Ukraine-Russland: Wer ist pathologisch: Der Westen oder der Osten?
Medial wird im Westen Russland und vor allem der Präsident Putin als Art wahnsinniger Despot dargestellt. Selenskij und der Westen hingegen als rationale Akteure, die auf Bedrohungen reagiern. Analysiet man die Sache aber genauer, stellt sich die Frage, welche Seite „pathologisch“ ist.
Der Westen (USA+EU) verhängen eine Wirtschaftssanktion nach der anderen, unter der dann besonders die EU zu leiden hat. Die EU-Politiker treffen eine diskriminierende Aussage nach der nächsten gegen den russischen Präsidenten Vladimir Putin und gegen Russland. Auch die EU scheut sich nicht, Vermögen russischer Personen zu beschlagnahmen – ohne große juristische Verfahren und ohne Nachweis von Straftaten. Normalerweise nennt man das Raub. Es sind Maßnahmen außerhalb jeglicher Rechtstruktur.
Im Gegenzug setzt die russische Regierung Maßnahmen, die für alle Beteiligten die Möglichkeit offen halten, das Gesicht zu wahren. Es wird eben nicht sofort von „Vergeltung“, von „Terrorakt“ oder „Verbrechen gegen die Menschheit“ polemisiert – selbst wenn es berechtigt wäre. Ganz im Gegensatz zu den westlichen Politiker, allen voran Annalena Baerbock, wo medial jede behauptete Menschenrechtsverletzung sofort als bewiesen angesehen wird, wenn es Russland betrifft. Oder wenn die EU etwa medial fordert, den Import russischen Gases wenn schon nicht ganz verbieten, so doch die Lieferung nicht voll zu bezahlen (Preisdeckel) – alles mit der Begründung, Putin, Russland maximal zu schaden! (Wenn dann Russland weniger Gas liefert, mit der Begründung, technische Probleme zu haben, starter das westliche Geheul, wie gemein doch Putin sei.)
Russland hingegen stellt die Gaslieferungen sukzessive ein (was ja eigentlich die westlichen Politiker als Strafe für Russland geplant haben) tut dies aber mit dem Argument, technische Problem zu haben. Dies lässt eine gesichtswahrende Lösung offen. Es ist kein deklarierter böser Akt, sonder eine Folge der Ereignisse im Rahmen der Sanktionen gegen Russland (siehe das Theater des Westen um die Turbinen im Juli ZDF, 4.8.2022).
Der Westen geht also scharf gegen Russland vor – selbst auf Kosten dessen, dass Westeuropa in eine tiefe wirtschaftliche Rezession fällt, während Russland diplomatischer mit dem Westen umgeht.
Es stellt sich damit die Frage: Macht der Westen das aufgrund pathologischer Ängste oder ist die russische Regierung tatsächlich eine so krankhaft böse Riege, dass dieses harte Vorgehen sogar die Zerstörung der Weltwirtschaft und ev. einen ausufernden Krieg in Europa in Kauf genommen werden muss?
Die Frage ist vordergründig einfach zu beantworten: Da stehen sich zwei pathologische Blöcke gegenüber, die wie die Rabauken im Schulhof die Welt beherrschen wollen (Pinki und Brain lässt grüßen). Auch wenn das zutreffen sollte, gibt es aber für diese Haltungen Begründungen, die in der Historie liegen.
So haben gerade die baltischen Staaten eine tiefe Abneigung gegen Russland. Auch in Finnland ist der Winterkrieg 1939-1940 nicht vergessen (siehe Wikipwdia). Polen war ebenso lange von der UdSSR beherrscht und zuvor – zusammen mit der Invasion durch die Truppen des Dritten Reichs 1939 ebenfalls von Russland okkupiert (siehe Wikipedia). Ebenso sei an den Ungarnaufstand und den Prager Frühling erinnert. Es gibt also zahlreiche Ereignisse, welche die tiefsitzende Angst vor Russland und die Aversion gegen Russland als Staat begründen. Besonders deutlich äußert sich das in den baltischen Staaten. Ein litauischer Bürger verlinkte ein Interview mit einem Militärexperten, in dem die Ängste und Begründungen scharf gezeichnet zu erkennen sind (siehe: https://www.watson.ch/!866915019?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE). Nachfolgend schlagwortartige Auszüge aus diesem, als Interview gestalteten Beitrag (wer mit wem sspricht, spielt hier keine Rolle, da es mir nur um die Darlegung der Ängste und Argumente geht).
„Der Krieg wird nicht enden, selbst wenn heute irgendein Waffenstillstand unterzeichnet wird und an der Frontlinie ernstes Schweigen herrscht. Schon heute wird die Energiekrise bis 2025 prognostiziert“.(Watson)
„Nichts wird sich ändern, wenn Putin durch jemand anderen ersetzt wird, was so schnell wie möglich geschehen wird, um vorübergehend Zeit für einen neuen, noch brutaleren Krieg zu gewinnen“.(Watson)
„Vergessen wir nicht, dass der Krieg im Grunde nicht dazu dient, die Ukraine zu erobern, sondern den Westen mit all seiner Demokratie, seinen Freiheiten, seiner Gleichheit und dem Glauben, dass die Welt ein friedlicher Ort zum Leben für alle sein kann, zu zerstören.“(Watson)
„Wenn die Führer der westlichen Länder sagen, dass Russland Gas, Öl und Lebensmittel als Waffen einsetzt und die meisten Länder der Welt in diesen Kampf verwickelt sind, wäre es unserer Meinung nach an der Zeit, es nicht Russlands Krieg in der Ukraine zu nennen, oder noch schlimmer, den Konflikt in der Ukraine, sondern Russlands Krieg gegen die Demokratie und den Westen“. (Watson)
Als „worst-case“ Szenarion für den aktuellen Ukraine-Krieg malt der Experte den Atomwaffeneinsatz in der Ukraine mit nachfolgendem Niedergang Europas und Russlands an die Wand.(siehe Watson)
Als wahrscheinlichstes Szenario sieht der Experte aber eine Verhandlungslösung mit einem Regierungswechsel in Russland:
„Wieder einmal kommen ‹gemässigte› Politiker im Kreml mit Gewalt an die Macht, ein ‹guter Zar›, der Angst vor Putins Verbrechen hat, kündigt Veränderungen an, mehrere Generäle und Leiter von [russischen] Sicherheitsstrukturen werden verhaftet“.(Watson)
«[…] Aber all dies ist eine Vorstellung nach dem vorbereiteten Drehbuch des Systems, um sich neu zu formieren und Zeit zu gewinnen. Dies wurde bereits viele Male getestet, in den Augen des Westens eine weitere ‹Perestroika›.»
Der neue russische Machthaber werde vom Westen begrüsst, skizziert Navys, «es finden Besuche, Treffen und Unterstützungskundgebungen statt».
Die beiden Nord-Stream-Pipelines werden in Betrieb genommen, die Sanktionen werden aufgehoben, Europa badet in billigem Treibstoff, die Litauer klatschen in die Hände, alle machen sich wieder über ‹Russland wird angreifen› lustig“.(Watson)
„Einige Jahre später wird Russland noch stärker und beginnt, nachdem es Europa weiter gespalten hat, dessen Länder (dank der Bemühungen des Kremls) von noch mehr Orbans regiert werden, einen weiteren Krieg. Diesmal direkt gegen den Westen“.(Watson)
Der Experte suggeriert also die einzig mögliche Lösung: Russland so bald wie möglich zu vernichten, da Russland – die russischen Menschen – die Demokratie zerstören wollen – und das werden sie immer wollen.
Annalena Baerbock und andere Transatlantiker beten genau dieses Credo nach. Aus meiner Sicht ist diese Haltung als pathologisch zu bezeichnen und keinesfalls durch historische Ängste zu belegen. Auch die Vergleich mit dem Vorgehen des Dritten Reiches hinken hinten und vorne. Nicht nur bei den direkten Vorgehen sondern auch in den Schlussfolgerungen. Falls das Vorgehen in der politik Hitlers mit den Vorgehen Putins zur Ausweitung des russischen Einflusses verglichen wird, müsste man natürlich auch das deutsche Volk mit dem Russischen vergleicht und eben fordern, dass Deutschland vernichtet werden muss (was ja der Morgenthau-Plan auch vorsah). Tatsächlich ist aber die BRD nun der treueste Vasall der transatlantischen Politik (natürlich kann man auch darüber diskutieren, ob Deutschland nicht vollständig untergegangen und nun nur Rechtsnachfolger ist).
Aber nicht nur, dass Putin und die russische Regierung keinerlei Ähnlichkeiten mit den Aggressionsbestreben des Dritten Reichs zeigen (auch wenn die aktuell westliche Propaganda dies so darstellt), selbst wenn es so wäre: Die Zeit ändert die Politik und man kann aus aktuellen Aggressionen nicht ableiten, dass dies immer so wäre. Wäre das so, so müsste man ohnedies alle Staaten vernichten – Frankreich, Österreich, Preussen, Spanien usw. usw. alle haben sie historisch aggressiv agiert und zählen nun zu den friedlichen Demokratien (im Verhältnis zu dem, was der Experte in seinem Beitrag an die Wand malt).
Sicher ist dieser Bericht eine Extremdarstellung, aber er wird von vielen geglaubt und Dieses Narrativ ist auch die Grundlage der Propaganda in Deutschland und Österreich. Die Propaganda, die Berichtestattung und fast alle Analysen setzen auf dieses Bild auf:
Russland ist sozusagen genetisch aggressiv.
Es wartet nur darauf uns morgen zu überfallen, darum müssen wir Russland heute fertig mache.
Ist schön emotional, ist schön irrational – und es ist politisch höchst gefährlich. Ich stufe diese Haltung als pathologisch, als neurotisch ein, selbst wenn sie von den aktuellen westlichen Experten als vernünftig und notwendig dargestellt wird (das haben Neurotiker so an sich).
Ob pathologisch oder nicht – Deutschland kann ohnedies keine eigenen Entscheidungen fällen – es ist nicht souverän (genau so wenig wie die EU oder Österreich). Europa – allen voran Deutschland muss die strategischen Wünsche der USA erfüllen – unabhängig wie die Menschen die Realität einschätzen. Oskar Lafontaine hat das in der Berliner Zeitung in einem Artikel vom 30.8.2022 klar zum Ausdruck gebracht:
Und die Vorgeschichte des Ukraine-Krieges beginnt mit dem Selbstverständnis der USA, sie seien eine auserwählte Nation mit dem Anspruch, die einzige Weltmacht zu sein und zu bleiben.
Daher müsse die USA alles unternehmen, um das Aufkommen einer anderen Weltmacht zu verhindern. Das gilt nicht nur für China und Russland, sondern ebenso für die EU oder in Zukunft vielleicht für Indien oder andere Staaten. Wenn man diesen Anspruch akzeptiert und gleichzeitig weiß, dass die USA den mit Abstand größten Militärapparat der Welt haben, dann kann man zu dem Schluss kommen, dass es das Beste ist, sich unter die Fittiche dieser einzigen Weltmacht zu flüchten. (Berliner Zeitung, 30.8.2022)
Lafontaine weist aber auch darauf hin, dass dieses Flüchten unter die Fittiche nur dann sinnvoll ist, wenn die „Schutzmacht“ friedlich ist. Ist sie kriegerisch, ist man unter den ersten Opfern.
Hat die Schutzmacht auf dem Territorium ihrer Bündnispartner militärische Einrichtungen, von denen aus sie ihre Kriege führt, dann gefährdet sie mit einer aggressiven Geopolitik nicht nur sich, sondern auch die Bündnispartner. (Berliner Zeitung, 30.8.2022)
Nun hat aber gerade Russland keine militärischen Einrichtungen in Westeuropa – es wäre also logisch sinnvoller, sich vor der militärisch aggressiven NATO oder USA zu fürchten als vor Russland.
Warum also die EU Poliltiker dem pathologischen Angstszenario folgt hat den Grund, dass der (Wirtschafts-)Krieg mit Russland für Europa für die Eliten anscheinend das kleinere Übel ist. Ein Abweichen von der US-Vorgabe, dürfte schwerwiegendere Konsequenzen für uns nach sich ziehen.
Es gibt noch zahlreiche andere irrationale Gründe der handelnden Akteure – etwa die habsburgerische Pan-Europa-Idee oder die Idee der Georgsritter, das Abendland verteidigen zu müssen. All diese obskure Ideen, angefangen von der Angst der baltischen Staaten über die Idee das Abendland zu retten – vermischt mit den Rachedurst und Großmannssucht befeuern die westliche Kriegspropaganda.
Lafontaine weist auch auf einen anderen Umstand hin:
Der Krieg in der Ukraine begann für die große Mehrheit der deutschen Politiker und Journalisten am 24. Februar 2022. Mit dieser Sichtweise, die die komplette Vorgeschichte des Einmarschs der russischen Armee in die Ukraine ausklammert, kann Deutschland keinen Beitrag zum Frieden leisten. (Berliner Zeitung, 30.8.2022)
D.h. das westliche Narrativ begründet die Aggression und die Teilnahme am Krieg gegen Russland mit den potentiell gefährdeten Sicherheitsinteressen baltischer und osteuropäischer Staaten – weist aber auf russischer Seite diese, auf historischen Ereignissen fußende Begründung als unglaubhaft zurück. Die Geschichte Russlands würde eine Angst vor westlicher Aggression wesentlich deutlicher stützen, als die Angst der Osteuropäer vor der russischen. Noch dazu, wo der Warschauer Pakt Geschichte ist, die NATO sich seither aber immer weiter nach Osten ausbreitet. Mit der NATO kommt aber auch das westliche neoliberale System in diese Länder. Die Angst des Kulturverlustes ist also sehr berechtigt. Diese Befürchtung wird vom Westen als unglaubwürdig dargestellt (Obwohl dieser Vorgang in den Zeiten der Perestroika ja direkt zu beobachten war. Das westliche Kulturmodell – der Neoliberalismus – war ja die Grundlage der Ausbildung der Oligarchen im Zuge der Privatisierung).
Allein diese Assymmetrie in der Bewertung der Argumentation entlarvt die westliche Erzählung als pathologisch oder als manipulativ. Hätte der Westen die russischen Sicherheitsbedenken ernster genommen, hätte es den russischen Einmarsch in die Ukraine vermutlich nie gegeben.
Dies weiß mit ziemlicher Sicherheit auch die westliche Führung in der NATO und der USA. Dass dieser westliche Block so vorgegangen ist, wie er vorgegangen ist, zeigt, dass der Konflikt von westlicher Seite gewollt war.
Aus meiner Sicht sind aber in den modernen Zeiten Staatenlenker, die sich mit dem Leben und den Wohlstand so spielen, wie es die Führung in Amerika und in Europa machen, schwer pathologisch – klar: krank! Dies gilt weniger für die USA, die bei diesem Spiel weder groß gefährdet sind, noch schwer d’raufzahlen – aber die Staatenlenker in der EU müssen einen Sparren locker haben, da mitzuspielen.
Zu unserem großen Glück zeigt sich die russische Führung sehr rational. Sie versucht die militärischen Nahziele in der Ukraine zu lukrieren, ansonsten aber möglichst viele Provokationen zu ignorieren. Der Westen rechnet das Russland als Schwäche an – es ist aber bloß rationale Vernunft, keinen umfassenden Krieg vom Zaun zu brechen – auch wenn der Westen das noch so gerne hätte.
Graz, 3.9.2022, W.Friedhuber
nun ja, auch da wird locker die sowjetunion mit russland gleichgesetzt…..
ungarnaufstand, prager frühling, da waren die balten, auch die ukrainer teil der udssr, nicht nur russland…….
im falle ungarns war der generalsekretär des zk der kpdsu der nikita chrustschow, ein politiker mit extremer affinität zur ukraine (schlagwort krim), da er dort aufgewachsen und politisch aktiv war. nina petrowna, die frau vom chrustschow war ukrainerin (eine lemke)……..
nun ja, ein postsowjetischer konflikt wird von der eu, der nato zu einem wirtschaftskrieg (ähnlich wie der jugoslawienkonflikt mit ergebnis einer zersplitterung des staates) ausgebaut……auch mit teilnehmern, wie frankreich, deutschland und großbritannien, die historisch belegt sich mehr als aggressiv russland gegenüber verhalten haben, deren gene wirken aktuell sehr stark und unreflektiert.
beim prager frühling war der generalsekretär des zk der kpdsu also „leader“ der sowjetunion leonid breschnew, ein ukrainer…….. die polnische armee ist in prag miteinmarschiert, ebenfalls eine deutsche armee.
bei der annexion der baltischen staaten und der aufteilung polens war auf seite der sowjetunion der hauptverantwortliche ein georgier………..
Trackback by kurt strohmaier 4. September 2022 20:55
Der Kommentar von 4.September bringt die Problematik auf den Punkt: Geschichte und geschichtliche Argumentationen sind immer Teil einer Interessenspolitik. Es lässt sich aus der Geschichte alles ableiten und auch das Gegenteil. Wie im Kommentar auch richtig dargestellt, erfolgen dabei Zuschreibungen nach belieben: Russische Föderation wird gleichgesetzt mit der UdSSR – daraus wird eine Art „Volksseele“ konstruiert – je nachdem wie es die Propaganda gerade benötigt.
Würde man von der Realität ausgehen, ist die Russische Föderation weit weniger aggressiv als die USA – zudem ist (war) sie bis vor kurzen ein sehr verlässlicher Handelspartner.
Auch unter den aktuellen Sanktionen des Wirtschaftskrieges verhält sich die russische Regierung erstaunlich rational.
Also: Geschichtliche Ereignisse werden zu Propagandazwecke herangezogen – wie im Kommentar so deutlich dargelegt – ableiten lässt sich daraus nicht viel.
Daher komme ich ja auch zu dem Schluss, dass die baltischen Staaten und etlich westliche Kreise rein pathologisch reagieren. Die USA hat beides: Eine Russen-Neurose und ganz reale Weltmachtinteressen. In Europa sollte eigentlich die Vernunft regieren – tut es aber nicht. Leider ….
Trackback by Friedi 5. September 2022 09:55