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Michail Bulgakow DIE WEISSE GARDE (Rezension)

Bloged in Allgemein by friedi Freitag Dezember 12, 2014
In manchen Fällen sagt ein Roman mehr aus als ein wissenschaftliches Buch. Auf Sizilien etwa hört man / frau immer wieder:“ Wenn Sie die (jüngere) Geschichte des Landes verstehen wollen, dann lesen Sie am besten den „gattopardo“( Leopard ) von Lampedusa“ (1) . Und Marx läßt bekanntlich an Schlüsselstellen des „Kapitals“ die Literatur zu Wort kommen- u.a. Shakespeare.
Um die aktuellen Konflikte, ja den Krieg in der Ukraine zu verstehen, bedarf es zweifelsohne vieler Hintergrund-Infos. Aber auch ein Roman wie Bulgakows „Die weiße Garde“ vermittelt tiefe Einblicke in deren historische und kulturelle Dimension.
Bulgakow, der Autor des legendären Romans „Meister und Margarita“ (der in der Stalin-Ära der Sowjetunion nicht veröffentlicht werden durfte) wurde in Kiew geboren, als Sohn eines russischen Kirchenhistorikers (2). Bulgakow und seine bürgerliche Familie erlebten voll die Revolutions-Jahre 1917 und danach in der „herrlichen Stadt am Dnepr“ . „Die weiße Garde“ ist die literarische Aufarbeitung dieser Erlebnisse.
Der Roman schildert in kompromierter Form (aus dem Stoff wurde auch ein Bühnenstück: “ Die Turbins“) den oftmaligen Wechsel der Herrschaft in der Stadt: das von den Deutschen abhängige Hetman-Regime, die ukrainisch-nationalistische Petljura-Bewegung, die Winkelzüge der konterrevolutionären „weißen“ Generäle etc. und die revolutionären  Bolschewiki.
Es bietet sich ein wüster, fast unauflöslicher politischer Knäuel dar.  Total unterschiedliche Schichten und Klassen bzw. deren jeweilige ProtagonistInnen stoßen aufeinander. All das mit -durchaus gegensätzlichen- ausländischen, sprich imperialistischen Interssen- von Polen über das (zusammenbrechende)  Deutsche Reich bis hin zur Entente. Kommt einem doch auch in der Gegenwart irgendwie bekannt vor…
Die Ereignisse und ihre AkteurInnen werden via erstklassiger !Literatur! präsentiert- die Figuren sind NICHT bloße „Sprachrohre des Zeitgeistes“- wie  Engels es in seiner Kritik an  Lassalles „Sickingen“ formulierte (3). Auch die „STADT“ (gemeint ist Kiew und bei Bulgakow im Roman immer groß geschrieben) wird differenziert, ja liebevoll geschildert (und erinnert etwas an den New York-Roman von Dos Passos).
Durch die Lektüre des dichten, spannenden/Buchs bekommt man /frau ein Gespür für die Verwickelheit der Probleme, die nationalen Hader, die diametral entgegengesetzten (Klassen)interessen.
Auch wenn es sich bei Bulgakow um KEINEN „linken“ Schriftsteller handelt und er einiges verzerrt durch die „russische Brille“ schildert, sollte man/ frau sich das Buch (erneut) zu Gemüte führen-  auch als wunderbares Palliativ gegen einseitige, Schwarz-Weiß- oder „Lager“sichtweisen bezüglich der Ukraine heute.

Hermann Dworczak

1) Tomasi di Lampedusa  Der Leopard . Band 447 der Bibliothek Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975

2) Siehe die sehr informative  RoRoRo Monographie „Michael Bulgakow“ von Elsbeth Wolffheim. Reinbeck bei Hamburg 1966
3) Sickingen-Debatte. Ein Beitrag zur materialistischen Literaturtheorie, Hrsg. von Walter Hinderer. Luchterhand Verlag. Darmstadt und Neuwied 1974
Michail Bulgakow Die Weiße Garde. Globus Verlag Wien o.J. , 318 Seiten
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