[Brunath] Russland-Iran-Kontakte
Nun scheint sich die Orwell’sche Blockbildung der Mächte zu bilden. Während der Westblock – unter dem Diktat der USA sich abschottet – formiert sich der Ostblock mit den Machtzentren Russland und China.
In den westlichen Medien eher verschwiegen, ist Russland dabei, sich im nahen Osten weiter zu etablieren. Rainer Brunath versucht am Beispiel Russland-Iran einen Analyse
Russland plant gemeinsam mit dem Iran eine langfristige Strategie
Der Sekretär des russischen Sicherheitsrates Patrushev, ehemaliger KGB-Spionageabwehroffizier und langjähriger Mitarbeiter von Präsident Putin, besuchte Präsident Ebrahim Raisi in Teheran und führte ausführliche Gespräche mit Admiral Ali Shamkhani, dem Vertreter des Obersten Führers und Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrates des Iran. Der Besuch markiert einen KO-Schlag gegen die US-Geopolitik und einen entscheidenden Moment in der russisch-iranischen Partnerschaft. Er wird auch ein Wegweiser für den Verlauf des Krieges in der Ukraine sein.
Was war die Vorgeschichte zu dieser sich anbahnenden Entwicklung?
2009 fand im Iran eine Präsidentschaftswahl statt in der Achmadinedschad, der iranische Präsident, wiedergewählt wurde. Ihm wurde aber vorgeworfen, dass er die Beteiligung der Opposition unterdrückt habe und in der Folge gingen Menschen auf die Straße, um gegen den Ausgang zu protestieren. Es kam sogar zu Gewaltausbrüchen und es sah anfangs so aus, als hätte sich ein waschechter Volksaufstand gegen die iranische Regierung gebildet. Doch das war nur scheinbar so. In dieser Bewegung hatten sich Elemente unverfälschter Herkunft eingemischt – Elemente, die den Abgang des Schah bedauerten und immer noch bedauern. So wie nach dem ersten Weltkrieg in Deutschland es noch Menschen gab, die ihren Kaiser Wilhelm wiederhaben wollten. Sie waren und sind heute noch entschiedene Gegner der aktuellen Theokratie in Teheran, deren Protest als durchaus legitim angesehen werden kann. Doch es gab inzwischen noch andere Leute, die sich unters Volk mischten und die eben nicht dieselben legitimen Beweggründe hatten. Es waren Leute, die von ausländischen Geheimdiensten, insbesondere von den US-Diensten, angeworben und geschult wurden, Unruhe zu stiften. Dies war später auch in Syrien zu beobachten. Sogenannte Gemeindegruppen, die mit Smartphones ausgestattet und befähigt wurden, Videomaterial aufzuzeichnen und ins Ausland zu verschicken. Das wurde dann von den Medien verwendet, um ein bestimmtes Narrativ zu propagieren, was aber die tatsächlichen Geschehnisse nicht reflektierte. Doch das Bestreben scheiterte, denn am Ende war die Theokratie weitaus etablierter und stärker – und ihr wurde viel mehr Loyalität entgegengebracht, als vielen Leuten im Westen bekannt oder lieb wäre.
Die heutigen Ereignisse unterscheiden sich nicht sehr von denen im Jahr 2009. Sie gingen von den Frauen aus. Der Auslöser war, dass eine junge Frau von der Polizei in Gewahrsam genommen wurde, weil sie angeblich den Hijab nicht richtig trug. Gerüchte breiteten sich aus, sie sei dort kollabiert und zusammengebrochen und dann kopfüber auf das Gesicht gestürzt, woraufhin man eine Ambulanz gerufen, sie ins Krankenhaus gefahren habe, wo sie für Tod erklärt wurde. Daraus wurde das Gerücht, dass sie in der Polizeiwache totgeprügelt worden sei. Dieses Mal waren es in erster Linie iranische Frauen die, sich auflehnten und zu protestieren. Und wieder infiltrierten Leute, Gegner des Regimes, aber auch gekaufte Elemente, von ausländi-schen Geheimdiensten finanziert. Es wurde übel – viel Gewalt, Tote, weil regierungstreue Menschen ebenfalls auf die Straße gingen. Sie säumten die Stadtstraßen mit einem Meer aus schwarz. Die Frauen trugen den Hijab vorschriftsmäßig, die Männer waren dabei. Und beide Gruppen marschierten, um die Regierung zu unterstützen. Es sieht so aus, dass sie in der Mehrheit waren, was für den Rückhalt für die Regierung tiefgreifender erschien, als der Westen anerkannte. Das Stimmungsbarometer der Massen für die Regierung hat wirtschaftliche und politische Gründe. Der Iran, bzw seine aktuelle Regierung, ist sehr erfolgreich darin, sich ostwärts zu orientieren. Das iranische Nuklearabkommen ist gescheitert, weil Europa und die Vereinigten Staaten es vermasselt haben. Einst kamen Vereinbarungen nur durch das westliche Versprechen zustande, die ökonomi-schen Interaktionen mit Europa zuzulassen. Europa hat aber bewiesen, dass es wirtschaftliche Interaktion nicht begünstigen kann oder will. Das hat viel für den Umschwung der Stimmung im Lande beigetragen. China dagegen packte die Gelegenheit am Schopf und unterzeichnete vergangenes Jahr einen auf 25 Jahre belaufenden Handelsvertrag in Höhe von $400 Milliarden. Russland schloss sich für Energiezwecke soeben mit einem $40 Millionen Deal an. Hinzu kam militärisches Gerät in Multimilliarden-Höhe. Iran ist damit im Camp der trans-eurasischen Gemeinde angekommen. Das bedeutet für sehr viele Menschen im Iran persönliche Lebensperspektive. Das bedeutet auch, die Demonstrationen werden nachlassen – auch weil das Regime gelernt hat, all die Netzwerke, die seit 2009 von ausländischen Nachrichtendiensten geschaffen wurden, aufzudecken und zu zerreißen.
Präsident Ebrahim Raisi in Teheran empfing den Russen Patruschew mit den Worten: „Die Entwicklung des Ausmaßes des Krieges [in der Ukraine] gibt Anlass zur Sorge für alle Länder. […] Daher wollen und werden wir unsere Beziehungen zu Moskau auf eine „strategische“ Ebene heben, was die entschiedenste Antwort auf die Sanktions- und Destabilisierungspolitik der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten ist.“
Die Gespräche in Teheran berührten hochsensible Themen, die Präsident Wladimir Putin veranlassten, kurzfristig mit Präsident Ebrahim Raisi zu telefonieren, wobei eine Reihe aktueller Themen der bilateralen Agenda erörtert wurden – mit Schwerpunkt auf den weiteren Ausbau der Interaktion in Politik, Handel und Wirtschaft, einschließlich Transport und Logistik.
Patrushevs sicherte starke Unterstützung für den Iran angesichts der gegenwärtigen Unruhen zu. Er erklärte: „Wir nehmen die Schlüsselrolle westlicher Geheimdienste bei der Organisation von Massenunruhen im Iran und der anschließenden Verbreitung von Desinformationen über die Lage im Land über persischsprachige westliche Medien zur Kenntnis. Wir sehen dies als offene Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates.“
Die Unterstützung Patrushevs wurde auch schon konkret. So tauschten russische Sicherheits-behörden Informationen über feindselige Aktivitäten westlicher Geheimdienste mit iranischen Kollegen aus . Auf dem Weg hat sich die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheits- und Verteidigungsbehörden Russlands und dem Iran intensiviert.
All dies treibt Washington den Zorn ins Gesicht und Außenamtssprecher Ned Price faselte panisch: „Dies ist eine sich vertiefende Allianz, die die ganze Welt als eine tiefgreifende Bedrohung betrachten sollte … dies ist eine Beziehung, die Auswirkungen haben wird, Auswirkungen über jedes einzelne Land hinaus haben könnte“. Price sagte weiter, Washington werde mit Verbündeten zusammenarbeiten, um den russisch-iranischen Militärbeziehungen entgegenzuwirken. In der Folge erhöhten die US-Streit-kräfte in der westasiatischen Region ihre Alarmstufe und Washington gelobte, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Aber merkwürdigerweise war Riad ungerührt und zeigte kein Interesse an dem US-Schutzangebot, um eine herbeigeredete Bedrohung durch den Iran abzuwehren.
Der Grund dafür: der Saudisch-iranische Normalisierungsprozess, unterstützt vom russischen Außenminister Lawrow, hat eindeutig begonnen und wird durch US-Spielchen nicht unterbrochen werden können. Dieser Paradigmenwechsel kommt Russland zugute. Neben seiner hoch-strategischen Ölallianz mit Saudi-Arabien vertieft Russland nun seine strategische Partnerschaft mit dem Iran.
In Washington ist nun die Panik ausgebrochen, weil Teheran eine gemeinsame Strategie mit Moskau verfolgt, um in die Offensive zu gehen und der Militarisierung der Sanktionen durch den kollektiven Westen zu begegnen. Schlechte Erfahrungen machen klug und so hat trotz jahrzehntelanger Sanktionen der Iran aus eigener Kraft eine Weltklasse-Verteidigungsindustrie aufgebaut.
Neben der Schaffung gemeinsamer Institutionen zum Umgang mit Sanktionen unterstrich Admiral Ali Shamkhani, Iran gebe dem Ausbau der bilateralen und regionalen Zusammenarbeit mit Russland im Wirtschaftsbereich strategische Priorität. So sei „die Schaffung von Transitkapazitäten, insbesondere die rasche Fertigstellung eines Nord-Süd-Korridors, ein wirksamer Schritt zur […] kommerziellen Zusammenarbeit.“
Neben aktuellen Fragen befassten sich Patrushev und Shamkhani mit weiterreichenden Planungen. So z.B. mit der Idee, „eine Freundschaftsgruppe von Verteidigern der Charta der Vereinten Nationen zu gründen“, die Länder umfasse, die die Hauptlast illegaler westlicher Sanktionen trügen. Oder sie erörterten die Möglichkeit der Schaffung einer kompakten Gruppe von fünf Regional-staaten, die an der Stabilisierung Afghanistans beteiligt sein und zusammenarbeiten könnten. Genannt wurden Iran, Pakistan, Indien und China als Partner Russlands. Hintergrund dieses Projektes sind Meldungen, dass dass Großbritannien einen sogenannten „afghanischen Widerstand“ gegen die Taliban finanziere und die USA die Taliban-Führer erpresse, indem sie ihnen mit einem Drohnenangriff drohen, wenn sie die Kontakte zu Russland und China nicht abbrechen.
Patrushevs Besuch in Teheran zum jetzigen Zeitpunkt, kann nur bedeuten, dass der Kreml die Verschleppung und Verschleierung gewisser zarter Friedensstiftungsansätze für die Ukraine durch die Biden-Regierung durchschaut hat, um die Dynamik der russischen Mobilisierung und den Aufbau einer neuen Verteidigung in Richtung Kherson-Zaporozhya-Donbass zu hinter-treiben.
Mit den neuen und erweiterten Kontakten wird der Iran ein „Kraftmultiplikator“ für Russland, wie es kein anderes Land – außer vielleicht China. Dem gegenüber ist es inzwischen kein Geheimnis mehr, dass die USA buchstäblich am Boden des Fasses kratzen, um Waffen in die Ukraine zu liefern, da ihre Bestände versiegen und mehrere Monate oder einige Jahre benötigt werden, um die erschöpften Bestände wieder aufzufüllen. Patruschews Gespräche in Teheran – und kurz darauf Putins Anruf bei Raisi signalisieren, dass Russland eine langfristige Strategie für die Ukraine entwickelt.
29.11.2022, R.Brunath
Kommentar Friedi:
Solche Ereignisse, wie Brunath sie hier schildert, werden, so sie in den westlichen Medien überhaupt gemeldet werden, immer als „Schwäche“ Russlands interpretiert – oder sogar Russland die Kolaboration mit menschenverachtenden Regimen unterstellt. Tatsächlich folgen diese Kontakte aber einem anderen Weltbild als das monopolare US-Weltbild das nur eine Lebensform, nämlich die plurale demokratische mit liberalen Wirtschaftsregeln zu lässt.
Das Weltbild des sich nun formierenden „Ostblocks“ ist aber multipolar. Russland und China als Hegemonialmächte tolerieren andere Systeme – eben auch Theokratien. Die Grenzen der Toleranz sind bei diesen Mächten die innerstaatlichen Ordnung: Aufstände, Widerstände werden radikal bekämpft. Dieses Weltbild ist dem demokratisch-liberalen, das innerstaatliche Oppositionen akzeptiert, dafür aber keine alternativen Staatskonzepte, diametral entgegengesetzt.
Wie am Beispiel China zu sehen ist, ist dieses, innerstaatlich diktatorische System in seinem Produktivkräften den westlichen System überlegen, da innerstaatliche Störfaktkoren – wie Gewerkschaften, Streiks, Lohnforderungen usw. – weitgehend unterdrückt werden.
Damit ist der Konflikt – oder das Ringen der USA (und Europa) um ihre Vormachtstellung erklärlich. Die westliche Welt verliert an Wirtschaftskraft und damit an Einfluss: Produziert wird in China, Rohstoffe kommen aus Russland und Afrika. Gerade die Rohstoff-Frage ist dabei sehr problematisch, da die Quellenländer in der Regierungsform meist nicht dem US-ideal entsprechen und daher anfällig sind, für russische und chinesische tolerantere Agitation. Der Westen versucht nun seinen noch vorhandenen Wirtschaftsmacht (und seine überlegenen Agitatoren und Medien) einzusetzen um die neu erstarkten Machtzentren auszuschalten – die Sanktionen, die Zensuren sind das Mittel dieses Versuches..
Wie Brunath es auch darstellt, sitzt der Westen aber einer Fehleinschätzung auf: Aus der bisherigen westlichen Vormachtstellung – und Überheblichkeit – übersieht der Westen, dass etwa eine Sanktionspolitik unter umständen den multipolaren Ostblock eher stärkt, da nun die wirtschaftliche Verflechtung – und damit Abhängigkeit – des Ostens vom Westen zerstört wird. Aus der friedlichen Partnerschaft der globalen Produktionsmittel unter unterschiedlicher ideologischer Verwaltung werden nun eigenständige Blöcke, die zudem um Rohstoffe „raufen“ müssen. Bei diesem „Raufhandel“ ist aber der neue Ostblock im Vorteil. Sowohl Russland verfügt über große Rohstoffmengen als auch – wie im Beispiel von Brunath – Staaten mit denenen der Ostblock nun Partnerschaften eingeht, während der Westblock versucht den Staaten zuerst seine Ideologie aufzuzwingen oder sie sonst militärisch zu zerstören (wie etwa im Irak oder Libyen).
Die westlichen „Führer*Innen“ währen gut beraten, den Weg des Konfliktes zu verlassen und zu einer kooperativen Wirtschaftswelt zurückzukehren. Es wäre besser für alle Menschen.
die beschreibung wie es zu protesten kommt folgt immer dem gleichen muster. ähnlich war es am maidan oder später nach der wahl im weißrussland, wo die angeblich betrogene opposition wohl auch von ausländischen financiers beflügelt wurde. n.b. aus ähnlichen gründen hat in drastischer weise in ungarn viktor orban das wirken ausländischer ngo’s verbieten lasse, wobei gerüchtehalber immer vorkommt, dass eben solche agierende gruppierungen vom philanthropen soros finanziert werden……………
Trackback by kurt strohmaier 2. Dezember 2022 19:18