GRIECHENLAND NACH DEN ERPRESSUNGEN UND DER SPALTUNG VON SYRIZA (erste Reflexionen)
Vorbemerkung: um es klar und unmißverständlich zu sagen- HAUPTFEIND der interntionalen Solidaritätsbewegung war, ist und bleibt die Erpressungspolitik des globalen Kapitals und der ihm verpflichteten politischen Kräfte (siehe dazu auch meine „7 Theses on the political development in Greece“).
Aber es ist schlicht unmöglich, vor den jüngsten Entwicklungen die Augen zu verschließen.
Auf die von Syriza (und der kleinen Rechtspartei Anel) gebildete Regierung wurde eine gigantische Erpressung und ökonomische Strangulierungspolitik ausgeübt. Selbst kleine Reformen waren den EU-Granden ein Dorn im Auge. Immer und immer wieder gaben sie zu verstehen: „Schulden müssen bezahlt werden“ und dafür müsse es- wie schon unter den vorherigen griechischen Regierungen- eben Privatisierungen und Sozialabbau geben.
Die Syriza-Führung- sich weitgehend auf die Schuldenfrage konzentrierend- glaubte vor allem unter den verschiedenen -imperialistischen- Kräften und Regierungen Widersprüche ausnützen zu können. De facto sprachen diese jedoch in zentralen Fragen mit einer Stimme (inklusive der sozialdemokratisch geführten Kabinette; wir in Österreich können diesbezüglich von dem SP-Kanzler Faymann ein Lied singen).
Spätestens mit dem enormen OXI im Rücken (62 %!!!) wäre die Chance gewesen, breite Massenmobilisierungen gegen die Austeritätspolitik und für konkrete ökonomische und politische Alternativen zu bürgerlichen Konzepten zu unternehmen: Propagierung und Unterstützung von Projekten der Zivilgesellschaft; Übernahme von Betrieben in Selbstverwaltung; Überführung der Banken in öffentliches Eigentum unter demokratischer/ Arbeiter-/ Kontrolle; etc. Die Syriza Führung war jedoch von dem Referendums-Erfolg erschrocken (sic!) und unterschrieb in der Folge rasch (und ohne einen in einer so zentralen Frage unerläßlichen Meinungsbildungsprozeß in der Partei) ein fürchterliches Abkommen mit den „Instititionen“ (siehe dazu das Dokument des grünen EU-Abgeordneten Sven Giegold „Das Wild ist erlegt- jetzt wird es ausgeweidet“). Selbst bürgerliche Politiker und Kommentatoren sagen unverblümt, daß das Abkommen der Schuldenbegleichung dient und nix mit „ökonomischer Stabilisierung des Landes“ zu tun hat. Dieses Abrücken von den ursprünglichen Syriza-Positonen führte schließlich auch zur Spaltung der Partei und der Konstitution der „Volkseinheit“ (mit derzeit 25 ParlamentarierInnen).
Auch wenn Syriza wieder die nun anstehenden Wahlen gewinnen sollte, ist dies eine gänzlich veränderte Situation gegenüber dem Jänner. Damals ging es um eine klare Ablehnung der „Spar“politik. Diesmal ist Syriza mit der Hypothek eines selbst unterzeichneten Sparabkommens belastet.
Diese Entwicklung hat- und da braucht man/ frau keine Kassandra-Haltung einehmen- auf vielen Ebenen negative Konsequenzen:
– in Griechenland wird der Kampf gegen den Sparzwang schwieriger
– international werden neoliberale, konservative, aber auch sozialdemokratische Kräfte sagen: „Schaut nach Griechenland, ein linkes Experiment ist zum Scheitern verurteilt“
– im spanische Staat sind schon jetzt die polls für podemos rückläufig
DIE MÜHEN DER EBENE WERDEN NOCH SCHWIERIGER
Es wäre illusionär zu glauben, „Griechanland hätte uns aus dem Sumpf retten können“. Angesichts des weltweiten Kräfteverhältnisses sind solche Projektionen müßig. Aber Griechanland hätte ein Fanal sein können (ein „Piemont“): ausgehend von dort hätten sich die ideologischen und politischen Bedingungen (Infragestellen der neoliberalen Dogmen; reale, positive Veränderungen für breite Bevölkerungsteile,…) international entschieden bessern können. All das kann man/ frau jetzt zu einem Gutteil -leider!-abschreiben.
Diese realistische Sichtweise hat nichts mit „Pessimismus“ oder Kleinbeigeben zu tun. Die internationale Solidaritätsbewegung ist auch weiter gefordert: es gilt alle Kämpfe in Griechenland gegen Privatisierungen und Sozialabbau zu unterstützen- auch unter schwierigeren Bedingungen!
Hermann Dworczak
Das Wild ist erlegt – nun wird ausgeweidet
Wasser, Gas, Strom, Infrastruktur
– Die Plünderung von Griechenland kennt keine Grenzen mehr
Der griechische Staat wird geplündert. Neben 14 Flughäfen, die von der deutschen Fraport AG übernommen werden, steht nun auch fast die gesamte staatliche Infrastruktur zum Verkauf. Gas, Wasser, Strom, Seehäfen, Straßennetze – alles muss raus! Dies geht aus einem Dokument des Privatisierungsfonds HRADF hervor, das der Europa-Abgeordnete Sven Giegold veröffentlichte.
Um die Zusagen für neue Kredite von den internationalen Geldgebern zu erhalten, musste Griechenland sich jüngst auf weitreichende Sparmaßnahmen einlassen. Der Kotau von Alexis Tsipras vor der Euro-Gruppe führte letztendlich auch zu einer Umstrukturierung des Links-Bündnisses Syriza, des Ausschlusses der Linken Plattform aus dem Kabinett und in Konsequenz dessen, zum gestrigen taktischen Rücktritt des Ministerpräsidenten mit baldigen Neuwahlen Ende September.
Neben erneuten schmerzhaften Einschnitten im Sozial- und Rentensystem verpflichtete sich Griechenland auf dem EU-Gipfel vor einem Monat auch dazu, Vermögenswerte in Höhe von 50 Milliarden Euro an einen Treuhandfonds zu übergeben, über den diese privatisiert werden sollen. Im Zusammenhang mit 14 griechischen Flughäfen, die nun von der Frankfurter Fraport AG übernommen werden sollen, ist vielfach von einer Plünderung des südeuropäischen Landes die Rede.
Aus einem Dokument, das der Abgeordnete im Europäischen Parlament Sven Giegold (Bündnis 90/Die Grünen) veröffentlichte, geht nun das ganze Ausmaß der Privatisierungspläne hervor. In dem 27-seitigen Papier ist alles aufgelistet, was für das griechische Gemeinwesen von Bedeutung ist: Die Häfen von Athen und Thessaloniki, die staatliche Bahngesellschaft, Straßennetze und – besonders brisant – auch weite Teile der Strom-, Wasser- und Gasversorgung. Zu den Filetstücken um die nun sowohl private Investoren, wie auch andere Staaten ringen, zählen neben dem Infrastrukturnetz auch Raffinerien und Unternehmen wie der Gaskonzern Depa, der Stromerzeuger Public Power Corporation (PPC) und die Wasser-Betriebe Eyath und Eydap.
Einige der Sachwerte sollen laut dem Plan nur teilweise privatisiert werden, andere fast vollständig. Für die Privatisierungen ist die griechische Fondsgesellschaft HRADF zuständig, diese wird bei ihrer Arbeit allerdings von den Troika-Institutionen IWF, Europäische Kommission und EZB „überwacht“. Für die umfassende Umschichtung des griechischen Staatsvermögen in private und ausländische Investorenhände werden bis zu 30 Jahre veranschlagt. Insgesamt wirkt der Plan – ähnlich wie der Umbau Chiles in den 1970er Jahren – wie ein großangelegtes neoliberales Experiment – mit den Griechen als Labormäusen.
Dass gerade die Privatisierung der Grundversorgung (Strom, Wasser, Gas) meist dazu führt, dass die Preise für die Verbraucher steigen und die Versorgungssicherheit abnimmt, da die Infrastruktur verkommt, zeigt die Erfahrung. Äußerst negative Auswirkungen der Wasserprivatisierung werden beispielsweise aus Großbritannien berichtet. Auch Bolivien machte katastrophale Erfahrungen mit derartigen Programmen. Dort schaukelten sich die Konflikte um das Wasser im Jahr 2000 sogar zu einem Krieg, dem so genannten „Wasserkrieg“, hoch.
Im Interesse der griechischen Bevölkerung sind die weitreichenden Privatisierungspläne nicht. Freuen über das Tafelsilber werden sich hingegen Investoren, die nach Profit dürsten und die Apologeten der neoliberalen Agenda.
21. August, 2015
http://www.rtdeutsch.com/29610/
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