ÖH-Wahlen – oder wie die Demokratie demokratisch abgeschafft wird
Die ÖH-Wahlen in Österreich sind vorbei. Die Stimmenmehrheit hat der VSStÖ erhalten – also alles OK? Formal ja – inhaltlich: NaJa – bis Katastrophe.
Die „traditionell“ niedrige Wahlbeteiligung ist heuer auf einen vorläufigen Tiefststand von 15,7 % gefallen (siehe:https://wahlergebnisse2021.oeh.ac.at/#uni0 ). Da sind noch die 1.171 ungültigen Stimmen enthalten – gültig waren nur 15,4%. Nur 15,4 % der Studierenden sind im Ergebnis vertreten. 84,6% der Studierenden sind in dem Wahlergebnis überhaupt nicht berücksichtigt. Wie anders sieht doch das Tortendiagramm aus, das von den Stimmberechtigten ausgeht, anstelle der gültigen Stimmen.
Das bedeutet, dass der Gewinner der Wahl, die VSStÖ gerade einmal 3,8% der Studenten vertritt.

Wahlergebnis
Interessant ist auch, dass die Gruppe der bisherigen Mehrheit in der Vertretung, die ÖVP-nahe AG, nun plötzlich, nach Verlust ihrer Mehrheit in der Vertretung die Legitimitätsfrage stellt. Waren doch sie es, zusammen mit der FP-nahen RFS, die immer argumentiert haben, die, die nicht zu Wahl gehen, seine eben nicht interessiert.
Sehr bedenklich ist diese Wahl in ihren sozio-politischen Implikationen.
Die niedrige Wahlbeteiligung auf Corona zu schieben ist vermutlich der Weg, um sich den sozio-politischen Anzeichen nicht stellen zu müssen.
Macht man es sich nicht so einfach, so ist in dem Ergebnis eventuell auch der „Erfolg“ der Demokratieaushölung durch Leistungszwang und UNI-Privatisierung zu sehen.
Die ÖH wird zur reinen Service-Stelle für Karriere-Wünsche degradiert. Alle bildungspolitischen Implikationen werden ausgeblendet. Mitsprache, soziale Randbedingungen, Demokrati, Kritikfähigkeit – all das wird vom UNI-Leben immer mehr ausgeschlossen: Prüfungsmaraton, Leistungseffizienz, Folgsamkeit – das sind die Signale die UNI und Regierung an die Bildungswilligen übermitteln.
Wen wundert es da, dass die Studierenden auf die alibihalber abgehaltenen Wahlen pfeifen? Eine Studentevertreterschaft, die sich um die Belangen der Studierenden nicht mehr kümmern kann, weil sie entmachte ist. Auch Demonstrationen nützen nichts mehr. Von oben her wird bestimmt – und aus.
In die politischen Studierendenvertretungen gehen vermehrt nur mehr die, die sich über Parteihirarchien einen Aufstieg erwarten. Einige wenige gehen noch in die Fachschaftslisten. Dort ziehen sich auf Serviceleistungen zurück. Der Rest der Studierenden bleibt demokratisch frustriert sowohl den ÖH-Gremien als auch der Wahl fern.
Man mag das als eine harmlose Zeiterscheinung einstufen. Aber wenn man sich vor Augen führt, dass hier die geistige Elite eines Landes auf diese Weise sozialisiert wird, so lässt dies Schlimmes befürchten: Karrieristinnen und Karrieristen – mit hoher Sachkompetenz und niedriger Reflexions- und Kritikfähigkeit bilden dann den vielgeliebte „Output“; Technokraten im schlimmen Sinn des Wortes.
Aber die unter angloamerikanischer Ägide stehende EU will es so: Leistungswillige, in der Ausbildung kosteneffiziente, englisch-sprachige Experten – das braucht eine selbstherrliche politische Führung, deren Nachwuchs auf den UNIs einen immer engeren Horizont bekommt.
Es hatte früher schon einen Sinn, warum man die Ausbildung auf die Hochschulen beschränkt hatte. Hochschulen als Ausbildung für fachkompetente Spezialisten, Universität als reflektierende, philosophische Bildungsstätte.
Ich hoffe also, dass diese höchst bedenkliche Wahlbeteiligung der Corona-Pandemie geschuldet ist und nicht das von mir vermutete Zeichen der Fortsetzung eines Abbaus der Demokratie auch in den höchsten Bildungsstätten des Landes ist.
Graz, 25.5.2021, W.Friedhuber
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