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Cuba: „Wirtschaftsreformen“- aber kein großer „politischer Wurf“

Bloged in Allgemein by friedi Dienstag August 7, 2012

Nach einem 10 tägigen Mexico-Aufenthalt und vor „Rio plus 20“ war ich 17 Tage in Havanna. Die GenossInnen der kubanischen Gewerkschaftszentrale CTC hatten für mich ein sehr dichtes politisches Programm zusammengestellt. Die Eindrücke, die ich sammelte und eine -vorsichtige- Analyse, können als eine Annäherung an die Frage dienen, wo die kubanische Revolution heute steht.

Ich referierte mehrmals über „Die internationale Lage und das Wachsen des Rechtsextremismus/Rechtspopulismus “ u.a. bei der CTC, ICAP, der Gesellschaft für die Vereinten Nationen und hatte schließlich ein ausführliches Gespräch mit den Europaverantwortlichen der Internationalen Abteilung im ZK der KP Cubas.
Ich führte darüberhinaus viele Gespräche mit „Leuten auf der Straße“, bei mir im Hotel etc.- ein Betriebsbesuch kam leider nicht zustande.

All das reicht natürlich nicht für eine „umfassende Analyse“, gibt aber doch eine ausreichende Basis für eine erste Beurteilung der Lage her.

WIDERSPRÜCHLICHE EINDRÜCKE

Gegenüber dem Vorjahr -nach der UNO-Umwelt-Konferenz in Cancun war ich zehn Tage in Cuba- konnte ich eine verstärkte Renovierungstätigkeit registrieren. Nicht nur in Havann Vieja, der berühmten Altstadt. Ich wohnte im „Girasol“, in Centro Havanna und an vielen Haüsern in meiner Umgebung wurde gehämmert, genagelt und gestrichen.

Die Versorgungslage scheint sich stabilisiert zu haben. Kenner der Lage sagten mir, daß die Preisniveau-Schere zwischen staatlichen und privaten Anbietern kleiner geworden ist.

Sichtbar ist die Präsenz Chinas- z.B. bei Autos und LKWs. Der Import erfolgt nicht durch Warenaustausch, sondern durch v.a. auf der Basis günstiger Kredite. Das scheint sich auch im Bewußtsein zu reflektieren. Beim Gespräch im ZK wird die „Beseitigung der Armut“ in China ins Treffen geführt. Erst als ich auf die enormen Einkommenunterschiede in China bzw. das Ost-West-Gefälle des wirtschaftlichen Entwicklungsniveaus verweise -ich war 2010 bzw.2011 zu Vorträgen in China-, werden die Dinge relativiert.

Da gerade die Biennale war, konnte ich mich von der Breite der künstlerischen Stilrichtungen überzeugen: etwa bei Installationen auf dem Malecon- also keinerlei Fixierung auf den „sozialistischen Realismus“.

Ich faßte einen starken Durchfall aus. In der staatlichen Apotheke wurde mir sofort gratis das nötige Medikament gegeben- typisch für das öffentliche Gesundheitssystem.

Peinlich ist das Ausmaß der Prostitution- selbst gegenüber dem Vorjahr konnte ich eine Steigerung verzeichnen. Innerhalb kürzester Zeit wurde mehrmals „angesprochen“…

SPANNENDE GESPRÄCHE

Was waren die wichtigsten Ergebnisse meiner Gespräche?

– die „cuenta propria“, also das Wirtschaften auf eigene Rechnung umfaßt rund private 400 000 Betriebe- fast ausschließlich im Dienstleistungsbereich. In den Restaurants/ Gaststätten können bis zu 50 Sesseln aufgestellt werden. Nur im Renovierungsbereich ist auch Produktion von Arbeitsmaterialien möglich.

– in der Gewerkschaft bzw. Partei fragte ich natürlich stets nach der laufenden „Wirtschaftsreform“. Meine Argumention: wenn eine Reformdebatte stattfindet, gibt es natürlich verschiedene Standpunkte, „inhaltliche Kristallisationen“ usw. Offen gesagt, kam da auf meine Fragen wenig zurück. Zugegeben wurde, daß es für die großen Betriebe bislang keine neuen Konzepte gibt( mehr Partizipation von unten, mehr sozialistische Demokratie, etc.). Eine Frau aus Santiago de Cuba , die einem Großbetrieb für den Transport von Brennstoffen arbeitet, bestätigte mir dies an Hand ihrer persönlichen Erfahrungen.

– ich erkundigte mich nach den Möglichkeiten eines gemeinsamen Agierens der fortschrittlichen Kräfte auf der UNO-Konferenz in Rio(„Rio plus 20″). Man sagte mir offen, daß es dazu wenig Voraussetzungen gibt:“ Zu unterschiedlich sind die Positionen der fortschrittlichen Länder und ebenso deren Beziehungen zu den Umwelt-Bewegungen“.

– bei allen Geprächen konnte ich großes Interesse für „Bewegungen“ registrieren- auch wenn diese nicht „lupenrein links“ sind: Sozialforumsbewegung, Occupy, Indignados, etc. Als ich ausführte, wir Linken sollten trotz Schwächen der Bewegungen nicht oberlehrerhaft beiseite stehen, sondern aktiv- wenn auch kritisch- partizipieren, fand dies weitgehende Zustimmung.

– ein echter Hammer war das Kennenlernen von Fabio Grobart. Sein Vater war in 20er-Jahren einer der Gründer der KP Cubas. Fabio wurde -wegen seiner kritischen Haltung schon dreimal aus der Partei ausgeschlossen ( jetzt ist er wieder Mitglied)! Er erzählte mir- in fließendem Deutsch, da er in seiner Jugend in Wien war- von seinen Erfahrungen mit der Bürokratie. Er hatte auch die Anregung gemacht, dem Parteiprogramm eine Art „Präambel“ voranzustellen, wo es sozusagen perspektivisch lang gehen soll. Man signalisierte ihm von der Parteiführung Zustimmung, er griff zur Feder, aber letztendlich verschwand die Präambel…

– viele Jugendliche scheinen ziemlich unpolitisch zu sein. Im Gespräch mit einem jungen Künstler am Malecon, der der Revolution positiv gegenübersteht, wird die Stimmung folgendermaßen charakterisiert: „Viele wollen einfach weg. Florida ist wie ein Mythos“.

AUSBLICK

Ich versuche eine -behutsame- Zusammenfassung: die schwierige Lage des Landes- v. a. durch den Druck und die Blockade des US-Imperialismus bedingt- dauert an. Sollt es Chavez in Venezuela nicht mehr geben, dann wird es noch dramatischer.

In dieser Situation übt sich die „alte Garde“ der Revolution in
Pragmatismus: einige Reformen, die in Richtung „neuer ökonomischer Politik“ (NEP) gehen. Was meines Erachtens fehlt, ist der „große Wurf“ in die Zukunft, der jedoch nach dem Ende der Sowjetunion und der „Volksdemokratien“ in Osteuropa bzw. der Entwicklung eines starken kapitalistischen Sektors in China unerläßlich erscheint. Katastrophismus ist unangebracht. Es gilt jedoch vor allem die Jugend (wieder)zugewinnen. Ich denke -mittel- und langfristig- wird dies nicht mit revolutionärer Rhetorik, Durchhalteparolen und einigen rein ökononomischen Reformen zu machen sein.

Wien, 6.8.2012, Hermann Dworczak (0676/ 972 31 10 )

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