[BRD/OÖ/Graz] 3 Wahlen – 1 Hoffnungsschimmer
Gestern, am 26.9.2021 fanden drei Wahlen statt: In der BRD, in Oberösterreich und in Graz. Das Ergebnis zeigt: Zumindest regional gibt es Hoffnung darauf, die neoliberale Diktatur und ihre Lebenswelt-Zerstörung zu überwinden.
Zwei der Wahltermine waren stark von Personen getragen: Die Wahl in Deutschland und die Wahl in Graz. Ging es in Deutschland darum, wer das kleinere Übel ist, gab es in Graz das Match zwische bürgerlichen Größenwahn und Humanität.
In Oberösterreich scheint sich der mittelmäßige Mainstream alternativlos breit gemacht zu haben. Die Wähler würden sich dort zwar auch ernsthafte Alternativen wünschen, aber es gibt sie eben nicht oder noch nicht.
Die Wahlen in der BRD und in OÖ verdienen es also kaum, näher diskutiert zu werden. Jeder der Verlierer erklärt sich – wie üblich – zum Sieger. Dass die Menschen schon längst etwas anderes wollen, ist den zu den Futtertrögen strömenden ziemlich egal. Sie wissen ja, dass Alternativen kaum in Sicht sind. Der Überraschungserfolg der MFG zeigt zwar, dass die Bevölkerung eine andere Politik will, aber diese Alternativen erst aufgebaut werden müssen. Die GRÜNEn sind dort wie da keine wirkliche Alternative, da ihre Ideologie ziemlich menschenfern ist. Rettet den Baum, den Bären, den Wolf ist für Menschen, die um ihre soziale Existenz bangen kein wirklicher Auftrag. Die Sozialdemokraten haben an in ihrer Politik längst den Kontakt zu ihrer Basis verloren – in Deutschland wie auch in Österreich und es gibt keine Anzeichen, dass die Parteizentralen der Sozialdemokraten – in Deutschland wie auch in Österreich – sich in die Niederungen der prekären Arbeitswelten begeben wollen. In Österreich ist Frau Rendi-Wagner mit ihren Beraterstab da ein exemplarisches Beispiel. Der Wahlerfolg in der Bundesrepublik dürfte allen dem Umstand geschuldet zu sein, dass Olaf Scholz war einfach das vermeintlich kleiner Übel.
BRD
Also für die BRD in Summe kann festgestellt werden, dass der Wählertrend konservativ ist – hin zu den Klassikern – und wenn es die SPD ist, die schon oft enttäuscht hat. Die Alternativen links oder rechts der Mitte verlieren eher. Die Linke hat sich in Deutschland nicht als Alternativkraft etablieren können – genauso wenig wie die AfD.

Hochburgen der Parteien
Allerdings sieht das Regional anders aus. So hat etwa die AfD etwa in Sachsen-Anhalt ein Direktmandat erreicht. Deutschland erscheint grob in vier Zonen geteilt:
Ganz im Norden eine kleine GRÜNE Domäne, ganz im Süden eine breite schwarze und von Osten über nach westen Rot – wobei der südliche Teil des Ostens Blau – ist (Siehe Detaildarstellung der Wahlkreise bei https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-bundestagswahl-sonntag-101.html ). Die offiz8iellen Ergebnisse sind unter https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2021/ergebnisse.html zu finden.
Die Wahlbeteiligung war mit 76,6 % relativ hoch (+4% zu 2017) und die ungültigen Stimmen mit 1,1% relativ niedrig.
Als Wahlmöglichkeit traten fast 50 Gruppierungen an, wovon abe nur 10 eine Stimmenanteil von größer 1% erreichten und nur 7 einen Stimmenanteil von 5% und mehr.

Berücksichtigte Wahlberechtigte
In Summe zeigt sich aber auch hier das Phänomen, dass in den endgültigen Mandatsverteilungen fast 30% der Wahlberechtigten unberücksichtigt bleiben. Die größte Gruppe mit fast 30% sind die in Mandaten nicht vertretenen Wahlberechtigten.
OÖ
In Oberösterreich fanden Landtags-, Gemeinderats- und Bürgermeister- Wahlen statt. In Oberösterreich kann man sagen: More of the same. Ich beziehe mich hier auf die Landtagswahlen und deren Ergebnis. Angetreten sind 11 Parteien. Auch in Oberösterreich war die Wahlbeteiligung mit 76,4% relativ gut aber schlechter als 2015 (81,6% siehe https://wahl.land-oberoesterreich.gv.at/ ). Verloren haben die Freiheitlichen (-10,6%), gewonnen die neue Partei MFG, die aus dem Stand 6,2% schaffte. Alle übrigen Prteien blieben in etwa gleich.

Vertretung der Wahlberechtigten
Von den 11 Parteien sind 6 nun mit Mandaten im Landtag vertreten. Sie repräsentieren fast 3/4 der Bevölkerung. Lediglich 27% der Wahlberechtigten sind nicht vertreten. Würden diese Wählergruppe antreten, wäre sie dennoch die 2. stärkste Partei.
Am Ergebnis ist schon abzuleiten, dass die Zustimmung zu den klassischen Parteien weiter sinkt. Vor allem der SPÖ gelingt es immer weniger die Menschen zeitgerecht zu vertreten – obwohl die SPÖ in OÖ ihren Stimmenanteil halten konnte. Da wir aktuell eine neoliberale Regierung unter Kanzler Kurz haben, sollte eigentlich die SPÖ – vor allem auch wegen der Vorgänge um MAN-Steyr, deutlich zulegen können. Aber die SPÖ hat inzwischen eben andere Schwerpunkte, als die Interessen der Werktätigen und Arbeitslosen zu vertreten.
Graz
Damit komme ich zum einzigen Lichtblick dieses Wahltages: Zur Gemeinderatswahl in Graz. Zuerst der Wermutstropfen: Mit nur 43.8% war die Wahlbeteiligung niedriger als 2017 (57,4%)(siehe. https://www.wahlergebnis.graz.at/?report=ReportResult;district=Graz%20gesamt;party=%C3%96VP;minMax=Absteigend ). Anscheinend haben die meisten Menschen die Hoffnung auf Mitbestimmung durch einen Wahlprozess in Graz bereits aufgegeben. Gerade die Politik des Langzeitbürgermeisters Siegfried Nagl berechtigt sie auch zu diesem fatalistischen Schritt – hatte sich Nagl doch über fast alle Proteste, Petitionen und Mitbestimmungsvorschläge hinweggesetzt. Er hatte nur ein offenes Ohr und eine offene städtische Geldbörse für seine kleinbürgerliche Freunde, Hoteliers, Bauunternehmer und Grundstückspekulanten. Für die wurde fast im Wochentakt irgend ein unsinniges Projekt aufgelegt, von der Stadtseilbahn bis zur Ubahn – Hauptsache teuer und hoher Bauaufwand. Den leidlichen Zentralkanal samt Murkraftwerk drückte er ebenso durch wie den Umbau des Augartens – und sorgte damit für neue Probleme.
Man könnte fast meinen, sein Stadtentwicklungskonzept lautete: Wo gibt es keine Problem – dort machen wir um teures Geld welche. Wobei etliche Projekte doch gestoppt werden konnten – etwa das Olympia-Projekt, oder das Plabutschgondel-Projekt. Aber bei beiden wurden zuvor von Nagl schon Millionen in Projektarbeiten geleitet.
Und damit kommen mir zum erfreulichen Teil: Die Menschen, die noch nicht verzagt haben, haben die humane Alternative gewählt und die KPÖ gewählt, die in Graz mit Elke Kahr einen integeren und volksnahen Menschen als Frontfrau hat.
Wie abgehoben Nagl bereits in seiner Juppie-Welt war, zeigte sich bei seinem Interview als er das Wahlergebnis erfuhr. Der Herr Bürgermeister sagte allen Ernstes, er werde nun „seine helfende und Schützende Hand von Graz zurückziehen“. Das lässt tief blicken!
Aber genau dieser messianische Glaube daran, mit seiner Politik für die Hoteliers und vermeintlichen Eliten hat letztendlich es ermöglicht, dass der Mann abgewählt werden konnte. Nagls ursprüngliches Ziel war es ja, Graz von einer Pensionistenstadt zu einer modernen Stadt zu wandeln. In dieses „Macher-Wesen“ ist er zu tief eingetaucht. Er sah und sieht nicht mehr, dass er den Bogen längst überspannt hat und schon seit Längerem sich von einem wohlmeinenden Modernisierer zu einem bürgerfernen Zerstörer gewandelt hat.
Noch mehr als bei anderen Wahlen, war Nagl Nagls schärfster Gegenr. Elke Kahr ist sozial ausgerichtet, aber das allein hätte nie gereicht, dass selbst bürgerliche Kernwähler die KPÖ wählen würden. Nur war die KPÖ die einzige Partei, die es ermöglichte Nagl zu beseitigen. FPÖ, SPÖ und vielleicht sogar die GRÜNEn hatte vermutlich wieder willfähig mit Nagl koaliert. Darum war eben das Credo der Wahl in Graz: Keine ÖVP und keine FPÖ – und vor allem die ÖVP so schwäächen, dass Nagl keine Zweier-Koalition bilden kann.
Nagl hat es sich mit seiner rücksichtslosen Stadtzerstörung fast mit allen Schichten der Bevölkerung verscherzt. Als nun zum Schluss auch im Stadtkern damit begonnen wurde, die begrünten Innenhöfe zu verbauen, hat er auch die gutbürgerliche Schicht vor den Kopf gestoßwn. Die großflächige Verbauung des Grüngürtels hat schon heftigen Widerstand provoziert – noch dazu, wo die Stadtregierung kaum ein Straßen und Wegekonzept hatte und einfach bauen ließ. Verkehrsanbindung – ein offenes Problem; Besiedelung – ein offenes Problem – einfach Baukubatur in die Wiese stellen, solange es geht – das hat fast alle vergrämt. Darum ist auch fast die ganze – eigentlich bürgerliche – Innenstadt bei der Wahl kommunistisch geworden. Lediglich die Bewohner ganz am Rande der Stadt, die von den Auswüchsen der Crativ-Citty, der Sport-Citty, der Citty of Desigen und was Nagl sonst noch alles im Köcher hatte und hat noch relativ verschont geblieben sind, die haben noch die ÖVP gewählt (Nagl allein ist da nicht der Buhmann. Die Landes-ÖVP ist da ganz tief mit drinnen. Nagl ist da bloß der willfährige Front-Man).
Nagl hat für die künftige Stadtregierung ein hartes Erbe hinterlassen: Viele Schulden und viele Probleme. Angefangen vom Leerstand der Geschäfte bis zum Leerstand der vielen Wohnungen bis zum Feinstaub und dem ungelösten Verkehrsproblem – gerade zu den neu gebauten Stadtviertel. All die teuren Projekt und Events haben tiefe Löcher in der Stadtkasse hinterlassen und das zu einem Zeitpunkt, wo die Infrastruktur für die neuen Viertel erst angeschafft werden muss.
Ich glaube, dass da die KPÖ wirklich die beste Kraft ist, die Stadtzerstörung die Nagl angerichtet hat, erst einmal zu stoppen und die finanziellen Ressourcen so zu lenken, dass die Armut bekämpft wird und nicht wieder die Schotterbarone und Hoteliers mit Geld versorgt werden.

Vertretung durch Parteien
Jedenfalls ist die Wahl der KPÖ in Graz wirklich ein positives Zeugnis für die Demokratie, da sie ein nahezu autoritäres Herrscherkonzept – vor allem der ÖVP – durchbricht und Anlass für Hoffnung gibt. Zudem gibt es in Graz auch keine wirkliche Alternative am linke Sektor: Die SPÖ – einst stärkste Partei in Graz – hat nur mehr ca. 5% – und es ist auch keine Aussicht, dass die SPÖ diesen Kurs verlässt – teils ihrer Bindung an die EU-Politik geschuldet, die ja die Ursache für den fatalen neoliberalen Weg – bis hin zum sinnlosen Bauboom ist.
Schade ist es, um die vielen Splittergruppen (es traten 14 wahlwerbende Parteien an) die der Wahltaktik zum opfer fielen. Schlussendlich mussten, um Nagl weg zu bekommen, möglichst nur Alternativen gestärkt werden, die sicher im Rathaus sitzen – allen voran die KPÖ, da sie der Garant war, nicht mit Nagl zu koalieren. So bekamen 11 der neuen Gruppen kaum Stimmen. Aber ich glaube, der Erfolg, dass Nagl endlich weg ist, ist diesen weiteren Wermutstropfen wert.
Graz, 27.9.2021, W.Friedhuber
ja, bei der ansage vom nagl zu seiner angeblichen schützenden hand, haben sich viele auf den kopf gegriffen.viele sind demnach froh, dass er endlich weg ist………..
zur eingangs erwähnten abgehobenheit der grünen, sei etwa symptomatisches zu erzählen. am sonntägigen „im zentrum“ hat der ehemalige kanzler kern darauf hingewiesen, dass eine klimapolitische wende natürlich mit einem sensiblen umbau der aktuellen industrie vor sich gehen muss und dabei die aktuelle explosion der energipreise erwähnt, die natürlich sehr stark die arbeitende bevölkerung trifft, natürlich auch, besonders in der autoindustrie eine menge arbeitsplätze gefährdet, auch hinsichtlich der konkurrenz aus asien mit anderen prioritäten. die mitdiskutierende frau lunacek ist ihm sofort ins wort gefallen um sofortige radikale maßnahmen „für“ das klima einzufordern. die täglichen probleme der profanen menschen scheinen bei den grünen keine priorität zu finden. radwege, horrende energiepreise (was hängt nicht am strom ?), begrünte hausmauern, und was alles noch, werden das klima auch nicht retten.für gut ein drittel der menschheit stellt sich einfach nur täglich die frage, wie es überleben kann.
Trackback by kurt strohmaier 27. September 2021 20:01
zu den ausfällen von mario eustacchhio und besonders zur schützenden hand vom nagl hat heute der rauscher auf der ersten seite des „standards“ treffendes gesagt.
„der himmel steh den grazern bei ! was werden sie jetzt ohne die schützende und helfende hand von nagl machen ? dieses unreflektierte heilsbringertum, dieser konservative paternalismus speist sich aus den 18 jahren, die nagl bürgermeister war. aber er hat auch etwas mit dem türkisen selbstverständnis zu tun: autoritärer vormund zu sein für die armen unmündigen hascherln von bürgern“.
Trackback by kurt strohmaier 28. September 2021 08:34