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Bericht Workshop 20.4.2012, Teil 2: Aktuelle Revolutionen

Bloged in Revolutionen by friedi Sonntag Mai 6, 2012

Thema: Revolution und Gesellschaftskonzepte

Systemwechsel: Wie und wohin?
Diskussionsveranstaltung am 20.4.2012 in Graz
Zusammenfassung der Workshop-Beiträge: Wolfgang F.

2. Teil von 3: Aktuelle Revolutionen:

(Referent: Johann S.)

Empfehlenswerte Schriften zum Thema: Salma Negi (ägyptische Freiheitspartei), Slavoj Žižek (slowenischer Philosoph), Alain Badiou (französischer Philosoph) zugrunde.

Arabische Revolution:

Die aktuellen revolutionären Vorgänge nahmen ihren Ausgang in Tunesien, einem Land etwa so groß wie Österreich.

Ursprünglich wollte man nach der Befreiung keinen Kapitalismus sondern Strukturen wie im ehemaligen Jugoslawien. Es haben sich aber überall im nord-afrikanischen Raum Diktaturen etabliert. 5 – 10% der Bevölkerung haben sich ungeheuer bereichert. Wahlen wurden vermieden – auch Gadaffi ließ keine Wahlen zu. Plötzlich, 2011, als sich im dünn besiedelten tunesischen Hinterland ein Student verbrannte, war das wie ein „Startschuss“ für die „arabische Revolution“. Wie es zu solchen Auslösern kommt ist unklar. In der Folgezeit haben sich in Algerien 10 oder 15 Menschen verbrannt, ohne dass es weiter zur Kenntnis genommen worden wäre.

Die nun begonnenen „arabische Revolution“ ist nicht abgeschlossen. Es wird vermutlich 10 Jahre dauern, bis die Region umstrukturiert ist. In Tunesien wurde Ben Ali zwar vertrieben, aber die Demokratisierungsvorgang nicht abgeschlossen. Die Diskussionskultur in Tunesien ist wesentlich intellektueller als bei uns, schon seit längerem. Es waren nur kleine Zeilen – aber als der Funke übersprang, waren sie da.

Allerdings konnten die demonstrierenden Massen die Militärs nicht entwaffnen (siehe Ägypten).

In Libyen ist der Fall etwas anders. Gadaffi war selbst Revolutionär. Er glaubte, dass in Libyen kein Aufstand möglich sei, da die Sozialleistungen sehr gut waren. Aber die Verweigerung der Mitbestimmung (das Festhalten an der undemokratischen Machtausübung – auf Parteigründung stand die Todesstrafe) wurde als drückender empfunden. Natürlich hat die USA „geholfen“. Gadaffi konnte nur durch die Westmächte bekämpft werden – aber der Ursprung der Bewegung war in Libyen selbst und durch die Verweigerung von Mitgestaltungsmöglichkeiten begründet.

Marokko: Auch hier ist die Demokratie am Vormarsch. Marokko ist immer noch eine Diktatur mit ein bisschen Demokratie. Die Umsturzgefahr ist nicht gebannt. Zur Wahl gehen nur mehr 50% der Menschen.

Algier: Die Regierung ist sozialistisch aber totalitär. Bei Demonstrationen von 1000 Demonstranten hat der Einsatz von 30 000 Soldaten eine Ausbreitung verhindert. Da war jeder Demonstrant von mehreren Soldaten gehabt, die ihn weggetragen haben – unblutig. Mit diesem massiven Einsatz hat die Regierung die Demonstrationen in den Griff bekommen.

Syrien ist Russlands größter Auslandsstützpunkt. Die Aufstände haben (mit Stand April) bereits 11 000 Tote gefordert. Hier könnte sich eine Kriegsentwicklung wie in Libyen entwickeln.

Diese Revolutionen spielen sich wieder in der kapitalistischen Peripherie ab – und können sich nicht durchsetzen. Es passiert hier das Gleiche wie früher in Lateinamerika. Der Ausbruch aus dem Kapitalismus ist nicht möglich.

Marcuse hat die Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt ausgeschlossen – die war auch in der Pariser Kommune nicht mehrheitlich vertreten – aber die erste Fabrik die gestreikt hat, war neben der Bastille. Marcuse meint, die Arbeiterklasse habe sich einkaufen lassen; man müsse sich auf die Intellektuellen und Studenten verlassen (siehe Mai 1968; auch beim Vietnamkrieg – als Nachwirkung des 2. Weltkrieges)

Negi und Žižek sehen Kolonialisations- und Empire-Interessen als Gründe der Unruhen. Žižek meint, der 3. Weltkrieg habe schon begonnen und es ist ein Verteilungskrieg – aber auch der Revolutionsprozess und der Widerstand hat schon begonnen. Aber die Masse antizipiert da nicht.

Die Analytiker meinen zu den Arabischen Revolutionen, dass die Massenbewegungen die führende Rolle spielen – nicht die ausländischen Agitationen. Die islamischen Kräfte haben einen Einfluss – sie sind nach der Kolonialisierung unterdrückt worden – in den letzten 1000 Jahren. Diese islamischen Kräfte können die Öffnung nutzen. Die Muslimbrüder sind in Ägypten und in Tunesien die stärksten Kräfte geworden. In Tunesien hat es beispielsweise 100 wahlwerbende Gruppen gegeben – und eine geschlossen auftretende Muslimbrüderschaft. Die hat dann gewonnen.

Wichtige Lehre: Die Menschen müssen durch Aufklärung auf die Veränderungen vorbereitet werden, damit der Verarbeitungsprozess nicht erst beginnt, wenn die Umstürze da sind. Wird dies versäumt und beginnt der Verarbeitungsprozess erst dann, dann wirkt der „historische Sumpf“ sehr stark (es setzen sich dann organisierte historische Randgruppen durch – etwa Nationalisten, Muslimbrüder usw.). Es besteht dann wieder die Gefahr, dass sich diese Kleingruppen diktatorisch durchsetzen.

Wolfgang F: Die 1968er Generation ist die, die jetzt an der Macht ist und die Zustände in eine katastrophale Richtung treibt!? – und ist die Arabische Revolution nicht von Außen gesteuert, wie sonst könnten diese Aufstände so konzentriert in allen nordafrikanischen Staaten ausbrechen, während z.B. ähnliche undemokratische Entwicklungen keine Unruhen bewirken (Bsp. EU-Maßnahmen)?

Die 68er sind nur zu 8% in den Machtapparaten vertreten (Bsp. Daniel Cohn-Bendit) und die wollen immer noch verändern – allerdings im Rahmen der Parlamente. Natürlich haben sich diese „Revolutionäre“ verändert.

Wenn man die Arabische Revolution, die schon 2 1/2 Jahre dauert und – nach Expertenmeinung – noch 10 Jahre dauern wird ansieht: In Syrien schon 11 000 Tote – und die Bevölkerung weigert sich immer noch – trotz Waffenangebote – sie sich bewaffnet um dem System keinen Vorwand zu liefern, das ist ein klares Zeichen, dass hier eine Kraft von Innen kommt – direkt von der Bevölkerung.

Im arabischen Raum war die Unterdrückung an Personen gebunden – da gab es Figuren, gegen die sich der Zorn richten konnte. Anders als bei uns, war im arabischen Raum die Ungerechtigkeit personalisiert. Bei uns ist die Unterdrückung anonym.

Fragen: Warum war der Aufstand in Saudi-Arabien so schnell vorbei und in Libyen wurde er mit aller Härte unterstützt und in Syrien hält er sich trotz brutaler Maßnahmen?

Und zudem: Der Kapitalismus hat sich immer mit Demokratie verknüpft. Ist das zwingend? Oder wird da Etikettenschwindel betrieben (auch durch die Bildungsprogramme)?

Ja, es gibt eine Verschleierung der Zustände, aber die Sachverhalte beginnen sichtbarer zu werden. Selbst beim Argument „Finanzmarkt“ beginnen die Leute nachzufragen. Die Menschen in Frankreich beginnen zu sagen „wir müssen die Spekulanten vertreiben“. Selbst in Frankfurt beginnt sich z.Zt. eine Besetzungsbewegung zu bilden – und da beginnt nun die Frage: was ist da los?

Warum sich in Saudi-Arabien nichts tut: Die Leute wurden gekauft – mit Geld ruhig gestellt. Ähnlich glaubte ja Gadaffi, dass in Libyen keine Aufstände erfolgen werden. Die Vorgänge in Libyen sollten nicht verherrlicht werden – natürlich muss der NATO-Angriff verurteilt werden – aber die Unterdrückung der Mitbestimmung ist das Kernproblem. Der Demokratiemangel treibt die Revolutionen an.

Auch in Europa hat es in den letzten 100 Jahren durch Arbeitskämpfe Erfolge gegeben, gerade in der Mitbestimmung (Wahlrecht). Die momentane „Demokratiemüdigkeit“ in Europa ist nur eine Müdigkeit von „diesem System“. Auch wir brauchen mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten um Autopoiese und Emergenz im Gemeinschaftsleben zu ermöglichen. Im Moment gehen die europäischen Machthaber den gegenteiligen Weg. Aber trotz gleichgeschalteter Presse und trotz massiver Beeinflussung beginnen die Menschen die Probleme zu erkennen.

Einwand: Die Menschen haben keine Wahl zwischen Konsens und Gewalt. Das Prinzip des „Homo Oeconomicus“ führt zu diesen Zuständen des Kapitalismus und der extremen Spannungen. Da muss auch die Revolution gewalttätig (zur Selbstverteidigung) werden.

Gegenstandpunkt: Man hat immer die Wahl – siehe die Bevölkerung von Syrien, die eine Bewaffnung ablehnt, trotz dessen dass sie brutal niedergeschossen wird. Führt man Revolutionen gewalttätig durch, kann so Subsidiarität und Konsens nicht gefördert werden (siehe Gadaffi).

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