[Brunath] Essay: Todesengel der Eskalationspolitik
Der Konflikt Westen vs. Russland, der aktuell in der Ukraine ausgetragen wird, erreicht eine neue Eskalationsstufe. Rainer Brunath versucht eine Reflexion der Vorgänge.
Todesengel der Eskalationspolitik
Zitat von John F. Kennedy:
„Vor allem müssen die Atommächte bei der Verteidigung ihrer eigenen lebenswichtigen Interessen solche Konfrontationen vermeiden, die einen Gegner vor die Wahl stellen, entweder einen demütigenden Rückzug oder einen Atomkrieg zu führen. Ein solcher Kurs im Atomzeitalter wäre nur ein Beweis für den Bankrott unserer Politik – oder für einen kollektiven Todeswunsch für die Welt.“ Aber Kennedy war nicht allein mit seinem Weitblick. Von dem US-amerikanischen Ökonom Jeffrey D. Sachs stammt folgendes Zitat „Es ist dringend notwendig, wieder auf den Entwurf des Friedensabkommens zwischen Russland und der Ukraine von Ende März zurückzugreifen, das auf der Nichterweiterung der NATO beruht. Die heutige angespannte Situation kann leicht außer Kontrolle geraten, wie es in der Vergangenheit schon so oft der Fall war – dieses Mal jedoch mit der Möglichkeit einer nuklearen Katastrophe. Das Überleben der Welt hängt von Besonnenheit, Diplomatie und Kompromissen auf allen Seiten ab.“
Die Appelle sind bisher verpufft, blieben ohne Reaktionen bei der heutigen Politiker-Kabale.
Todesengel an den Schalthebeln
Das mag viele Gründe haben, Inkompetenz zählt sicher dazu. Aber nicht nur. Lakaienhafte Hörigkeit gegenüber den USA ist ebenfalls mit im Spiel – verbunden mit egoistischen Interessen, die zu Handlungen führen, die der Allgemeinheit und dem Frieden nicht dienen. Die Intimität zwischen der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und der Rüstungsindustrie führt unweigerlich zu der Frage: Was hat die persönlich davon?
Früher mussten Politiker, die sich haben erwischen lassen oder die leichtsinnig mit ihrem Amt umgingen zurücktreten bzw wurden ausgetauscht. Das war es dann und alles blieb in der Regel beim Alten. Das aber reicht heute nicht mehr, denn inzwischen geht es um Leben und Tod eines Volkes – und das ist weder übertrieben noch Panikmache. Doch seit dem 25. Februar hat die Bereitschaft im Westens, selbst die einfachsten diplomatischen Ansätze für Frieden in einem Nebel des Grauens verschwinden zu lassen, der sogar die Friedensbewegung spaltete.
Kritiker werden mundtot gemacht
Der Mehrheit der Menschen im Westen, muss klar werden, dass es letztendlich nur darum geht, das Armenhaus Europas, die Ukraine, auszubeuten. Was die Ukraine aber von anderen Ländern unterscheidet, ist seine Funktion als Eskalationsmaschine gegenüber Russland, was es wertvoll macht für die Hybris des Westens. Grenzen für Steigerungsmöglichkeiten scheint es dabei nicht zu geben.
Die Propagandamaschinerie begann mit Corona zu arbeiten, als es hieß: „Da sterben Menschen“. Und auf der gleichen Schiene läuft die Argumentationskette auch im Ukraine-Krieg. Dabei spielt für die Machteliten das Leben der Menschen, wenn es um die Durchsetzung der eigenen Interessen geht, keine Rolle. Aber mit der Entdeckung der Wirksamkeit eines solchen „Arguments“ zu Beginn der Corona-Episode wurde es zu einem omnipräsenten Argument, das keinen Widerspruch duldete. Wer sich gegen Corona-Maßnahmen oder Waffenlieferungen an die Ukraine aussprach und ausspricht, muss sich unverzüglich den Vorwurf des Menschenfeindes gefallen lassen, und wird mundtot gemacht. Große Teile der Gesellschaft akzeptieren oder fordern seit dem 24. Februar sogar dazu auf, Kritker aus der Gemeinschaft faktisch auszuschliessen,.
Rassismus ist das Ergebnis
Die politischen Masken fallen mit solchem Vorgehen und man fragt sich: Was ziehen die „Macher“ noch aus dem Ärmel, denn vor dem 24. Februar, vor der, rückblickend eigentlich vorherzusehenden, Militärischen Operation Russlands, war dieser Rassismus gegen Russen nur schwer vorstellbar. Das hat sich quasi über Nacht geändert, was ein Beleg für die Wirksamkeit von Propaganda ist. Tatsächlich aber starben vor dem 24. Februar im Donbass lange acht Jahre viele Tausend Menschen. Und nicht nur dort. Überall auf der Welt wurden vor dem 24. Februar Kriege geführt mit täglich unzähligen Opfern, Diktaturen und Regime Changes führten zu internationalen Notlagen, die ihresgleichen suchen. Ganz vorn mit dabei stets die USA und ihren Lakaien. Der große Unterschied zu jenen Konflikten und dem Krieg in der Ukraine ist die Wirksamkeit der seit dessen Beginn angeworfenen Propaganda-Maschinerie. Deutlich wird das an der Bereitschaft im Westens abertausende ukrainische Flüchtlinge aufzunehmen, während der gleiche Westen ein paar hundert syrische Flüchtlinge an der Polnisch-Belarussischen Grenze mit Wasserwerfern in den Wald zurückjagte.
So haben die Medien und die Politeliten die Ukraine zu etwas Undenkbaren gemacht: einem Land, in dem alle westlichen Werte verteidigt werden. Kritische Berichte über Korruption dort, kriminelle Oligarchien, faschistoide Tendenzen und deutliche Menschenrechtsverletzungen war vom 24. Februar an Makulatur, nicht vorhanden. In den Redaktionsstuben der „Qualitätsmedien“ wurde alles das zuvor Gewesene „vergessen“.
Damit schichtet sich alles um. Mit dem Ausbruch des Krieges kamen die Todesengel zu Wort. Und sie wurden laut, was sie vorher nicht wagten. Unterstützt durch die USA eskalierte die Rhetorik, dann kamen Forderungen nach Waffen an die Reihe, und inzwischen haben die Falken des Krieges die politische und mediale Dominanz in Deutschland und der EU übernommen. Sie haben es nicht mehr nötig, diplomatisch zu sein. Das geht sogar soweit, dass man die „diplomatischen Ergüsse“ des ukrainischen Botschafters in Deutschland unkommentiert duldet.
Sie müssen gestoppt werden
Der 24. Februar war keine wirkliche Überraschung. Der Donbass wurde seit mehr als acht Jahren von Kiew bombardiert. Das Abkommen Minsk II wurde von Kiew sabotiert auch und besonders von Deutschlands Außenministerin Baerbock. Die Appelle Russlands an die USA, eine weitere Eskalation im Donbass zu verhindern, wurden ignoriert, zuletzt im Dezember 2021. Joe Biden gab eine „Wette“ ab, wann Russland die Ukraine angreifen werde. Und der Beschuss des Donbass durch Kiew nahm vor dem 24. Februar erheblich zu.
Die Reaktion im Westen: keine. Man muss kein Militärexperte sein, um die weiteren Entwicklungen als folgerichtig zu bezeichnen. Faktisch hat der Westen seit Jahren eskaliert und Russland provoziert, durch die Osterweiterungen der NATO, durch wiederholte Verschärfungen von Protestaktionen z.B. durch die Maidan-Proteste, die von den USA in die Wege geleitet und finanziert waren. Der Regime-Change in Kiew hat die USA Milliarden gekostet.
Für die deutsche Bevölkerung ist es wichtig, möglichst flächendeckend zu erkennen, dass die Bundesregierung, selbst große Teile der Opposition und die übergroße Mehrheit der Medien nichts anderes wollen, als an der Eskalationsspirale zu drehen und damit einhergehend der Bevölkerung schweren Schaden zuzufügen. Diese Tatsache sollte eigentlich genügen, um die Sorge der Bevölkerung zu fördern, sich unabhängig und umfassend über geopolitische Zusammenhänge zu informieren.
Wie schon oben angemerkt, ging und geht es nicht um die Ukraine. Es geht um geopolitische Interessen, um wirtschaftliche Aspekte und nicht zuletzt um den Fakt, dass die USA – und damit auch Europa – ein wankender Riese ist, der sich verkalkuliert hat und sich mit allen Mitteln gegen die eigene auf sich zukommende Bedeutungslosigkeit wehrt. Sterbende Imperien ergeben sich nicht einfach ihrem Schicksal, sie wehren sich mit Zähnen und Klauen und nehmen dabei weder auf Freund noch Feind Rücksicht. Noch gefährlicher werden Imperien, die die Hoffnung haben, den Verlust ihren Bedeutung irgendwie abwenden zu können.
Rainer Brunath, 9.10,2022, Hamburg
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