Sieg der Sozialisten in Portugal – ist das auch das Konzept für die österreichischen Sozialdemokraten
Ganz gegen den Trend in Europa, so berichten die Medien, haben in Portugal die Sozialisten die Mehrheit bei den diesjährigen Wahlen gewonnen.
Das stimmt! Den portugiesischen Sozialisten ist gelungen, was in der EU gefragt ist: Restriktive neoliberale Politik umsetzen und trotzdem die Mehrheit bei den Wahlen erlangen.
Das Ergebnis könnte auch anders gedeutet werden:
Die Menschen und ihre Wünsche solange ignorieren, bis nur mehr die eingefleischten Parteimitglieder zu Wahl gehen und die Mehrheit ist gewonnen.
Dieses Konzept könnte in Zeiten des Sozialabbaus auch den österreichischen Beratern der Sozialdemokraten (weil ihre sozialistische Aufgabe wollen die Sozialdemokraten ja nicht mehr kennen) raten.
In Portugal ist es jedenfalls gelungen, seit 2002 die Wahlbeteiligung von 65% auf nun 54,5% zu senken – und schon haben die Sozialisten die Wahl gewonnen.
Rechnet man die Wahlberechtigten als Prozentbasis und die gültigen Stimmen, so ist die Berücksichtigung von Wähler sogar nur 52,7%. Der Prozentanteil der sozialistischen Mehrheit somit nur 20,2% der Wahlberechtigten.
Aber, die pointierte Unterstellung meinerseits, dass dies nur die Stammwähler wären trifft nicht ganz zu. Der Stimmenzuwachs im Verhältnis zur letzten Wahl 2011 betrug 20%. Es ist also tatsächlich ein Wählerstrom des verbliebenen Wahlvolks hin zu den Sozialisten – vermutlich aus reiner Wahlverzweiflung: Wen sonst? Ich erwarte mir, dass bei der nächsten Wahl eine radikale Gruppe Stimmen gewinnt, oder die Wahlbeteiligung weiter zurückgeht. Selbst die massive Lobhudelei der Propaganda wird es vermutlich nicht schaffen, den geschröpften Portugiesen einzureden, dass es aufwärts geht. In der EU nimmt der Wohlstand und die Demokratie inzwischen ab – und, durch die USA betrieben, wird es kälter werden in der Politik.
Die EU ist eine Versorgungsinstitution für eine Creme-de-la-Creme-Menschenschicht – aber ansonsten zu einer sozialen Politik ziemlich unfähig: Das Brexit-Kasperltheater ist ein demonstratives Beispiel für hochgradige Unfähigkeit und Ignoranz von Bevölkerungen.
All das wird die Demokratie weiter erodieren – von unten: Wenn nur mehr unwühlbare Strömungen auf dem Wahlzettel stehen, warum sollen die gewählt werden?
In Diskussionen im Freundeskreis wird meine Befürchtung, dass das Demokratieverständnis der EU zu einer immer größeren Gruppe von Nicht-Wählern oder radikalisierten Wutbürgern führen muss, nicht geteilt.
Einerseits weil die linken Kräfte die Meinung vertreten, dass, wenn durch die sinkende Wahlbeteiligung linke Kräfte an die Regierung kommen – wie in Portugal – dass dann schon OK wäre, anderseits, weil, solange es Wahlen gibt, schon alles in Ordnung wäre – auch wenn nur mehr 1 Partei auf dem Wahlzettel steht – oder nur mehr 1 Partei die Chance hat, zu regieren.
Es gibt praktisch 2 Meinungsströme bezüglich der Ursachen des Rückganges der Wahlbeteiligung in den privaten Diskussionen:
1.) Die Leute haben noch Kopfweh vom Besäufnis vom Vortag oder sind zu faul zu wählen.
2.) Die Leute sollen halt eine Partei vom Wahlzettel ankreuze – die halt, die das kleinere Übel ist und haben aber nicht die Reife dies zu tun.
Der Punkt 1. findet bei mir noch eine gewisse Akzeptanz: Er zeigt immerhin, dass es den Menschen materiell noch so gut geht, dass sie sich besaufen können (ich glaube dieses Argument aber eigentlich nicht – es ist ein Argument einer Jugend, die von ihren Eltern erhalten wird – eigentlich für sich ein Alarmzeichen, da die Lebensgestaltungsmöglichkeiten für diese Menschen fehlen).
Ich glaube und hoffe, dass die sinkende Wahlbeteiligung daraus resultiert, dass immer mehr Menschen von diesen neoliberalen Parteikonvolut nicht vertreten werden. Dass das kleinere Übel schon so eine Dimension erreicht hat, dass es unwählbar wurde – zumindest für die Menschen, die nicht von Kapital und Grundbesitz leben können.
Menschen in Miete, Menschen in Lohnabhängigkeit, Menschen ohne Erbschaft – für die gibt es wieder weniger Wahlalternativen – auch in Österreich. Die österreichischen Sozialdemokraten zeigen ja, dass es diese Partei als Vertretung für Lohnabhängige nicht mehr gibt.
Ja! Jemand der noch einen Metaller-Anstellungsvertrag hat, jemand der in der Parteizentrale oder in der Gewerkschaft sitzt, für den sind die Sozialdemokraten noch wählbar. Aber was ist mit den prekär Beschäftigten, den Menschen ohne Arbeit, den Rentner usw. Zwar wird vor Wahlen auch für diese Gruppen manchmal etwas als Wahlgag getan – aber Politik für diese Menschen – die ist nicht zu sehen.
Das Thema „gleicher Lohn für gleiche Leistung“ ist ein gutes Beispiel: Wurde nicht umgesetzt, auch als die SP in der Regierung war – ist nur ein Propaganda-Schlagwort vor Wahlen …
Also:
Der Weg Portugals scheint für die europäischen Sozialisten den Weg zur Regierungsbeteiligung aufzuzeigen: Solange neoliberale Politik betreiben, biss die Mehrheit der Menschen nicht mehr zu Wahl geht – die verbleibenden Funktionäre sichern dann die Stimmenmehrheit!
Demokratie auf neu-sozialistisch – sozialdemokratisch halt.
16.10.2019, W.Friedhuber
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