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Afghanistan und die problematische Beruteilung der Vorgänge

Bloged in Allgemein by friedi Donnerstag August 19, 2021

Was die Lage und die Vorgänge in Afghanistan so schwer prognostizierbar macht ist: Die Akteure und ihre Motivationen sind nicht klar zu identifizieren und die Hegemonialstruktur der Welt ist im Wandel.

In einer Mail-Diskussionsrunde wurde folgende Analyse erarbeitet:

1.) Der Krieg in und gegen Afghanistan war von Anfang an ein Verbrechen!

Das militärische Vorgehen war von Anfang an Teil des Problems und nie Teil der Lösung.

2.) Die immensen Geldmittel, die geflossen sind, kamen nie bei der Bevölkerung an.

Die westlichen Eliten butterten nur die korrupte politische Führungskaste. Es wurde nichts geordnet aufgebaut, das könnte auch nicht so von oben herab funktionieren.

3.) Die westlichen Militärmächte haben ihre Verbündeten in der Bevölkerung verraten.

Das erklärt auch das rasche Vordringen der Taliban, stellen sie doch eine Gruppe dar, die für Afghanistan eintritt und nicht einfach nach einer Bereicherungswelle wieder verschwindet. Die Taliban stellen somit die einzige sichere Zukunftshoffnung für die meisten armen Menschen dar.

5.) Die Afghanen können nirgendwo hin

Schon zur Zeit der NATO-Truppen mussten sich etwa Schulbetreiber mit den Taliban absprechen, weil die Schulen sonst nicht geschützt werden konnten. Nun sind den Menschen in Afghanistan praktisch alle Möglichkeiten der Landflucht verwehrt (auch in die Nachbarländer). Die Menschen sind also darauf angewiesen, sich mit den Taliban zu verständigen.

6.) Die Taliban versprechen Frieden

Ob sie das Versprechen einlösen werden, wird sich zeigen. Aber nach mehr als 20 Jahren Krieg und Terror ist das Versprechen der Taliban ein Versprechen, das die westliche Besatzungsmacht nie auch nur annähernd versprechen konnte. Auch während der Anwesenheit der NATO-Truppen gab es alle 10 Minuten eine Bombenexplosion – die Truppen konnten die Ruhe im Land nie wirklich herstellen.

7.) Die Hegemonialstruktur der Welt ist im Wandel

Als die USA den Krieg begannen, sahen sie sich als unilaterale Weltpolizei und globale Führungsmacht. Inzwischen ist vor allem China am Erstarken – ebenso Russland. Der unilaterale Führungsanspruch ist für die USA am Wanken. Vor allem das Erstarken Chinas verlagert den Mitteleinsatz der USA in den Pazifik – im Raum Japan-Chinesisches Meer.
Mit dem Afghanistan-Desaster ist die unipolare Vision der USA »eindrucksvoll« untergegangen. Die USA wird vermutlich versuchen, über die Nachbarländer Afghanistans und über wirtschaftliches Zuckerbrot und Peitsche ihren Einfluss aufrecht zu halten – allerdings im Einflussbereich von Russland und China – was diese Strategie problematisch macht.

8.) Im „Westen“ gewann die öffentliche Meinung Wirksamkeit

Die westliche Politik wurde auch deshalb so desaströs geführt, weil die jeweiligen inneren Öffentlichkeiten an Gewicht gewannen. In Europa hinsichtlich der Flüchtlinge, in den USA hinsichtlich eines endlosen Krieges ohne Erfolge. Jetzt ist die »humanitäre« Maske von diesen Gesichtern gerutscht und die westlichen Regierungen werden versuchen, so rasch wie möglich zu »Business as usual« zu kommen – Afghanistan wird dann einfach ausgeblendet nach den ersten, medial verbreiteten Empörungen.
Damit verbleiben den Menschen in Afghanistan wiederum nur die Taliban als relativ stabiler Faktor.

Aber: Die Taliban sind keine homogene Gruppe – und sie sind auch nicht alle bodenständige Afghanen. Auch die Talibanführer sind nicht alle in Afghanistan. Pakistan ist etwa ein wichtiger Akteur – aber auch andere Länder. Einzig dass die Taliban direkt an Afghanistan interessiert sind, macht sie für die Afghanen zu einer vertrauenswürdigeren Gruppe als die Westalliierten – auch wenn das kommende Agieren der Taliban viele Befürchtungen nährt.
Das Versprechen von Frieden, Stabilität und Sicherheit für Afghanistan macht die Taliban vorerst für die meisten Afghanen als Regierung akzeptabel – die Zukunft wird zeigen, ob Afghanistan eine selbstbestimmte Entwicklung nehmen wird.

Graz, 19.8.2021, W.Friedhuber (Zusammenfassung einer Analyse von Martin M. Weinberger); Korr. 19.8.21

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