Das Problem im deutschsprachigen Raum: Die „unten“ glaube immer noch an die „da oben“
In Österreich wird es den Menschen aktuell durch die Regierung Kurz ganz klar vor Augen geführt: Die „oben“ sind nur für die „da oben“ da – allein: Die Mehrheit macht die Augen zu.
Wie schon in der Vergangenheit wollen die Menschen glauben, dass eine „höhere Macht“ für ihre Interessen eintritt. Der Kaiser oder der Führer oder die Gewerkschaft usw., die hätten einen Blick auf das allgemeine Wohl und nicht nur auf die eigene Tasche, so glauben viele noch immer.
Sie haben nicht begriffen, dass in der modernen Demokratie nach angloamerikanischem Muster sie selbst „die da oben“ sind. In angloamerikanischen Demokratien schließen sich Interessensgruppen parlamentarisch zusammen und nicht abstrakte, am Allgemeinwohl orientierte Ideologien (näheres ist etwa bei Ernst Fraenkel nachzulesen).
Unter dem Einfluss des Neoliberalismus bekommen die wohlhabende Oberschicht immer mehr Einfluss auf die Regierung. Die Regierung – auch in Österreich – vertritt immer mehr nur die Interessen der Oberschicht. Die Gesellschaft beginnt sich immer mehr in feudalistischer Weise zu spalten: Ein Teil realisiert die Veränderung und nutzt sie zu ihrem Vorteil – die politische Führungsschicht – allen voran die türkise Jung-ÖVP und die Industriellenvereinigung – und ein anderer Teil – die Mehrheit, die immer mehr ihre Mitsprache verliert. Diese Mehrheit hofft immer noch auf ihre Vertreter in den Institutionen – die aber schon längst eigene Schwerpunkte setzen.
Die Daten und die Nachrichten sprechen zwar eine klare Sprache – vor allem für die lohnabhängigen Schichten – allein es gelingt den Profiteuren in ihren institutionalisierten Ämtern über ihre Mediendominanz weiter das Bild einer allgemein fürsorglichen Regierung zu verbreiten. Es gibt diese fürsorgliche Regierung für alle aber schon länger nicht mehr. Die Regierung Kurz ist nun die vorläufige Spitze einer neoliberalen Regierungsströmung, die bereits in den 1980er Jahren in der letzten Regierungsperiode Kreisky begann und unter Vranitzky und Klima fortgesetzt wurde. Mit Schüssel, ab dem Jahr 2000, war der Weg, den nun Kurz geht, voll eingeschlagen.
Deutlich sieht man diese Kontinuität des Niedergangs der Einkommensbasis der Lohnabhängigen anhand der Arbeitslosenzahlen:

Arbeitslosigkeit in Österreich
Es ist zu shehen, dass ca. ab 1980 die Arbeitslosigkeit zwar schwankt, aber kontinuierlich steigt. Dies ist kein Effekt der Corona-Krise, sondern eine Folge der Privatisierung und Globalisierung sowie der fortschreitenden Automatisierung und Industrieabwanderung. Der Trend dürfte sich so auch fortsetzen. Die EU mit ihren Regeln fördert diesen Verlauf. Es wird also für die arbeitslos gemachten Menschen weiterhin keine ausreichende Anzahl von existenzsichernden Arbeitsplätze geben.
Einige Menschen – etwa die Riege um die Wirtschaftstreibenden – etwa Industriellenverband usw. – haben diesen Trend klar erkannt. Sie nehmen Einfluss auf die Regierung oder bilden sie sogar, um für ihre Betriebe noch zu holen, was zu holen ist – und zwar aus den Sozialtöpfen. Euphemistisch wird dieser „Raub“ als Senkung der Lohnnebenkosten, als Effizienzsteigerung der Institutionen usw. propagandistisch vermarktet.
Auch jüngst ist dieser Vorgang in den Statistiken und in den Aussagen von Exponenten klar zu sehen. Die dramatische Zunahme der Langzeitarbeitslosen ist kein Effekt der Corona-Krise, er begann schon 2015.

Zunahme der Langzeitarbeitslosigkeit
Gleichzeitig mit dieser, für die Lohnabhängigen bedrohlichen Entwicklung auf dem sogenannten „Arbeitsmarkt“ werden von den Regenten die Sozialnetze ausgedünnt. Auch dies ist in öffentlichen Statistiken klar erkennbar.

Leistungsbezug ALG und Notstandshilfe
Obwohl diese Statistik für das Jahr 2020 nit 203.132 Arbeitslosengeldbezieher wesentlich zu gering scheint (es waren grob 500.000 Arbeitslose) ist zu erkennen, dass trotz der dramatischen Zunahme der Leistungsbezieher im Verhältnis zu 2016 die Auszahlungssumme nicht im gleichen Verhältnis gestiegen ist. Ganz deutlich ist dies bei der Notstandshilfe zu sehen, deren Auszahlungssumme im Verhältnis zu 2016 sogar gesunken ist.
Die sozial Bedürftigen werden also zur Stabilisierung der Wirtschaft zur Kasse gebeten – bei gleichzeitiger Inflation von 1,5 – 2% pro Jahr und Mietpreissteigerungen um die 5%!
Während die sogenannten „Oberen“ diese Zahlen klar realisiert haben und eben noch holen, was zu holen ist, scheinen die „unteren Schichten“ immer noch zu glauben, es würde irgendwer, Gewerkschaft, AK oder SPÖ oder sonstwer für sie eintreten. Der klare Trend der Zahlen und die klaren Signale der Politik werden ignoriert. Da kann etwa der aktuelle Arbeitsminister Hr. Kocher im Presseartikel vom 18.3.2021 davon reden, dass ein degressives Arbeitslosengeld „einen großen Anreiz, sich rasch eine neue Arbeit zu suchen“ sei. Die staatsnahen Instituionen, wie etwa das IHS, sind ebenfall dieser Ansicht. „Der Anreiz, lang arbeitslos zu bleiben, sei geringer, wenn die Ersatzrate […] niedriger sei, sagt Arbeitsmarktexperte Helmut Hofer“ (Die Presse, 18. März 2021).
Obwohl diese Fakten in Tageszeitungen, von Ministern und staatsnahen Beratungsinstitute publiziert werden, wachen die von arbeitslosigkeit betroffenen Menschen nicht auf. Sie werden sich anscheinend noch nicht bewusst, dass sie, zusammen mit den prekär beschäftigten, den Notstandshilfebeziehren, den Kurzarbeitern und den Menschen die in den Statistiken nicht einmal aufscheinen, weit über eine Million wären und eine politische Kraft wären, welche die Wirtschaftslobby im Parlament (also die Regierung) zu einer Änderung der Politik bewegen könnte. Wenn diese Menschen nämlich aufhören, etwa ÖVP zu wählen, müsste sich ev. auch Herr Kurz beim AMS anstellen.
Die Lohnabhängigen wären gut beraten, sich rasch dieser politischen Macht bewusst zu werden, da für sie die Arbeitsplätze immer rarer werden. Die Automatisierung schreitet voran – Stichwort Industrie 4.0 – sodass für die Mehrzahl der Menschen nur mehr Stellen als Bedienpersonal, Altenpfleger oder Pizzabote übrig bleiben. Die exisenzsichernden Industriearbeitsplätze werden eben zunehmend weniger. Einerseits durch Abwanderung der Industrie und anderseits durch Automatisierung. Die Automatisierung wird auch Bereiche betreffen, die viele noch nicht realisiert haben: Lastwagenfahrer, Busfahrer, Rechtsanwaltsgehilfen und medizinisches Personal.
Schon jetzt zeigt die Statistik der Arbeitsverhältnisse dass für die etwa 400.000 Arbeitslosen nur für jeden 10 überhaupt ein Arbeitsplatz vorhanden ist. Die in den Instituten angestellten Fachleute – etwa im IHS – sehen darin kein wesentliches Problem: Es wird halt in nächster Zeit die Sockelarbeitslosigkeit ansteigen.
Das ist eben die zynische Welt der gut bezahlten Fachleute, die eigentlich dafür angestellt wären, solchen Erscheinugen frühzeitig entgegenzusteuern. Aber es wird, wie die aktuelle Regierung zeigt, eine Politik betrieben, welche die sogenannten Leistungsträger unterstützt . Die übrigen müssen den Gürtel halt enger schnallen – vor allem die in der „Dauer-Sockelarbeitslosigkeit“. Sie fallen auf die Stufe von Tagelöhnern und Wanderarbeiter zurück – und das nur, wenn sie Glück haben.
Graz, 4.4.2021, W.Friedhuber
da der friedi amerikanische zustände erwähnt und vor kurzem der vegötterte hugo portisch, der ja journalistisch in den usa indoktriniert wurde (wen wundert dabei der resultierende und unreflektierte amerikakult der medien?), verstorben ist, erlaube ich mir auf ein uraltes buch hinzuweisen, zu den zuständen in den usa, die sich wohl kaum verändert haben.
reinhard lettau, täglicher faschismus, amerikanische evidenz aus 6 monaten,rowohlt, reinbeck bei hamburg,1973.
wie trostlos amerika aussehen kann, erfühlt man im roadmovie von aki kaurismäki „leningrad cowboys go amerika“. da die eu us-amerikanische zustände vehement anstrebt, so wäre eine analyse ebenfals durch aki kaurismäki seinerzeitger alltagszustände im jetzigen eu-musterstaat finnland von interesse, „die proletarier trilogie“.
ja, das profane volk sollte sich sammeln und agieren bevor die knills und kochers den sack der „asozialisierung“ endgültig zumachen !!!!!!!!!!!
Trackback by kurt strohmaier 6. April 2021 15:11
Krise ließ Beschäftigung in Dienstleistungsbranche sinken
Die Pandemie hat die Handels- und die Dienstleistungsbranche im Jahr 2020 hart getroffen. Die Zahl der Beschäftigten sank im Dienstleistungsbereich um 7,3 Prozent und im Handel um 1,7 Prozent, wie die Statistik Austria heute mitteilte. Die geleisteten Arbeitsstunden gingen coronavirusbedingt im Handel um 9,9 Prozent und im Dienstleistungsbereich um 19,3 Prozent zurück.
Rückläufig waren im Jahr 2020 auch die Bruttolöhne und -gehälter im Vergleich zum Jahr davor, im Handel um 1,3 Prozent und im Dienstleistungsbereich um 4,3 Prozent.
Die teils erheblichen Rückgänge im Vergleich zum Jahr davor seien vor allem auf die behördlichen Unternehmensschließungen im Frühjahr und Herbst sowie auf die Kurzarbeitsregeln im Zuge der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zurückzuführen, so die Statistik Austria.
red, ORF.at/Agenturen
Notdurft-Tweet: Amazon entschuldigt sich bei US-Abgeordnetem
Der weltgrößte Onlinehändler Amazon hat sich nach einer Twitter-Auseinandersetzung darüber, wo und wie Beschäftigte ihre Notdurft verrichten, bei einem US-Abgeordneten entschuldigt. Am Osterwochenende räumte der Konzern von Multimilliardär Jeff Bezos in einer Mitteilung ein, dass Lieferfahrerinnen und Lieferfahrer mitunter keine Toiletten fänden und bestätigte somit erstmals Berichte, wonach Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter hohem Zeitdruck im stressigen Arbeitsalltag in Flaschen urinieren.
„Eigentor“
Dass das zunächst über einen offiziellen Twitter-Account von Amazon abgestritten wurde, sei ein „Eigentor“ gewesen. Der Konflikt hatte vorletzte Woche mit einem kritischen Tweet des Abgeordneten Marc Pocan von der demokratischen Partei begonnen: „Mitarbeitern 15 Dollar Stundenlohn zu zahlen, macht einen nicht zu einem ‚fortschrittlichen Arbeitsplatz‘, wenn man gegen Gewerkschaften vorgeht und Beschäftigte in Wasserflaschen urinieren.“ Amazon hatte zunächst in ungewöhnlich scharfem Ton bei Twitter gekontert: „Sie glauben nicht wirklich die Sache mit dem Pinkeln in Flaschen?“ Und weiter: „Wenn das wahr wäre, würde niemand für uns arbeiten.“
„Wir entschuldigen uns beim Abgeordneten Pocan“
Nun zeigte sich der Bezos-Konzern zwar einsichtig: „Wir entschuldigen uns beim Abgeordneten Pocan.“ Eine Entschuldigung an die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter enthält das Statement zwar nicht, allerdings kündigte Amazon an, das Problem in Angriff nehmen zu wollen. „Wir wissen bisher noch nicht wie, aber wir werden nach Lösungen suchen.“ Das Unternehmen betonte jedoch auch, dass es sich um ein branchenweites Problem handle, das sich nicht auf Amazon beschränke und sich durch die Schließung öffentlicher WCs in der CoV-Krise verschärft habe.
Amazon war in den vergangenen Wochen sogar noch stärker unter Druck geraten. Kurz nach dem Disput mit dem Politiker Pocan hatte das Investigativportal „The Intercept“ geleakte Dokumente einer Amazon-Logistics-Managerin veröffentlicht, in denen unter anderem klargestellt wird, dass keine Sackerln mit „menschlichen Fäkalien“ in den Lieferzentren geduldet werden. Amazon äußerte sich dazu auf Nachfrage zunächst nicht und ging auch in der aktuellen Stellungnahme nicht darauf ein. Die Arbeitsbedingungen des Konzerns standen zuletzt besonders stark im Fokus, da durch eine Abstimmung in Alabama erstmals eine US-Gewerkschaft bei Amazon Einzug erhalten könnte.
red, ORF.at/Agenturen
Trackback by kurt strohmaier 6. April 2021 15:22