[Brunath] Konfrontation mit den Bürgern – Antirussische Hysterie und Transatlantizismus
Neben dem Wirtschaftskrieg tobt aktuell auch ein Nachrichenkrieg. Die westliche Alianz kämpft darum, ihre Sicht der Dinge möglichst ungestört in die Bürger einzutrichtern. Das zieht eine Politik nach sich, wie sie aus jedem Krieg bekannt ist: Keine Feindsender! Nur die Information des Wahrheitsministeriums darf verbreitet werden. Rainer Brunath hat darüber ein ausführliches Essay mit Blickpunkt BRD geschrieben.
Essay
Konfrontation mit den Bürgern – Antirussische Hysterie und Transatlantizismus
Schlagworte wie „Hybride Bedrohung, Informationskrieg, russische Propaganda“ sollen vor allem eine Diskussion über das transatlantische Bündnis verhindern.
30.8.2022, Essay von Rainer Brunath
Die verantwortlichen Akteure in der Politik und den großen deutschen Medien basteln wieder mal am „Bredrohungs-Märchen“. Bedroht fühlen sie sich von russischer Propaganda und Desinfor-mation. Alles, was nicht der deutschen regierungsoffiziellen Linie folgt, ist „Fake news“. Punkt. Und weil das so ist, haben die großen deutschen Medien es aufgegeben, die Bundesregierung kritisch zu begleiten. Ihre Aufgabe sehen sie unisono darin, Regierungsentscheidungen der Bevöl-kerung einzutrichtern. Der deutsche Journalist hat den Journalismus leider an den Nagel gehängt.
Aber sie beklagen auch, es sei schwierig, die, wie sie meinen, russische Desinformation vollkommen zu unterdrücken. Trotz immer strengerer Zensur, trotz Verboten russischer Sender gibt es immer noch viele Menschen, die auf russische Propaganda reinfallen und beispielsweise glauben, der Einmarsch russischer Truppen am 24. Februar in die Ukraine habe eine Vorgeschichte und Russland sei nicht einfach nur so aus einer bösen Laune heraus über das Land hergefallen. Dem halten sie entgegen, das sei Verbreitung russischer Desinformation im Dienste des Kreml. Solche abstrusen Verlautbarungen werden von den deutschen Medienvertretern verbreitet und vermutlich zum Teil sogar geglaubt.
Und deshalb müssen deutschsprachige russische Sender und auch russischsprachige russische Sender verboten werden. Gnadenlos, jawoll! Denn es gibt noch etwa 500.000 russischstämmige Menschen in Deutschland die russische Sender in ihrer Muttersprache verfolgen. Das ist eine Gefahr aus ihrer Sicht. Diese verschwindend kleine Minderheit verbreitet die russische Propaganda in ihrem deutschen Freundeskreis, und schwupp, ist der Kreml seinem Ziel der Destabilisierung Deutschlands wieder einen Schritt nähergekommen.
Man könnte darüber mit einem Lachen hinweggehen, ginge davon nicht eine unmittelbare Gefahr für die Demokratie und den Zusammenhalt der Gesellschaft aus. Die deutsche Politik und die großen deutschen Medien sind inzwischen zur größten Bedrohung für das Recht auf freie Meinungsäußerung geworden. Immer häufiger werden aus diesem Kreis auch Forderungen nach Bestrafung für die Verbreitung „falscher“ Meinungen erhoben. Das ist erschreckend und geschichtsblind.
Empathie für den zunehmenden Widerwillen der Bürger Deutschlands gegenüber neuen Sanktions-paketen und weiteren Waffenlieferungen liegt den Damen und Herren in den Regierungsetagen fern. Eher zeichnet sie Gleichgültigkeit für die ausschließlich negativ von den Auswirkungen dieser Politik Betroffen aus – und ordnen den zunehmenden Widerwillen der Menschen in Deutschland wahlweise als russische Einflussnahme oder rechte Gesinnung ein. Gleichzeitig versuchen sie die deutsche Bevölkerung auf umfassende Wohlstandverluste zu überreden und tun Kritik am Sanktionsregime als vom Ausland gesteuert ab. Und unterstellen den Deutschen, sie seien bereit, für die Ukraine einen hohen persönlichen Preis zu zahlen. Ähnlich verhält es sich in Bezug auf die Kritik an der Unterstützung der Ukraine. Bei all jenen, die am friedensstiftenden Sinn von Waffenlieferungen zweifeln, die daran zweifeln, dass die Ukraine in der Weise unschuldig ist, wie es deutsche Politik und große Medien behaupten, dass die Ukraine im Gegenteil schwerste Kriegsverbrechen begeht, bei all jenen kann es sich nur um russische Einflussagenten oder um Opfer russischer Propaganda handeln. Das ist doch Irrsinn! Aber es sieht danach aus, dass ihnen diese Meinungshoheit immer mehr entgleitet. Und das führt bei den großen deutschen Medien und der deutschen Politik zur Paranoia. Überall sehen sie russische Einfluss-nahme. Daran wird auch erkennbar, dass Deutschland weit weniger frei und weit weniger liberal ist, als es von sich selbst annimmt. Nein, eine die ausschließlich deutsche Interessen vertretende Regierung gab es nach dem Ende des zweiten Weltkrieges nicht – außer der Periode unter Willy Brandt, der mit seiner eigenständigen Ostpolitik den Versuch machte. Aber er wurde schnell vom Atlantiker Helmut Schmidt abgelöst, der Deutschland den NATO-Doppelbeschluss und Pershing Atomraketen bescherte – und so soll es weitergehen. Aber das ist bedenklich, denn es deutet darauf hin, dass sich für das Funktionieren von Demokratie zentrale Institutionen faktisch von ihr verab-schiedet haben. Schon der Putsch gegen Willy Brandt war nicht demokratisch – und Willy Brandt war beliebt. Die Frage ist: Warum soll es so weitergehen? Die Antwort ist wenig überraschend: Es geht letztlich um das Festhalten am transatlantischen Bündnis – unter der Hegemonie der USA, die ums Verrecken eine eigenständige deutsche und an den Lebensinteressen der Deutschen ausgerich-tete Politik verhindern wollen. Zitat Habeck: „Mit Deutschland kann ich nichts anfangen“. Die transatlantische Bindung soll aufrechterhalten werden, auch wenn der Preis, den die Deutschen dafür bezahlen müssen, immer höher wird. Und das gleich in zweifacher Hinsicht, sowohl wirtschaftlich als auch im Hinblick auf die Ausübung ihrer Grundrechte, wo sich sich die Bundesbürger einzuschränken haben. Damit tritt das transatlantische Bündnis in seine finale Phase ein.
Die westdeutsche Anbindung an die USA nach dem Zweiten Weltkrieg und zu Beginn des Kalten Krieges war begleitet von wachsendem Wohlstand, welcher auch bis in die 80er-Jahre weitgehend gehalten wurde. Das deutsche Wirtschaftswunder beruhe auf dem Fleiß deutscher Arbeiter ist ein Mythos. Es hat seine Ursache ausschließlich auf der Keynesianischen Wirtschaftspolitik des US-Hegemons. Das allerdings ist jetzt vorbei, denn die USA sind nicht mehr in der Lage, Wachstum in einem Maß so zu generieren, dass auch ihre Satelliten davon profitieren können. So wird es durch Festhalten an der transatlantischen Ausrichtung in Deutschland künftig zu umfassenden Wohlstand-verlusten kommen, die von zunehmenden Protesten begleitet sein werden. Man wird die Alterna-tive zum Abrutschen sehr wohl wahrnehmen: Eurasien und die dortigen aufsteigenden Ökonomien. Wenn jetzt das deutsche Außenministerium und das Wirtschaftsministerium noch erkennen lassen, dass sie bereit sind, zugunsten eines immer fragwürdiger werdenden Bündnisses noch eine zweite Front gegen China zu eröffnen, besteht die Gefahr eines kompletten Absturzes Deutschlands.
Alternativ bräuchte es jetzt dringend einen offenen und breiten gesellschaftlichen Diskurs über den tatsächlichen Wert einer transatlantischen Ausrichtung und Gefolgschaft jenseits von wohlklingenden Floskeln wie Demokratie, Freiheit und Menschenrechte. Denn die Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt kommt eben nicht von außen, von russischer Propaganda oder ausländischer Einflussnahme, sondern aus dem Innern. Sie kommt aus dem Auseinanderklaffen der Interessen zwischen dem politisch-medialen Komplex einerseits und den vitalen Interessen der deutschen Bevölkerung andererseits.
Die antirussische Hysterie der Eliten sowohl in den Regierungssesseln wie auch in den Etagen der regierungskonformen Medien ist Anzeichen dafür, dass man dort wohl spürt, wohin der Hase läuft . Aber ihnen fehlt die Fähigkeit zu erkennen, von wo die Bedrohung für die deutsche Gesellschaft ausgeht. Es ist die ideologische Verkrustung der Eliten in Politik und Medien, ihre Unfähigkeit zur Korrektur des eingeschlagenen Kurses und ihre systemisch bedingte mangelnde Analysefähigkeit, weil man nicht über den Tellerrand schaut. Je länger deutsche Politik und deutsche Medien am Transatlantizismus festhalten, desto zerstöre-rischer wird die Revolte der einfachen Menschen in Deutschland. Das Festhalten am bisherigen Kurs wird die geopolitische Entwicklung im Eurasischen Raum nicht beeinflussen und die Opfer dafür werden umsonst sein. Die deutsche Mittelschicht wird unter der mangelnden Fähigkeit des deutschen politisch-medialen Komplexes, die Zeichen der Zeit zu erkennen und die Weichen entsprechend zu stellen, am meisten leiden. Sie wird abstürzen. Aber jeder, der darauf verweist wird zum russischen Propagandisten erklärt werden.
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Die Situation in Österreich
Die Situation ist nicht nur in der BRD so – auch in Österreich wird diese Art von einseitige Information betrieben – auch vom angeblich objektiven ORF.
Der ORF geht dabei geschickt vor. Alle Meldungen sind sorgfältig geframed. Das heißt, es werden kritisch wirkende Beiträge gebracht, bei denen aber die Wortwahl so ist, dass unterschwellig die gewollte Botschaften übermittelt wirden. Die Beispiele wären zahlreich und können täglich in den Nachrichten und Reporten analysiert werden.
Exemplarisch sei auf die „Dimensionen: Kriegsschauplatz Internet“ (ORF1, 29.8.22) verwiesen. Da beginnt die Diskussionsleiterin Sarah Kriesche gleich als Einleitung mit der Ansage: „Der völkerrechtswidrige Agriffskrieg den Russland gegen die Ukraine führt, findet auch online statt. Laut ukrainischen Angaben waren es allein in den ersten drei Monaten des Krieges mehr als 430 Cyberangriffe ausgeführt von sechs Gruppen aus Russland, die das Land getroffen haben.“
Damit ist eigentlich alles Klar: Die Ukraine meldet; Russland greift an. Damit ist der Gedankenrahmen für den Rest der Sendung in die Köpfe der Rezipienten eingepflanzt.
Diese Meldungen sind nicht falsch – aber sie sind einseitig.
In dieser Art geht es weiter, überhaupt dann, wenn die eingeladenen Experten zu Wort kommen – da geht es dann nicht mehr nur um Cyberangriffe, sondern um Aussagen, dass Russland Falschinformation verbreitet und damit die Bürger im Westen in Angst versetzt.
Dass westlichen Medien, westliche Geheimdienste, dass die ukrainischen Medien Falschinformation verbreiten und medial die Meinung manipulieren – das ist kein Thema. Ein geschicktes Frameing eben, im Dienste der aktuellen Kriegssituation.
Es wird dabei nichts Falsches behauptet – es werden die Fakten nur einseitig dargestellt – und das emotional aufgeladen – etwa wenn Dr. Markus Reisner aus dem Bundesministerium zu Wort kommt, wo er erzählt, wie er mit ukrainischen Offizieren zusammen war, von denen nun auch schon einige im Krieg gefallen sind. Die Frage, was das mit Cybersicherheit zu tun hat, erklärt sich aus meiner Sicht so, dass durch diese kleinen Geschichtchen der Bevölkerung gezeigt wird, wie böse Russland ist und wie autentisch und richtig der Experte mit seinen Aussagen liegt. Gleichzeitig wird die Notwendigkeit von Medienzensuren verständlich gemacht.
Die russische Situation wird durch Frau Susanne Spahn – eine Historikerin – vertreten, wobei sie feststellt, dass Russland eine Außenpolitik mit „Zuckerbrot und Peitsche“ verfolgt und der „Informationskrieg ist dazu da, um die Demokratie anzugreifen“. Kurz: Es wird der Eindruck vermittelt, der Cyberkrieg geht von Russland aus weil Russland eben aggressiv ist, und das von einer Russland-Expertin vermittelt.
Wer also der Sendung folgt hat gelernt: Russland böse; Russland bedroht die Demokratie; Russland greift die westliche Stromversorgung an usw.
Eine objektive Sendung über den Kriegsschauplatz Internet – sähe anders aus – aber der Krieg tobt eben auch in den Medien wie Brunath in seinem Essay beschreibt.
Graz, 31.8.2022, W.Friedhuber
etwas älteres, peter handke hatte ein essay zu serbien geschrieben und wurde darob besonders von den deutschen medien heftigst attackiert, auch weil er meinte diese würden nicht objektiv berichten und a priori einseitig ein feindbild definieren……….
dazu gibt es ein interessantes buch “ thomas deichmann hsg, noch einmal für jugoslawien: peter handke, suhrkamp verlag, frankfurt am main, 1999″, welches haargenau die gleichen mechanismen, die heute gegen russland angewandt werden, für die berichterstattung, die einseitige gegen serbien, aufzeigt.
auch das unreflktierte „geifern“ vermeintlicher intellektueller wurde dabei aufgezeigt, im vergangenen serbischen falle jenes der französischen „starphilosphen“ finkielkraut, lévy, glucksmann…….
ergo ? im westen nichts neues :-)
Trackback by kurt strohmaier 31. August 2022 20:26