Ukraine-Krieg: Das Henne-Ei-Problem
In der Ukraine tobt ein sinnloser Krieg. Der Westen gibt Russland die Schuld und Russland dem Westen. Klar ist nur: Russland hat die Kriegshandlungen begonnen – aber wie ist er zu beenden? Der Westen meint: Durch immer stärkere Eskalation. Nachfolgend ein Analyseversuch.
Wie gesagt: Begonnen hat Russland mit dem Überfall auf die Ukraine. Auch wenn Russland ins Treffen führen kann, dass ihr Überfall eine von den östlichen Oblasten erbetene unterstützende Militäroperation sei, ist der Vormarsch auf Kiew ein eklatanter Bruch der KSZE-Regeln und der UN-Charta. Die Russische Föderation argumentiert, dass der Angriff eine Reaktion auf das Vorrücken der NATO an die Russischen Grenzen sei – also praktisch die NATO die Vertrauensbasis gebrochen hat und so indirekt der Aggressor sei. Die NATO argumentiert, dass von ihrer Seite keine Aggression ausgegangen sei, sondern sie lediglich auf die Wünsche der Ukraine reagiert habe und dass dies gemäß des Selbstbestimmungsrecht der Völker legitim sei.
Klar ist: Mit dem Überfall der Russischen Föderation am 24.2.2022 ist Russland der Aggressor. Aber kann dieses Ereignis tatsächlich so auf einen Tag begrenzt werden. Liegen die Gründe für den Überfall und auch die Gründe für die Reaktion des Westens nicht im Zeitraum davor?
Das kann man nur mit „Ja“ beantworten – klärt aber die Frage, wer der Verursacher ist nicht wirklich.
Seit ca 2000 beschuldigen sich USA und Russland gegenseitig, die Abrüstungsverträge zu brechen. 2002 stieg die USA aus den ABM-Vertrag aus. Seit 1999 weitet sich die NATO ständig nach Osten aus und verkürzt damit die Vorwarnzeite für Russland im Fall eines westlichen Angriffs.
Von Seiten Russlands liegt die verursachende Vorgeschichte damit klar auf Seiten des Westen, auf Seiten der USA. 2002 verließ die USA einseitig die ABM-Vertrag und baute ihre Raketenabwehr in Osteuropa aus (siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/INF-Vertrag#Ende_des_Vertrags ). Zuvor schon hatte sich die NATO nach Osten ausgeweitet. Aus russischer Sicht war diese Osterweiterung – vor allem auf dem Gebiet der ehemaligen DDR – ein Bruch von Vereinbarungen, auch wenn diese Vereinbarung nicht schriftlich fixiert war. Aus russischer Sicht wird in diesem Vorgehen ein gegen Russland gerichtetes Konzept gesehen: Beenden der ABM-Verträge, Entwicklung neuer Raketen durch die USA, gleichzeitig Ausdehnung der NATO nach Osten, verbunden mit Raketenstationierungen. Zudem wirft Russland der USA innepolitische Agitation in den Osteuropäischen Länder durch Agenten vor. Der Maidanputsch sei hier prominent genannt. Zudem droht, dass bei NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, Russland seine Schwarzmeerbasis auf der Krim verliert. Für Russland ein untragbares Risiko.
Genau umgekehrt sieht es die USA: Russland hätte die ABM-Verträge schon zuvor gebrochen. Dies vor allem mit der Entwicklung von Hyperschallwaffen. Zwar haben auch die USA mit Hyperschallflugkörpern experimentiert aber bewusst auf die Entwicklung von Hyperschallwaffen verzichtet, um den Rüstungswettlauf nicht anzuheizen (siehe: Krech, Hans: Kh-47M2 Kinzhal – „Doomsday Machines“ und ihr Einsatz durch Russland im Ukrainekrieg in:Fliegerkalender 2024. S.97). China und Russland haben jedoch diese Waffen entwickelt und haben sie nun einsatzbereit. Durch Hyperschallwaffen kann aber Erstschlagfähigkeit hergestellt werden, da diese Waffen extrem kurze Vorwarnzeiten haben und kaum abzufangen sind.
„Sie [Russland und China ist gemeint] verfügen seitdem über eine Erstschlagfähigkeit gegenüber den USA, der NATO und der EU, die gewollt und gezielt zur politischen Erpressung gegen die westlichen Demokratien eingesetzt wird“ (ebd.)
Dies ist eine Bedrohung für den Westen. Die Vorwarnzeit für eine Hyperschallrakete bei einem Angriff auf Berlin kann bei etwa 12 Minuten liegen und die Waffe wäre kaum abzufangen (Krecht, Hans, S. 105). Die USA sieht in dieser Entwicklung den Ausdruck der aggressiven Absichten Moskaus. Die Unterstützung der osteuropäischen Länder durch westliche Politiker und Organisationen sieht die USA als Beitrag das Selbstbestimmungsrecht dieser Staaten aufrecht zu halten und ihnen demokratische Lebensbedingungen zu sichern. Das russische Vorgehen auf der Krim und im Kaukasus wurde als Bestätigung für den Aggressionswillen gesehen. Die Abstimmungen auf der Krim werden vom Westen als manipuliert betrachtet und als Beleg für die Unterdrückung durch Russland gewertet.
Dass sich auch hier wieder das Henne-Ei-Problem stellt lässt sich aus folgendem Zeitablauf erschließen: Die Kinzal ist seit Dezember 2021 einsatzfähig (Krecht, Hans, S. 99), die EU hat aber bereits im November 2019 ihre TWISTER-Initiative (Timely Warning and Intercept with Space-based Theater Surveillance), ein Programm zum Abfangen von Hyperschallwaffen gestartet und in diesem Programm war bereits die Ukraine und Georgien mit einbezogen. (siehe Krecht, Hans, S.104)
Zumindest daran ist zu sehen, dass der russische Vorwurf, die NATO agiere in der Ukraine imperialistisch nicht unberechtigt ist. Die westliche Politik ist also – abseits von allen militärstrategischen Überlegungen – ein wesentliches Element, das den Krieg mitverursacht hat.
Nicht zufällig legen die Verfechter dieser realistischen Sicht der Dinge so großes Gewicht auf den Umstand, dass der Westen mit dem, was anfänglich „Ukraine-Krise“ hieß, falsch umgegangen sei. Sie meinen, der Westen habe durch die Versprechungen, die Tür zur NATO stehe offen, der Ukraine zu viele falsche Hoffnungen gemacht und damit bewirkt, dass die ukrainische Außenpolitik sich von der trostloseren Realität abgekoppelt habe. Dadurch habe der Westen zum einen zu viele Risiken für Kiew geschaffen. Zum anderen habe der Westen durch die Missachtung der russischen Interessen das Kräftegleichgewicht zerstört und die Ukraine alleingelassen mit einer Situation, in der ihre Existenz unmittelbar infrage gestellt wurde. (Kapitonenko, Nickolay: Riskantes Lotteriespiel)
Wer nun eigentlich der „wirkliche“ Aggressor ist, ist also völlig vom Standpunkt abhängig. Russland war und ist der Angreifer – aber der Westen ist der konfliktschürende Agitator.
Eines ist aber klar: Egal wer nun der „Schuldige“ ist – der Krieg soll so rasch wir möglich beendet werden und die Konfliktlösung Verhandlungen überlassen. Erstschlagfähigkeit hin, Aufrüstung und Befreiungsschalg her – das ist der falsche Weg. Kapitonenko verweist auf Krotius in dem er ihn sinngemäß zitiert:
Er [Grotius] hielt es grundsätzlich für besser, Widersprüche und Konflikte auf nicht-kriegerischem Weg zu lösen: durch ein Schiedsgericht, durch Vermittlung oder gar durch das Los oder ein symbolisches Duell. Unter dem Strich komme in etwa dasselbe Ergebnis dabei heraus – allerdings zu einem ungleich niedrigeren Preis.(Kapitonenko, Nickolay: Riskantes Lotteriespiel)
Leider wird dieser vernünftige Weg, der Weg der Verhandlung, zur Zeit noch von allen beteiligten Akteuren abgelehnt. Zu weit ist die Kriegspropaganda schon fortgeschritten. Keine Partei will sich diesen Gesichtsverlust leisten. Noch haben alle Beteiligten zuviel Geld und Menschen, die sie in die Schlacht werfen können – und sie tun es auch. Noch ist die Zerstörung und das Leid nicht groß genug, dass Vernunft einkehren kann. Frankreich überlegt Bodentruppen einzusetzen – Deutschland überlegt weitreichende Präzisionsflugkörper zu liefern – England schickt Spezialisten – usw. usw. und Russland droht mit atomaren Gegenschlag – wenn auch „nur“ auf taktischem Gebiet – in Mitteleuropa.
Und die Propagandamaschinerie in Bild und Ton läuft auf Hochtouren. Der Wahnsinn kennt keine Grenzen solange er nicht total erschöpft ist.
Graz, 5.3.24, W.Friedhuber
Exempel für die Propaganda:
- Die Welt https://www.youtube.com/watch?v=Ej7q9QjdRFw
- Miniatur Rose Queen: https://youtu.be/mFhkzW7nc1k
No comments yet.