[R.Brunath] Essay: Die Friedensbewegung muss sich politisieren
18.3.2024 Hamburg, Rainer Brunath
Warum bleibt es bei Lethargie – oder Sprachlosigkeit – der Deutschen Friedensbewegung in Fragen des Ukraine-Krieges? Ich behaupte, die Friedensbewegung, die langsam, zu langsam heraufdämmert, macht einen großen Fehler. Übrigens gehören dazu auch die „Bewegten gegen rechts“ , die sich regierungsamtlich zu von den Medien beklatschten Demos gegen Rechts delegieren lassen. Beide Gruppen sind unpolitisch weil Krieg sie aus ihrer seit Jahrzehnten gewohnten Sichtweise herausreißt. Deshalb sehe ich die unbedingte Notwendigkeit, das diese Friedensbewegung sich radikal politisiert.
Ein verbreiteter Irrtum besteht bei den Menschen z. B. darin, dass sie eine Angriffsoperation priori für ungerecht oder für verurteilungswürdig halten. Dazu kommt noch, dass Sprecher der aktuellen Friedensbewegung dieses Narrativ auch verbreiten. Die stellen sich gewissermaßen als Richter über die Ereignisse – vergessend, dass es Gründe für das Handeln, dass es menschliche Motive seitens der Angreifenden gibt – und natürlich eigene Interessen vergessend, die ins Weltgetriebe eingeordnet werden müssen. Der Zusammenhang zwischen Vorkrieg und Krieg wird ausgeblendet.
Aber dabei ist es doch so einfach: Die Einteilung in Angriffs- oder Verteidigungskrieg ist nicht geeignet, über die Gerechtigkeit von Kriegen zu urteilen. Als Beispiel für gerechte Angriffskriege seien die antikolonialen Befreiungskriege genannt. Sie sind Kriege, die dem gesellschaftlichen und Menschheitsfortschritt förderlich waren und sind. Und diese Sichtweise mag auch heute eine wichtige Anregung sein, nämlich, dass man die politischen Ziele eines Krieges bewerten muss und wie diese politischen Ziele sich zu den eigenen Interessen verhalten.
Daraus folgt messerscharf, dass alle Angriffskriege, die meinen Interessen dienen, gerecht sind, und Kriege, die diesen meinen Interessen zuwiderlaufen, folglich ungerechte Kriege sind. Ergo – man erkenne: daraus ergibt sich, warum seit Kriegsbeginn der Westen die politischen Ziele Russlands totschweigt. Die gleichgeschalteten Medien bringen es dem West-Individuum bei: Keiner wird dagegen sein, dass die NATO sich ausbreitet, keiner findet etwas bei dem Rassismus gegen die Russen der Ukraine, keiner findet den Faschismus in der Ukraine schlimm!
Dass die NATO ein Aggressionsinstrument ist, hat sie seit Jahren bewiesen. Oskar Lafontaine hat vor kurzem gemeint, solange die USA mit ihren vielen Kriegen an allen Ecken der Welt Mitglied der NATO sei, ist die NATO keine Verteidigungsvereinigung. Deshalb glaube ich, dass der Schwerpunkt der Berichterstattung etwas weniger auf taktische Ereignisse und mehr auf politische Denkweisen fokussiert werden sollte. Man denke an Brecht:
„Die Wahrheit muss gesagt werden, der Folgen wegen, die sich aus ihr ergeben.“
Danach mag man sich fragen: Krieg als Mittel für gute Ziele? Wenn aber Diplomatie versagt oder arrogant zurückgewiesen wird – was bleibt dann?
Bleiben wir bei der NATO: NATO oder Krieg gegen die NATO-Erweiterung? Erinnern wir uns: Die NATO war die Hauptursache für das Ende des sozialistischen Weltsystems. Obwohl es nur ein Kalter Krieg war, reichte dieser aus, den Sozialismus ökonomisch fertig zu machen.
Plant die NATO mit ihrer Erweiterung einen zweiten Kalten Krieg? Die jüngsten Veröffentlichungen der New York Times legen das nahe. Folglich: Auch ein Kalter Krieg ist ein Krieg. Wir stehen somit nicht vor der Abwägung „NATO oder Krieg“, sondern vor der Frage: „Krieg oder Krieg – d.h. Rassismus oder Krieg gegen Rassismus“!
Um also die Menschen, die Jahrzehnte Handel und Freundschaft mit Russland pflegten, in Feinde alles Russischen zu verwandeln und sie gegen Russland zu instrumentalisieren, musste etwas in das Bewusstsein der Menschen hineingepresst werden, was den Russen in einen Moskowiter verwandelte. Und dafür war der Rassismus das geeignete Instrument, das als Kriegserklärung gegen die universellen Menschenrechte eingesetzt wurde und wird.
Und damit wurden und werden die Menschen vor die Wahl gestellt: Wollen sie Krieg oder Krieg – d.h. heute: Faschismus oder Krieg gegen den Faschismus?
Das Ziel eines jeden Faschismus ist die Ausschaltung des inneren Feindes, des persönlichen und eigenen Willens. Im Fall der Ukraine ist der innere Feind all das, was der geistigen Aufrüstung der Ukrainer als antirussische Kämpfer zuwiderläuft. Jedoch: man kann rassistische Losungen noch so viele ausgeben – wenn sie keinen Widerhall finden bei den Menschen ist die Propaganda der Medien „blown in the wind“
Aber der Faschismus entwickelt die nötige Drohkulisse, die gebraucht wird, um Menschen zum Schweigen zu bringen. Und damit eröffnet der Faschismus einen Krieg gegen die demokratischen Prinzipien der Menschen. Somit stehen wir also vor der fatalen Situation: Egal für welche Seite wir uns entscheiden – Westen oder Russland – wir entscheiden uns immer für Krieg.
Wenn wir nun nicht anders entscheiden können, so sollten wir wir uns für denjenigen Krieg entscheiden, der uns nicht zu Lumpen macht.
Bliebe noch übrig, über die Rechtmäßigkeit von Kriegen zu reden. Und hier liegt ein weiterer Trick westlicher „Qualitäts“-Medien. Die machen uns weis, dass es hier Gerechtigkeitskriege und dort eine Rechtmäßigkeitsperspektive gäbe. Ergebnis: keiner weis mehr Bescheid. Während die Gerechtigkeitsfrage eine Interessenfrage ist (des Volkes, der Menschen) , handelt es sich bei der Rechtmäßigkeitsfrage um eine Machtfrage – gemäß der Erkenntnis, dass das herrschende Recht das Recht der Herrschenden ist.
Das gilt natürlich auch für das Völkerrecht. Die Errungenschaft des Völkerrechts wie es bis 1990 galt, wurde danach neu durch die USA festgelegt bzw den Völkern eingetrichtert. Wenn also das Völkerrecht durch stillschweigendes Verhalten des Westens zerstört wurde (Kriege gegen den Irak, Libyen, usw, jetzt naher Osten) nützt es nichts zu fordern, dass die USA völkerrechtlich zur Verantwortung gezogen werden müssten, wenn man (als Friedensbewegung) Russland des Völkerrechtsbruches bezichtigt. Dies ist eine weitere große Schwäche der Friedensbewegung, die nur dem System der Machterhaltung des imperialen Westens dient.
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