingungen für eine neue Bewegung sind aufrecht. Diesmal wahrscheinlich auf einer anderen Ebene, denn die Arbeiter haben verstanden, dass es so nicht geht. Es gab keine Koordination der Basisbewegung. Am Ende gab es Vollversammlungen zwischen den einzelnen Gewerkschaften an der Basis und das nächste Mal wird die Frage der Koordination der Bewegung früher gestellt werden und in der CGT ist der Druck stark, dass so eine Koordination der Bewegung zustande kommt und eine Besetzung der Raffinerien kann viel weiterreichende Auswirkungen haben. So gab es zum Beispiel im Hafen in Le Havre eine beeindruckende Koordination der Basis zwischen den Gewerkschaften, im gemeinsamen Kampfkomitee,in der nicht nur die Docker, sondern alle Hafenarbeiter beteiligt waren .

Johann Schögler: Gibt es bei den Arbeitern das Bewusstsein, dass der Kampf auch international geführt werden muss auf europäischer Ebene, um eine Chance zu haben den Angriff der europäischen Unternehmerschaft zurück zuschlagen?

Hubert Prévaud: Das kann ich nicht verbindlich beantworten, denn es ist schwer zu sagen. Das Bewusstsein, dass es sich um eine internationale Krise handelt ist da, aber die Notwendigkeit einer europäischen Mobilisierung ist eine andere Sache. Die Einsparungspläne würden aber auch unabhängig von Brüssel bestehen. Zur Zeit gibt es noch keine konkreten Schritte der Koordination der Kämpfe auf europäischer Ebene. Es wäre wichtig diese zwischen Frankreich, Portugal, Spanien, Italien, Griechenland und Großbritannien zu organisieren. Wenn der öffentliche Schuldenberg Großbritanniens explodieren wird, haben wir es nicht mehr mit einer Größenordnung wie jene in Griechenland oder Portugal zu tun, denn es geht um 10 mal so hohe Summen. Das wird eine explosive Lage werden.

Johann Schögler: Danke für das Gespräch

Gespräch und Übersetzung von Johann Schögler

Das Gespräch mit Hubert Prevaud, CGT Airbus, Frankreich wurde anlässlich einer gemeinsamen Diskussion am 9. Dez. 2010 zwischen GLB Steiermark , Bildungsvereins der KPÖ Steiermark und der Funke geführt.

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