Putin geht weiter den falschen Weg
Es ist offensichtlich, dass die Russische Föderation die Lage der Welt, die Stärke ihrer Streitkräfte und die Situation in der Ukraine falsch eingeschätzt hat. Als Reaktion auf diese Fehleinschätzung geht Putin nun endgültig den Weg der Eskalation. Aber das ist wiederum der falsche Weg.
Jeder kann den Medien entnehmen, dass die russische Militäroperation offensichtlich militärisch nicht so gelaufen ist, wie geplant. Die Gebietsgewinne der ukrainischen Armee in den jüngsten Tagen sind da nur ein abschließender Beleg dafür.
Aber zu glauben, dass Russland damit am Ende ist – oder mit einer Intensivierung des Konfliktes einen Zusammenbruch Russlands herbeiführen zu können, ist ebenso eine Fehleinschätzung. Russland ist nach wie vor eine Atommacht, hat nach wie vor ausreichende Truppen um militärisch operativ zu werden. Ebenso sind die innenpolitischen Kräfte stark genug, um die Russische Föderation stabil zu halten.
Was momentan läuft ist ein Spiel mit dem Feuer – und zwar von beiden Seiten: von Russland und vom Westen. Putin hat dieses Spiel anscheinend endgültig akzeptiert und spielt nun verschärft mit. Er hat anscheinend nun akzeptiert, dass der Westen niemals mit ihm einen für die Russische Föderation akzeptable Konfliktlösung eingehen wird. In dieser Situation tritt Putin die Flucht nach vorne an und arbeitet an der Spaltung der Welt aktiv mit. Der Block China, Russland zusammen mit anderen asiatischen und afrikanischen Staaten bilden einen starken Block an Technologie und Rohstoffen, der gegen den Westen in Positon gebracht wird. Es wird nun an einer – zumindest bipolaren Welt gezimmert – ähnlich wie im kalten Krieg.
Aber die Geschichte wiederholt sich nicht. Die neue Blockbildung hat wesentlich ein größeres existenzielles Bedrohungspotential für alle Menschen auf der Welt, als es der Kalte Krieg hatte. Wir haben inzwischen zusätzlich zu den kulturell verursachten Krisen wie Währungskrise, Verteilungskrise usw. Krisen, die außerhalb der meschlichen Einflusssphäre liegen: Die Naturkatastrophen nehmen zu – und das macht eine gespaltene Welt wesentlich gefährlicher, da die durch die Natur verursachten Katastrophen nur gemeinsam gelöst werden könnten. Ob es der Rohstoffmangel oder Vulkanausbrüche oder Überschwemmungen sind: In einer Welt der Konflikte führt das zu einem Kampf ums Überleben, der die Kriegsgefahr ungeheuer befeuern wird.
So zynisch es daher klingt: Nicht die aktuellen Toten in der Ukraine sind die drohende Katastrophe, sondern die politische Entwicklung. Putin stärkt mit seiner Reaktion – nun einmal unabhängig davon, ob sie irrational ist oder nicht – genau das Narrativ des Westens; und dies von Anfang an und trägt damit zur Spaltung der Welt bei.
So bestätigte der Einmarsch der russischen Truppen die Vorhersagen des westlichen Geheimdienstes – der bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich seine Glaubwürdigkeit schon restlos verloren hatte. Des weiteren zerstörte der Einmarsch – zusammen mit der geschickten Propaganda des Westens – jegliche Sympathie für das russische Narrativ. Vor allem, dass Russland nicht an den Grenzen der abtrünnigen Oblasten halt gemacht hat, stellte Russland als reinen Aggressor dar.
Nun, mit der weiteren militärischen Eskalation Russlands, durch die Ausrufung der Teilmobilmachung und mit der militärischen Drohungen bestätigt Russland einmal mehr die vom westen gesteuerten Narrative. Auch im eigenen Land, also in Russland selbst verstärkt das Vorgehen die Ablehnung der russischen Politik. Putin geht also den Weg, den ihm der Westen vorbereitet hat und vollführt damit genau das, was man ihm unterstellt hat. Er verlässt den friedlichen Weg der Kooperation mit dem Westen, den er jahrelang betrieben hatte und arbeitet mit, an dem US-Szenario einer gespaltenen Welt in der die USA dann die Einheit bringt. Im Glauben, mit China zusammen ein starkes Gegengewicht zu schaffen, geht er den Weg der Eskalation.
Dies ist ein weiterer gravierender Fehler in der jüngeren Politik Russlands, da der Weg der Eskalation immer ein Weg der Zerstörung ist. Zudem destabilisiert Putin mit diesem Weg auch seine eigene Machtbasis.
Natürlich braucht es zur Eskalation immer zwei Seiten. Der Westen als Block hat den Weg der Eskalation ja vorbereitet. Der Westen, bestehend aus USA, Kanada, EU und Australien hat aber gegenüber Russland einen wesentlichen Vorteil in diesem unguten Spiel. Kommt es hart auf hart – also zu einer kriegerischen Auseinandersetzung (die anscheinend von der USA gewollt scheint), so erfolgt diese Auseinandersetzung mit hoher Wahrscheinlichkeit in Europa. Die USA dürfte als Land davon ziemlich unberührt bleiben. In so einem Konflikt würde Europa und Russland großflächig zerstört werden und als Konkurrenten der USA ausfallen – während die USA intakt bliebe. Der Konflikt würde für die USA also das Ziel erreichen: Russland und die EU wird ausgeschaltet.
Warum Putin (und die europäischen RegentInnen) da mitspielt ist – zumindest aus den Nachrichten heraus – nicht erklärbar.
Bei Putin, also für Russland kann man noch das irrationale Argument, wie es einst auch Hitler heranzog, annehmen: Der Glaubem sich wehren zu müssen. Der Glaube, dass eine weitere friedliche Entwicklung Russland in der Existenz bedrohe. Diese Einschätzung und die militärische Reaktion darauf hat bei Deutschland schon zur absoluten Vernichtung geführt – und wird es auch bei Russland tun.
Grund zur Freude haben allerdings dabei auch die russophoben Kräfte in Europa nicht: Sie werden dann entweder tot oder verkrüppelt sein oder zumindest in Ruinen wohnen.
Das einzig sinnvolle wäre: Friede! Den 1990 begonnenen friedlichen Weg weiter zu gehen. Gerade Russland war ja bereit diesen Weg zu gehen. So gab es ja bereits Gespräche, die Russische Föderation in die NATO-Struktur einzubinden. Was diesen Weg behinderte, war der schrankenlose Neoliberalismus, der in Russland zu einem, für die Bevölkerung katastrophalen Oligarchentum geführt hat. Die Gegenbewegung zu dieser für die Menschen untragbaren Entwicklung wurde durch Putin eingeleitet – und führte nun zur Konfliktsituation. Die Diplomatie wäre aufgerufen – und dazu wäre sie ja auch da – dieses Konfliktpotential per Verträge und Abkommen zu beseitigen. Die westliche Diplomatie müsste dazu die Sicherheitsbedürfnisse ernst nehmen und den schrankenlosen westlichen Liberalismus eindämmen. Es müssten Lösungen gefunden werden, die auch Russland und den Staaten in seiner Einflusssphäre seine Selbstbestimmung lässt.
Allen voran die EU müsste Russland eine Konfliktlösung ohne Gesichtsverlust anbieten. Allerdings auch eine Lösung, welche den nun aufgehetzten Ukrainern, Europäern und US-Amerikanern das Gesicht wahren lässt.
Die Lösungsmöglichkeiten wurden ja schon längst diskutiert: Eine neutrale, bewaffnete Ukraine mit autonomen Oblasten.
Dies würde auch die aktuelle Situation der Volksabstimmungen, die vom Westen nicht anerkannt werden beruhigen. Wenn die Diplomatie rasch eine Lösung anbieten würde, welche die Volksabstimmungen nicht gleich von vorneherein ablehnen würde, sondern eine Tür zu autonomen Verwaltungsgebieten im Rahmen der ukrainischen Verwaltung (etwa Modell Südtirol) ermöglichen würde, könnte die Eskalation ev. verhindert werden.
Leider ist aber gerade der Westen unter Führung der USA an einer Eskalation interessiert – und zwar jetzt erst recht, da man meint, die russische militärische Schwäche zu kennen.
Selbst wenn das stimmen würde, dass Russlands militärische Stärke am Boden liegt, sollte man bedenken, dass verwundete Tiere am unberechenbarsten sind. Die ausgestreckte Hand muss also von Seiten des Westens kommen, da der Westen noch nicht direkt mit Leid und Tot in den Konflikt verstrickt ist und so noch eine Option für rationale Vernunft hätte. Geeignet dafür wäre die EU, da sie bei Konfliktverstärkung auch die Leidtragende sein wird – allerdings müsste sie dazu das US-Gängelband abschütteln.
Graz, 23.9.22, W.Friedhuber
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