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[Deutschland][ATTAC] Attac fordert ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitssystem und einen Umbau der Wirtschaft

Bloged in Allgemein,Krise by friedi Dienstag März 17, 2020

Erklärung des Koordinierungskreises von Attac Deutschland                 16.03.2020

Attac fordert ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitssystem und einen Umbau der Wirtschaft!

 Mit der steigenden Zahl von Infizierten durch den Corona-Virus wachsen auch persönliche Ängste und die Sorge um uns nahestehende Menschen, die zu Risikogruppen gehören. Gleichzeitig erleben wir aus der Not geborene Solidarität und Menschen, die tatkräftig der Krise trotzen. Die Beschäftigten im Gesundheitssektor und im Krisenmanagement der Kommunen leisten Übermenschliches um trotz fehlender Ressourcen Menschen zu versorgen und die lokale Infrastruktur sicherzustellen. In dieser ohnehin bedrohlichen Situation müssen wir jedoch befürchten, dass unser heruntergespartes Gesundheitssystem, das bereits im Normalbetrieb überlastet ist, nun in der Krise zu kollabieren droht.

Privatisierung der Krankenhäuser, Reduzierung der Krankenhausbetten und die Ausrichtung des Gesundheitswesens auf Profitorientierung statt auf möglichst gute Gesundheitsversorgung für alle rächt sich nun. Die Krise muss Anlass sein, die Prioritäten wieder geradezurücken und die Versorgung von Menschen in den Vordergrund zu stellen. Menschen zu helfen, ist der Zweck eines Gesundheitssystems, nicht Profite für private Krankenhauskonzerne zu erzielen. Die von der Regierung angekündigten Anreize für zusätzliche Betten, Appelle an die Krankenhäuser und geplante Abrechnungserleichterungen sind völlig unzureichend und setzen weiterhin auf Marktmechanismen. Dabei hat gerade die Einführung von immer mehr Markt in das Gesundheitswesen die Misere verursacht. Stattdessen muss ein öffentliches Gesundheitswesen ausgebaut werden, das das Wohlergehen der Menschen in den Mittelpunkt stellt statt die Profiterwartung von Investmentfonds.

Mit der unvorhersehbaren Corona-Pandemie werden die Konstruktionsfehler einer profitorientierten globalisierten Wirtschaft deutlich. Die Märkte, die angeblich alles zum Guten regeln, versagen. Eine privatwirtschaftliche, an Wachstum und Profit gebundene sowie exportorientierte Wirtschafts- und Handelspolitik droht angesichts der aktuellen Krise mit Dominoeffekt zusammenzubrechen. Plötzlich sollen Staat und die Politik die großen gesellschaftlichen Systeme funktionsfähig halten.

Die eng getaktete internationale Arbeitsteilung, die einzig der Logik der Lohnkostenvorteile folgt, hat gefährliche Abhängigkeiten geschaffen, z. B. bei der Produktion von Medikamenten und von medizinischen Ausrüstungsgegenständen. In den aufgeblähten Finanzmärkten droht der systembedingte Widerspruch zwischen anlagesuchendem Kapital und fehlender Nachfrage erneut, die Welt in eine Wirtschaftskrise zu stürzen. Die seit 2008 durch massive Anleihekäufe der EZB befriedete Krise kommt durch den Vertrauensverlust der Anleger*innen in das Coronavirus-Management der Regierungen wieder voll zum Vorschein. Der globale Kapitalismus ist aufgrund seiner inneren Widersprüche extrem verletzlich gegenüber unerwarteten Belastungen und kein Modell für die Zukunft.

Wie 2008 tritt Kanzlerin Merkel vor das Fernsehpublikum und wirbt um Vertrauen, will Panik verhindern. Wie in der letzten Krise, sollen Milliarden öffentlicher Gelder in die Unternehmen fließen, um sie in der Krise zu stabilisieren. Aber diese Krise muss genutzt werden, um die notwendige sozial-ökologische Transformation voranzutreiben. Heute brauchen wir ein Investitionsprogramm, dass den radikalen Umbau unseres Wirtschafts- und Finanzsystems vorantreibt und nicht ein Wirtschaftssystem künstlich am Leben hält, das auf der Ausbeutung von Mensch und Natur beruht. Die Krise zeigt am Beispiel des Gesundheitswesens, wie dringend wir auf grundlegende gesellschaftliche Einrichtungen in öffentlicher Hand angewiesen sind, die nicht nach dem Profitprinzip agieren.

Die Rettungsaktionen dürfen nicht zu Lasten der unteren und mittleren Einkommensbezieher*innen gehen – sie müssen vielmehr von denen getragen werden, die in den letzten Jahren besonders von der zunehmenden Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen profitiert haben.

Wir fordern

  • staatliche Sofort-Direktinvestitionen in Milliardenhöhe in öffentliche Gesundheitseinrichtungen zur Notfallbewältigung
  • ein Investitionsprogramm für den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft, insbesondere und dringend für den Ausbau eines auf flächendeckende Versorgung ausgerichteten Gesundheitswesens
  • Einkommenssicherung für Arbeitnehmer*innen bei Arbeitsausfall
  • Einkommenssicherung für Arbeitnehmer*innen bei Arbeitszeitreduzierung wegen Kinderbetreuung
  • Überbrückungskredite für Selbständige und kleine Unternehmen, die mit Liefer- oder Absatzschwierigkeiten kämpfen
  • die Finanzierung dieser Aktivitäten mittels Krediten durch temporäre Erhöhung der Verschuldung und deren Begleichung durch effektive Besteuerung von Vermögen, gerechter Unternehmensbesteuerung und Verhinderung von Steuerflucht und Steuervermeidung.

Menschen in prekären Lebenslagen sind gesundheitlich besonders anfällig. Dazu gehören Menschen auf der Flucht.  Aktuell müssen die Geflüchteten, die auf den griechischen Inseln festgehalten werden, im Rahmen humanitärer Soforthilfe in die europäischen Städte gebracht werden, die sich zu ihrer Aufnahme bereit erklärt haben.

Krisensituationen sind nicht nur Zeiten der Bedrohung, sondern auch Zeiten, in denen wir uns auf Wesentliches besinnen. Nicht Wirtschaftswachstum, „immer mehr haben“ und Gewinnmaximierung gehören in den Mittelpunkt, sondern die Sorge um die Mitmenschen. In der Krise zeigt sich deshalb auch die Möglichkeit eines guten Lebens für alle, jenseits von Profit, Wachstum und Naturzerstörung. Eine Gesellschaft, die auf Sorgearbeit, regionales Wirtschaften und naturschonende Produktion basiert und nicht auf Konkurrenz und Ausbeutung.

https://www.attac.de/was-ist-attac/strukturen/gremien/kokreis/stellungnahmen/


Am 16.03.2020, 13:43 schrieb Attac-Pressestelle <presse@attac.de>:

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Aussage von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, das deutsche Gesundheitssystem sei auf die Herausforderungenn durch Corona gut vorbereitet, ist eine krasse Fehldiagnose. Bitte beachten Sie dazu die
folgende Pressemitteilung des Bündnisses „Krankenhaus statt Fabrik“ Frage, inweiweit, in dem Attac aktiv ist.

Für Rückfragen an Attac zu dem Thema stehen Ihnen zur Verfügung:

* Dr. med. Arndt Dohmen, ehem. Ärztlicher Leiter der Hochrheinklinik Bad Säckingen / Attac-AG Soziale Sicherungssysteme, Tel. 0761 3869 5890, arndtdohmen@web.de

* Dagmar Paternoga, ehem. Projektleiterin in der Psychiatrie der LVR-Klinik Bonn / Attac-AG Soziale Sicherungssysteme, Tel. 0171 8347 437, dagmar.paternoga@posteo.de

Mit besten Grüßen aus Frankfurt – bleiben Sie gesund!
Frauke Distelrath

Pressemitteilung
Bündnis „Krankenhaus statt Fabrik“

* Was hat die aktuelle Corona-Virus-Pandemie mit der Finanzierung deutscher Krankenhäuser über Fallpauschalen zu tun?

Die Aussage von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, unser Gesundheitssystem sei auf die neuen Herausforderungen gut vorbereitet, ist eine krasse Fehldiagnose. Auch wenn Panikmache vollkommen
unangebracht ist, hält diese uneingeschränkte Einschätzung einem Faktencheck nicht stand:

– Unsere Krankenhäuser sind auf ökonomische Effizienz getrimmt. Und da das Finanzierungssystem über Fallpauschalen nur erbrachte Leistungen bezahlt, für das Vorhalten von Betten und Therapiekapazitäten für den
Not- oder Katastrophenfall aber keine Mittel bereitstellt, werden solche Situationen in der Planung der Klinikabläufe auch nicht ausreichend berücksichtigt.

– Landauf landab werden in zunehmenden Ausmaß in vielen Krankenhäusern Betten – auch auf Intensivstationen – gesperrt, weil – schon ohne den Andrang von zusätzlichen Covid-19-Erkrankten – nicht genügend Pflegekräfte zur Verfügung stehen, um die Patienten bei den vorhandenen Bettenkapazitäten angemessen zu versorgen. Für die Versorgung schwer kranker Covid-19-PatientInnen stehen also in Wirklichkeit weniger Betten zur Verfügung als dies aus den Krankenhausstatistiken herauszulesen ist.

– Im Zeitalter der DRG-Finanzierung (Fallpauschalen) ersetzt zunehmend die betriebswirtschaftliche Bilanz der Krankenhäuser die eigentlich auf Landesebene erforderliche Planung der Krankenhausstruktur nach
Versorgungsgesichtspunkten. Daher werden Krankenhäuser ganz willkürlich geschlossen, wenn sie über mehrere Jahre ein Defizit erwirtschaftet haben. So ist schon heute die Versorgung der ländlichen Bevölkerung mit  Kinderkliniken und Geburtshilfeabteilungen nicht mehr ausreichend gewährleistet. Zusätzliche Anforderungen durch die Corona-Pandemie werden diese Unterversorgung in ländlichen Regionen dramatisch verschärfen.

Die aktuelle Entscheidung des Gesundheitsministers, die gerade erst eingeführten und eigentlich viel zu niedrigen Pflegepersonaluntergrenzen anlässlich der Zusatzbelastung unseres Gesundheitssystems durch die
Corona-Pandemie vorübergehend außer Kraft zu setzen, demonstriert diesen Widerspruch: Da wir in den Krankenhäusern zu wenig Fachpersonal haben, müssen Bettenkapazitäten gesperrt werden. Wenn die Patientenzahlen aber in einer Notsituation zusätzlich steigen, werden diese Missstände nicht nur wieder geduldet, sondern weiter verschärft, um noch mehr Patient*innen als bisher durch die Klinikbetten zu schleusen. Die Aussage von Minister Spahn, unser Gesundheitssystem sei auf die neuen Herausforderungen gut vorbereitet, ist also eine krasse Fehldiagnose.

Wir vom Bündnis „Krankenhaus statt Fabrik“ fordern daher, endlich unsere Krankenhäuser wieder funktionsfähig zu machen für eine Daseinsvorsorge ohne jede Einschränkung:

– Die Ausrichtung der stationären Versorgung auf betriebswirtschaftlichen Gewinn muss beendet werden. Krankenhäuser dürfen keine Gewinne machen, Verluste sind auszugleichen, wenn die Klinik für die Versorgung einer Region benötigt wird.

– Die Finanzierung darf nicht nur die medizinischen Leistungen im Normalbetrieb berücksichtigen, sondern muss auch alle Vorhaltekosten für außergewöhnliche Notfallsituationen sicherstellen.

– Die medizinische Behandlung im Krankenhaus ist Daseinsvorsorge. Daher müssen Krankenhäuser da demokratisch geplant und betrieben werden, wo sie für die qualitativ gleichwertige Versorgung gebraucht werden, nicht da wo der Träger mit ihnen Gewinne erwirtschaften kann.

– Die angemessene Personalausstattung im Krankenhaus ist eine elementare Voraussetzung für gute Behandlung der Patient*innen und keine Schönwettermaßnahme, die bei jedem drohenden Sturm wieder kassiert
werden kann.

Pressekontakte:

* Dr. Nadja Rakowitz, Pressesprecherin Bündnis „Krankenhaus statt Fabrik“, Tel. 0172 185 8023, info@krankenhaus-statt-fabrik.de

* Dr. med. Arndt Dohmen, ehem. Ärztlicher Leiter der Hochrheinklinik Bad Säckingen / Attac-AG Soziale Sicherungssysteme, Tel. 0761 3869 5890, arndtdohmen@web.de

* Dagmar Paternoga, ehem. Projektleiterin in der Psychiatrie der LVR-Klinik Bonn / Attac-AG Soziale Sicherungssysteme, Tel. 0171 8347 437, dagmar.paternoga@posteo.de

Weitere Informationen: www.krankenhaus-statt-fabrik.de
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Frauke Distelrath
Pressesprecherin Attac Deutschland
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Münchener Str. 48, 60329 Frankfurt/M
Tel. 069 900 281-42; 0151 6141 0268
presse@attac.de
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