[Brunath][Essay] Peking=modernes Canossa?
Westliche Politiker geben sich in Peking immer wieder die Klinke in die Hand. Dabei wollte man sich doch von China unabhängig machen – wie von Russland. Aber weder Sanktionen noch Entkoppelung scheinen die gewünschten Erfolge zu bringen. Der politische Westen reagiert hektisch.
Anfang April begab sich die US-Finanzministerin Janet Yellen für vier Tage nach China. Sie wollte „Wirtschaftsgespräche“ führen. Kaum war sie wieder abgereist, kam auch schon der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz zu einem dreitägigen Besuch. Und Antony Blinken, US-Außenminister, hat sich ebenfalls auf die Besucherliste setzen lassen wie auch der deutsche Dienende in Sachen Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck. Im vergangenen Jahr waren Präsident Macron und die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Peking.
Sehr viel Aufmerksamkeit für ein Land, dem man ablehnend gegenüber steht.
Es treibt sie um, dass die Chinesen nicht nach den Werten des Westens leben und schon gar nicht nach seiner Pfeife tanzen. Und es treibt sie um, dass die Russen und Chinesen bei der Mehrheit der Staaten in Afrika, Südamerika, im nahen und fernen Osten zunehmend an Einfluss gewinnen.
Angesichts des teilweise anmaßenden Auftretens der Vertreter des Westens ist es kein Wunder, dass man ihnen die kalte Schulter zeigt. Janet Yellen kam nicht gerade als bescheidene Besucherin nach Peking, sondern stellte Forderungen und teilte Belehrungen aus und sie trat gegenüber den Chinesen auf, als seien sie ihre Angestellten oder Befehlsempfänger der USA. In Wirklichkeit aber kommen sie als Bittsteller, auch wenn sie alles dafür tun, um diesen Eindruck nicht zu erwecken. Sie kommen vollmundig an und fahren ebenso regelmäßig ziemlich gerupft und zurechtgestutzt wieder zurück. Sie wollen es einfach noch nicht wahrhaben, dass der Wind sich in der Welt gedreht hat. Es ist kein Westwind mehr.
Ja, sie kommen nicht gerne nach Peking, das zu einem modernen Canossa geworden ist. Und doch wallfahren die Vertreter des Westens öfter nach China, als chinesische Führer die westlichen Hauptstädte besuchen. Das fällt doch auf und tatsächlich hat das seinen Grund: sie bangen um ihre Pfründe.
Dabei nehmen sie es sogar hin, auch schon einmal mit der zweiten Politiker-Garnitur abgespeist zu werden, während der russische Außenminister Sergei Lawrow sogar vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping empfangen wird, aber die EU-Kommissionschefin v.d.Leyen musste den Hinterausgang nehmen.
Nein, sie kommen nicht aus Freundschaft und nehmen Demütigungen hin, weil ihnen der Schuh drückt. Den USA geht es um „Taiwan, die chinesische Unterstützung für Russlands Rüstungsindustrie sowie unfaire Handelspraktiken Pekings„, ferner sind es „Gefahren im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz und der Kampf gegen den internationalen Drogenhandel mit Blick auf die Fentanyl-Krise in den Vereinigten Staaten sowie der Konflikt um das Videoportal TikTok„. Aber wieso sollte China sich darum kümmern angesichts der feindseligen Haltung, mit denen die USA dem Land immer wieder gegenübertreten? Wie z.B. gegen Peking gerichtete Bündnisse wie AUKUS [zwischen Australien, Großbritannien und den USA] oder Quad [den Quadrilateral Security Dialogue zwischen den USA, Australien, Indien und Japan], für die sie auch ständig neue Verbündete anzuwerben versuchen. Um den Druck gegenüber China zu erhöhen, schüren sie Konflikte oder befeuern diese, wie im Territorialstreit zwischen Peking und den Philippinen um einige Inseln im Chinesischen Meer.
Wie stellen sich die US-Politiker oder die Baerboks und all die von missionarischer Inbrunst getriebenen Grünen eigentlich Politik vor? Kanonenbootpolitik ist nicht mehr. Der Westen ist heute viel stärker auf China angewiesen als je zuvor. Westliche Reisediplomatie beweist das und sie spricht eine eindeutige Sprache. Man braucht China, tut aber nach außen so, als ob das nicht der Fall wäre. Ja, die europäischen Hersteller schmerzt diese Entwicklung während die Importeure chinesischer Waren “ sich freuen über günstige China-Produkte„. Das betrifft nicht nur den Endverbraucher. Auch die deutschen Unternehmen leben von den billigen Vorprodukten aus dem Land der Mitte.
Und ob die deutsche Autoindustrie noch so gute Verkaufszahlen wird hinlegen können wie in vergangenen Zeiten, wenn sie statt der günstigen Chips aus Asien in Zukunft auf wesentlich teurere Schaltkreise „Made in Germany oder USA“ zurückgreifen muss?
Der Westen kritisiert diese Produktschwemme und Preisvorteile als angeblich „unfaire Handelspolitik und nicht marktwirtschaftliche Praktiken Chinas„. Wäre es umgekehrt würde man sich jede Kritik verbitten. Nun aber sind ihnen die Chinesen bei den Zukunftstechnologien zuvorgekommen. Dumm gelaufen!
Aber es waren nicht sie, die Chinesen, die die Globalisierung vorangetrieben haben. Der Westen hat auf Investitionen in China gedrängt um teure Arbeitsplätze zu verlagern und billige Produkte zu importieren. Daran ließ sich gut verdienen – zu Hause und auf dem riesigen chinesischen Markt. Das hat sich Peking vom Westen abgeschaut. Ja China hat den Spieß umgedreht, tut das, was „die westlichen Nationen dies schon seit Jahrhunderten tun„.
R. Brunath, 22.4.2024
Essay von von einem Artikel von Rüdiger Rauls erschienen bei rt.de
Das Essay als PDF: Peking = modernes Canossa
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