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Essay: Neutralität in Österreich und die Farm der Tiere

Bloged in Allgemein by friedi Montag Dezember 11, 2023

Die Vorgänge um den österreichischen Staatsvertrag und um die Neutralität weisen große Ähnlichkeiten mit den Vorgängen auf, die George Orwell in seinem Roman Farm der Tiere beschreibt.

Es gibt in dem Roman eine Vereinbarung mit allen Tieren dieser Farm. Diese Vereinbarung wird, damit jeder jederzeit die Vereinbarungen nachlesen kann, groß auf eine Scheunenwand geschrieben. Aber die Schweine, welche sich auf der Farm besser stellen wollten, ändern nächtens diese Statuen je nach ihren Vorlieben, ohne den anderen Tieren darüber Auskunft zu geben. Wenn die anderen Tiere der Farm glauben, dass die Schweine eine Vereinbarung brechen, so zeigen die Schweine ihnen, dass etwas ganz anderes auf der Scheunenwand steht, als die dummen Tiere glauben. Die Vorgänge um den österreichischen Staatsvertrag und um die österreichische Neutralität weisen da viele Ähnlichkeiten auf.

Ursprünglich, so um die 1960 wurde in den Schulen noch gelernt, dass Österreich sich für die immerwährende Neutralität entschieden hat und dass sich Österreich daher keinen Machtblöcken anschließt. Deshalb trat Österreich in die EFTA ein, einen Wirtschaftsblock von neutralen Ländern und nicht in die EWG. Beim Freihandelsabkommen zwischen Österreich und der EWG 1972 gab es dann Bedenken, ob dies nicht dem Art. 4 Abs. 1 des Staatsvertrages widerspricht:

Art. 4: Verbot des Anschlusses

1. Die Alliierten und Assoziierten Mächte erklären, daß eine politische und wirtschaftliche Vereinigung zwischen Österreich und Deutschland verboten ist. Österreich anerkennt voll und ganz seine Verantwortlichketten auf diesem Gebiete und wird keine wie immer geartete politische oder wirtschaftliche Vereinigung mit Deutschland eingehen. (https://www.zaoerv.de/16_1955_56/16_1955_3_4_b_590_2_621_1.pdf [abgerufen 10.12.2023])

Österreich argumentierte damals, dass der Beitritt nicht zu Deutschland erfolge, sondern zu allen Mitgliedstaaten Europas. Damit wurden die Bedenken ausgeräumt.

Im Artikel 2 des Staatsvertrages blieb die Zusammenarbeit mit Deutschland aber weiter klar beschränkt:

Um einer solchen Vereinigung [mit Deutschland ist gemeint] vorzubeugen, wird Österreich keinerlei Vereinbarung mit Deutschland treffen oder irgendeine Handlung setzen oder irgendwelche Maßnahmen treffen, die geeignet wären, unmittelbar oder mittelbar eine politische oder wirtschaftliche Vereinigung mit Deutschland zu fördern oder seine territoriale Unversehrtheit oder politische oder wirtschaftliche Unabhängigkeit zu beeinträchtigen. (Ebd.)

Diese Bestimmung würde gegen eine Beteiligung an Sky Shield sprechen. Allein diese Bestimmung konnte damals bereits als gebrochen angesehen werden. War doch Österreich wirtschaftlich zu diesem Zeitpunkt eng an Deutschland gebunden.

1990 erklärte Österreich dann die militärischen und Luftfahrtbestimmungen (Art. 12-16) des Staatsvertrags für obsolet. (siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Österreichischer_Staatsvertrag#Wesentliche_Punkte_des_Vertrages, [abgerufen 10.12.2023])

Damit fielen auch die wirtschaftliche Einschränkung mit Deutschland sowie die Rüstungsbeschränkungen weg. Österreich kann nun schwere Waffen, auch welche mit einer Reichweite von mehr als 30 km sowohl bauen als auch kaufen und besitzen. Ebenso kann Österreich nun Waffen aus Deutschland kaufen, ohne den Staatsvertrag zu verletzen.

Formaljuristisch gibt es also nun kein Problem, falls Österreich Raketen, Atomwaffen oder was auch immer haben will oder wenn Soldaten fremder Länder in Österreich Militärübungen halten.

Was bleibt ist die Neutralität und die ist, wie gesagt, nicht im Staatsvertrag festgeschrieben. Sie ist ein Versprechen der UdSSR – und der eigenen Bevölkerung gegenüber.

Nun mit Sky Shield schließt sich Österreich einer deutschen Verteidigungsinitiative an. Dies kann – wenn schon nicht als Verletzung des geänderten Staatsvertrages so doch als Verletzung des Neutralitätsgesetz gesehen werden. Zwar nicht wegen des – nun ja erlaubten – Ankauf von Raketen- und Fernwaffen, sondern wegen der de facto Teilnahme an einem Militärbündnis.

Die Neutralität steht nicht im Staatsvertrag – sie wurde im Zusammenhang mit dem Moskauer Memorandum erklärt und war somit Bestandteil der russischen Zustimmung zum Staatsvertrag. Österreich versprach damals, sich nach dem Abschluss des Staatsvertrags als immerwährend neutral zu erklären.

Die Neutralität ist also lediglich ein Versprechen der österreichischen Regierung gegenüber der damaligen UdSSR als Türöffner zum Staatsvertrrag. Dieses Versprechen wurde in Österreich 1955 mit der Proklamation des Bundesgesetz über die Neutralität Österreichs eingelöst. Dieses Gesetz ist kurz und bündig. Es lautet:

Artikel I:

(1) Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mittel aufrechterhalten und verteidigen.

(2) Österreich wird zu Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiet nicht zulassen. (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/0c/Bundesgesetzblatt_(Austria)_1955_1151.jpg [abgerufen am 10.12.2023]; siehe auch gleichlautend: https://www.ris.bka.gv.at/geltendefassung/bundesnormen/10000267/neutralitätsgesetz, fassung vom 19.05.2021.pdf [abgerufen am 10.12.2023])

Dieses Gesetz ist im Verfassungsrang und kann ohne Volksabstimmung und eine parlamentarischen 2/3-Mehrheit bei Anwesenheit von mindesten die Hälfte der Abgeordneten nicht geändert werden. Daher geht die Politik einen anderen Weg: Sie höhlt die Begriffe aus.

Die Formulierung ist im Vertrag nicht sehr detailliert. Es wurde lediglich darauf hingewiesen, dass die Neutralität nach Schweizer Vorbild gehalten werden soll (Artikel II). Dieser Umstand wird von den heutigen Juristen und Politiker so verstanden, dass Österreich die Neutralität nach eigenem Gutdünken auslegen kann. Dass die Neutralitätserklärung die Zusicherung zur Erlangung des Staatsvertrages war, und dass die Art der Neutralität damals allen Verhnandlungspartnern klar war, dass also der „Geist dieses Gesetzes“ das Wesentliche ist und nicht der Wortlaut, das wollen die heutigen Juristen und Politiker so nicht mehr sehen. Es ist ein ähnlicher Vorgang wie bei der Osterweiterung der NATO: Die westlichen Politiker verhalten sich schlitzohrig: Sie geben Versprechen und berufen sich dann aber auf Verträge. Zwischen ehrbaren Menschen gälte auch das Versprechen – dies ist auch bei jedem Kaufvertrag so. In der Politik anscheinend nur, wenn es genehm ist – darum hier die Bezeichnung „schlitzohrig“ da dies das unehrenhafte Verhalten von aus der Zunft ausgeschlossener Gesellen war.

Damit ergibt sich folgendes Bild:

Die militärischen Beschränkungen im Staatsvertrag wurden von der österreichischen Bundesregierung am 20. November 1990 von der mit den Fortführung der Geschäften betrauten Regierung Vranitzky II für obsolet erklärt und dies auch den Signatarstaaten mitgeteilt – nicht aber klar den Österreichern publik gemacht. Formaljuristisc ist dies auch nicht notwendig. Es reicht, wenn die Signatarstaatn informiert werden – und das Parlament war ja informiert (juridisch – also von moralisch-ethischen Sichtweise aus, wäre es so ein Schritt sehr wohl wert, breit diskutiert zu werden).

Österreich darf also nun uneingeschränkt Waffen jeglicher Art kaufen und besitzen. Ebenso darf sie diese Waffen von Lieferanten ohne Einschränkung kaufen – auch von Deutschland. Vermutlich wurde dieser Schritt, den Staatsvertrag zu ändern, schon mit Hinblick auf den EU-Beitritt 1995 unternommen.

Damit wurde aber auch formaljuristisch der Grundstein für die jetzige Aufrüstung im Rahmen des Sky Shield gelegt. Österreich kauft Waffen von einer deutschen Rüstungsinitiative und stationiert sie in Österreich. Formal stehen diese Waffen dann unter österreichischen Oberkommando. Dies ist jedoch lediglich ein Formalakt. De facto muss Sky Shield – sollte es eine wirksame Waffe sein – natürlich unter einheitlichem Oberkommando – in dem Fall unter NATO-Kommando stehen. Vermutlich wird die österreichische Politik in ein paar Jahren mit der Ansage kommen, dass dies im Rahmen der EU und den Rahmenbedingungen von Sky Shield ohnehin immer schon klar war. Die österreichischen UNI-Rechtsgelehrtern werden dem Herrscher (also der jeweiligen Regierung) natürlich Recht geben – das machen diese gelehrten Damen und Herren immer – das war auch schon 1933 so und ist auch jetzt so.

Praktisch ist es aber ein Rechtsbruch was die österreichische Regierung (zumindest aber ein Vertrauensburch) macht. Man könnte zwar sagen, die Regierung und das österreichische Militär begehen diesen Rechtsbruch schon seit geraumer Zeit indem sie die Offiziersausbildung nach NATO-Standard durchführt und die Einheiten des österreichischen Militärs zusammen mit NATO-, deutschen, oder amerikanischen Truppen üben. Aber eine Rechtsdehnung rechtfertigt nicht die nächste. Vor allem dann nicht, wenn sie im Dunklen läuft.

Wie sehr nicht nur der Staatsvertrag inzwischen geändert wurde, sondern auch das was man unter Neutralität zu verstehen hat, kann man auch aus den Worten des grünen Bundespräsidenten van der Bellen entnehmen. Er spricht plötzlich davon, dass Österreich militärisch neutral ist wenn es um die Teilnahme am Ukraine-Krieg geht. Werner Fasslabend geht da noch ein bisschen weiter.

In Österreich erfolgte schon anlässlich des Endes des Kalten Krieges eine Neuinterpretation der Neutralität zu einer „Kernneutraliät“, die sich auf drei Wesensmerkmale beschränkt: keine Teilnahme an einem Schießkrieg, keine Mitgliedschaft in einer Militärallianz und keine permanente fremde Militärbasis auf österreichischen Territorium. (Fasslabend, Werner: Sky Shield & Neutralität, Militär aktuell 3|23, 70)

Das ist eine Auffassung von Neutralität, die ohnedies alles erlaubt: Militärbasen, wenn sie zeitlich begrenzt sind, Teilnahme an einem Wirtschaftskrieg usw.

Hr. Fasslabend kommt daher auch zum messerscharfen Schluss:

Österreich kann an Rüstungsprojekten und militärischen Einsätzen der EU im vollen Umfang teilnehmen … (Ebd.)

Ja – klar: Die EU ist ja eine politische Vereinigung und kein Militärbündnis – und wenn die militärische Einsätze macht, ist das ja kein Schießkrieg sondern eben nur ein militärischer Einsatz. Würde so etwas ein Experte der Russischen Föderation sagen, so würde man den in der Luft zerreißen. Aber in Österreich … naja: Farm der Tiere eben. Da definiert die Elite im Auftrag anderer Eliten ständig alles um, was eigentlich klar ist.

Und da die Legislative vorgibt, was die Exekutive machen muss, hat die Legislative auch die Macht das durchzusetzen – auch wenn es 100 mal ein Bruch von Versprechen, Vertrauen und Recht ist ….

Graz, 11.12.2023, W. Friedhuber

Kommentare	»
  1. als ich seinerzeit in berlin war, sagten mir die preussen die österreicher wären schmnierenkomödianten,ob der obigen analyse der traurigen zustände, kann ich dem nur beipflichten, obwohl die deutsche politik aktuell einem kasperltheater gleicht :-)

    Trackback by kurt strohmaier 12. Dezember 2023 15:48

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