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[epicenter.works] Julina H.: Das große Feature zum Prozessende

Bloged in Allgemein by friedi Samstag April 2, 2022

Soll das Urteil etwaige Aufdecker*innen einschüchtern?

Verurteilung von Julian H

[W]enn ihr unseren Newsletter in den letzten Monaten gelesen habt, ist euch sicher das Thema „Julian H.“ sehr vertraut. Nun, zum Ende des Prozesses wollen wir euch abschließend mit einem längeren Feature zum Thema begeistern und auch unsere Gründe nochmal darlegen, warum wir wegen dieses Verfahrens von Beginn an Bedenken heg(t)en und warum es aus unserer Sicht von großer Bedeutung für den Rechtsstaat erachten ist: Es könnte eine abschreckende Wirkung für zukünftige Aufdecker*innen haben.

Im Sommer 2021 bekamen wir hunderte Seiten Dokumente mit Gerichtsunterlagen, Zeugenaussagen und Verfahrensmitschriften zugespielt. Noch vor dem Prozessbeginn gegen Julian H.. Der Inhalt war brisant und es stellte sich beim Lesen immer klarer heraus: die Schritte, die seitens der Behörden gesetzt worden waren, um seiner habhaft zu werden, waren höchst bedenklich. Bereits in den Unterlagen konnte man sehen, dass einige Zeugenaussagen völlig inkonsistent sind. Wir machten uns also an die Arbeit, analysierten, bewerteten und schwärzten die Unterlagen an den entscheidenden Stellen, um die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten zu schützen und schmiedeten eine große Koalition mit 18 anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen, u.a. Amnesty International Österreich, aber auch über die Grenzen Österreichs hinaus. Dies hatte den Zweck, das Verfahren zu begleiten und zukünftigen möglichen Aufdecker*innen und Whistleblower*innen in Österreich ein ähnliches Schicksaal schon im Vorfeld zu ersparen.

Während des Prozesses waren wir zur Beobachtung an jedem der insgesamt sieben Hauptverhandlungstage vor Ort anwesend und konnten so das Verfahren direkt verfolgen. Immer mehr kamen die Probleme des Verfahrens, die wir bei Sichtung der Unterlagen ausgemacht hatten, auch im Prozess zutage. Die völlig überschießenden Ermittlungsmaßnahmen samt Europäischem Haftbefehl sowie das fragwürdige Verhalten eines der Hauptermittler der Soko Tape zeigten, dass es sich wohl um einen größeren Komplex handelte, als vordergründig nun vor Gericht verhandelt wird. Die Causa wirkte immer dubioser bis zur letzten großen Wendung, als wir eigentlich schon ein Urteil erwartet hatten: Die WKStA schaltete sich ein, gegen die Soko Tape, die für die Ermittlungen verantwortlich zeichnete. Sie entzog der Soko Tape nämlich sämtliche Ermittlungsaufträge und forderte alle Unterlagen an. Weiteres heikles Detail: Bereits im Februar leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ein, weil die Richtlinie zum Schutz von Whistleblower*innen nicht fristgerecht umgesetzt wurde.

Wenn es nicht so ein schlechtes Licht auf den Zustand des Rechtsstaates werfen würde, wäre die ganze Story sehr unterhaltsam. Auch der ORF beschäftigte sich mit dem Thema und machte eine interessante Dokumentation aus den Geschehnissen rund um das „Ibizavideo“, dem Fall der Regierung und den Folgen für Julian H. persönlich. Nur leider ist es eben keine ausgedachte, fiktionale Geschichte und das echte Leben aller Beteiligten der Affaire ist heute mehr oder weniger kaputt. Was bleibt ist die implizite Warnung an alle zukünftigen Aufdecker*innen von (politischer) Korruption: „Mach‘ es lieber nicht, du und dein Umfeld werden leiden!“
Mit dem heutigen Urteil erfolgte der bisherige Endpunkt im Prozess gegen Julian H. wegen der ihm angelasteten Delikte des Suchtmittelhandels und Urkundenfälschungen. Julian H. hat im Vorfeld erklärt, er wolle im Falle einer baldige Entlassung aus der Haft erstmal wieder in Ruhe die Natur und seine Freiheit genießen, um sich von der sehr langen Untersuchungshaft zu erholen – sie betrug insgesamt 16 Monate, sowie zuvor rund drei Monate Auslieferungshaft in Deutschland. Auch die lange Dauer der Untersuchungshaft von Julian H. wurde oft und vehement von Menschenrechtler*innen als überschießend kritisiert.

Dazu führende Umstände wurden seitens des Oberlandesgericht (OLG) Wien in seiner Entscheidung über die Beschwerde gegen die anhaltende Inhaftierung gerügt, da hier der geltende Beschleunigungsgrundsatz seitens des Gerichts in St. Pölten nicht eingehalten wurde.

Nun ist ein Urteil gesprochen. Auch wenn es noch nicht rechtskräftig ist, hat es das Zeug für einen ganz großen Skandal – denn der Schöffensenat befand Julian H. für schuldig in allen Anklagepunkten. Dabei stützt sich der Schuldspruch vor allem auf die Hauptbelastungszeug*innen. An manche von ihnen gab es Zahlungen in fünfstelliger Höhe aus dem Umfeld des Glückspielkonzerns „Novomatic“ als Gegenleistung für Informationen. Zudem widersprachen sie sich selbst bzw. einander mehrfach an entscheidenden Stellen, um sich am Ende gegenseitig der Lüge zu bezichtigten. Es wurde ohnehin mehr nicht aufgeklärt als an Vorwürfen bewiesen werden konnte. So steht die Frage im Raum, warum man hier nicht den Rechtsgrundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“, angewendet hat? Die Annahme, der für den Angeklagten günstigeren Tatsache, wenn man keine eindeutigen Beweise vorbringen kann, um die für eine Verurteilung nötige „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“ nachzuweisen.

Vielleicht waren wir also zu optimistisch, als wir dachten, die Justiz würde all die vielen offenen Fragen klären und mit ihrem Urteil ein halbwegs gutes Ende in dieser Causa bringen. Offenbar reicht es aber nicht aus, dass viele der politisch Beteiligten in Sachen „Ibiza“ und dem erweiterten Umfeld schon Geschichte sind. Und es reicht wohl auch nicht, an einigen entscheidenen Stellen die Rechtsstaatlichkeit anzumahnen. Anscheinend ist das Problem noch tiefer verwurzelt, größer und dramatischer, als angenommen. Wir werden also weiter dranbleiben.
ZUM BLOGPOST

SHORT NEWS

Eu-Rat und EU-Parlament haben sich auf Digital Markets Act geeinigt

Diese Woche haben sich der Rat und das Europäsche Parlament zum DMA – Digital Markets Act geeinigt. Die Einigung ist zwar nur vorläufig, aber sie könnte ziemlich große Auswirkungen auf das Internet, wie wir es kennen, haben. Insbesonders sollen die Gatekeeper, also die ganz großen Player, reguliert werden. Beispielsweise sollen Services die Datensätze der User*innen nur noch mit expliziter Zustimmung zusammenführen dürfen. Das würde beispielsweise den Datenaustausch zwischen WhatsApp und Instagram betreffen. Auch die Interoperabilität zwischen Messengerdiensten soll damit sichergestellt werden, dies könnte aber ein Sicherheitsproblem sein. Es ist ein Fortschritt zur Regulierung, aber es bleibt schwierig.

Privacy Shield Nachfolger

Die USA und die EU haben eine Absichtserklärung abgegeben, nun einen Nachfolger für das vom EuGH gekippte Abkommen „Privacy Shield“ zu verhandeln. Das wäre dringend nötig, denn aktuell findet die Datenübertragung im rechtsfreien Raum statt. Das Hauptproblem sind die ungeklärten und weitreichenden Eingriffsmöglichkeiten der US-Geheimdienste. Bereits der Vorläufer, das Safe Harbour Abkommen wurde von Gerichten gekippt. 

Manipupative Webseiten im Netz: User Nudging und Dark Patterns

Manipulatives Design im Netz, sind Technologien, die ursprünglich der Verhaltensökonomie entlehnt sind und uns als App oder Seitenbesucher*innen zu einem gewünschten Verhalten bewegen sollen.
Egal, ob man sich mit dem Thema „Dark Patterns“ oder User-Nudging bereits beschäftigt hat, ist der Artikel von netzpolitik.org eine gute Liste und Übersicht, die sich an dem Themenkomplex „stups mich nicht“ wenn ich im Netz unterwegs bin, abarbeitet. Lesenswert für alle, die wissen wollen, wie frei wir eigentlich im Internet wirklich sind und wie oft unsere Entscheidungen unbemerkt fremdbestimmt sind.

AMS-Algorithmus

Epicenter.works interna: Wir abeiten an einem Projekt zum Thema AMS Algorithmus, das nun in die Endphase geht. Deshalb wollen wir euch heute schon einladen, wenn euch das Thema interessiert oder vielleicht sogar selbst betrifft, mit uns bei unserer Roadshow zu sprechen. Wir fahren mit dem „Stoppt den AMS Algorithmus“-Van vor die AMS Stellen in Oberösterreich und treten in einen direkten Dialog auf den Plätzen. Auftakt wird eine Paneldiskussion in Wien am 28.04.22 sein, die wir auch live streamen werden. Danach sind wir auf Roadshow durch Oberöstereich bis zum 6. Mai. Wir werden auch bei der Veranstaltung zum Tag der Arbeitslosen am 30.04.22 in Linz vor Ort sein. Genauere Details werden wir im nächsten Newsletter nochmal bekannt geben. Bis dahin, schaut gerne schon mal auf die Webseite und zeichnet auch bitte unsere Petition, die einen Stopp des AMS Algorithmus fordert.

https://epicenter.works/

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