[Graz] Schafft ein Wahltermin Einsicht in Betonköpfen – oder nur neue Wählertäuschung?
Wie in vielen Städten, so regiert auch in Graz unter Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) die Bodenspekulation und damit die Herrschaft der Beton-Barone. Alles was unverbaut ist, wird zubetoniert – alles was verbaut ist wird verdichtet – auf Teufel komm heraus (siehe dazu http://www.unverwechselbaresgraz.at/ und andere Bürgerinitiativen).
Vor allem der Bürgermeister und seiner ÖVP (sowohl in der Koalition mit den GRÜNEn als auch mit der FPÖ) gelang es bisher propagandistisch ganz gut, jeden Verlust von Grünraum als Zuwachs von Grün zu deklarieren (sein Sprachrohr, die Gratiszeitung derGrazer ist hier hervorzuheben). Wurde wieder ein Acker mit Wohnblöcken vollgestellt, so ließ Nagl irgendwo einen Betontrog mit einem Baum aufstellen und schon war mehr Grün in Graz – weil der Acker ja zuvor landwirtschaftliche Fläche war – und nicht Grünland. Der Betontrog mit Baum zählt aber als sichtbare Vermehrung von Grün in der Stadt.
Allerdings haben immer mehr der Bürger von diesen Tricks mehr als genug. Ganze Stadtviertel wurden inzwischen auf zuvor landwirtschaftlichen Gebieten oder Gartenanlagen gebaut. Die Bauten stehen zum guten Teil leer, weil sie lediglich Kaptialinvestitionen von Versicherungen o.ä. sind. Die Innenstadt weist immer mehr leer stehende Geschäfte auf, weil eben die Baumaßnahmen und die Spekulation die Mietpreise in die Höhe treiben (und das Flair der Stadt zerstören sowie die Infrastruktur auflösen). Der Unmut der Bevölkerung steigt und treibt mehr und mehr Wähler in die Arme von Alternativen zur ÖVP (und zu den Nichtwählern) – allen voran zur KPÖ, die in Graz inzwischen zweitstärkste politische Kraft ist. Nagl und sein Partner verstehen es bisher noch gut, die KPÖ in der Stadtregierung kalt zu stellen.
Nun hat Nagl – gemäß seiner bisherigen Strategie – überraschend wieder Neuwahlen für diesen Spätsommer angekündigt. Ein guter Schachzug für ihn – hat er doch die Meisten – auch seinen Koalitionspartner FPÖ damit völlig überrascht (lediglich die GRÜNEn führen seit geraumer Zeit schon Wahlkampf).
Aber immer mehr der Bürger nehmen den Bürgermeister seine Stadtzerstörung übel und damit droht die Gefahr, dass ev. die KPÖ weiter gestärkt wird. Vermutlich ist sich Nagl aber relativ sicher, dass entweder die FPÖ oder sonst die SPÖ weiter seinen Betonplan folgen werden und gerne mit ihm koalieren wollen. Der Wahlsieg für die ÖVP scheint somit eigentlich leider ohnedies wieder sicher.
Aber ev. kann der Traum von der Alleinregierung der ÖVP verwirklicht werden: So zeigt sich nun der Freund der Schotterbarone kurz vor der Wahl einsichtig. Nun nützt plötzlich der Bürgermeister die stagnierenden Wohnungsnachfrage zu einer „Verschnaufpause“ (Kleine Zeitung, 21.Juli 2021, S. 22f.) beim Betonieren und will eine Leerstandserhebung durchführen lassen (ebd.).
Was KPÖ und Bürgerinitiativen seit langem fordern kommt nun von Bürgermeister Nagl himself. Was bisher abgeschmettert, hinter Wachstumsphrasen versteckt wurde, ist nun vor der Wahl plötzlich auch im Rhetorik-Repertoire der ÖVP-Spekulanten. Wahlen machen es möglich, dass Herrschaft plötzlich Volkssprache spricht.
So wie ich Bürgermeister Nagl einschätze, lässt er nach der Wahl die Bagger in Graz weiter wüten – und so wie ich die Grazerinnen und Grazer einschätze, werden sie den Schalmeienklänge der ÖVP wieder auf den Leim gehen – im Bund und Land und Stadt.
Graz, 24.7.2021, W.Friedhuber
die analyse ist vollkommen richtig, jedoch erlaube ich mir als wetzelsdorfer, wo ebenfalls die totale zubetonierung läuft etwas merkwürdiges festzustellen.
bei den letzten wahlen hat der nagl in diesem ursprünglich proletarischen bezirk 5% an stimmen dazugewonnen. das ist wohl dem zuzug jener geschuldet, die sich solche neubauwohnungen leisten können………n.b. 5 % auf kosten der kpö !!!!!!!!!!!
somit scheint das zubetonieren teil einer multiplen wahlstrategie zu sein !
Trackback by kurt strohmaier 24. Juli 2021 18:52