GUTE AUSSICHTEN FÜR DIE WELTWEITE ZIVILGESELLSCHAFT
Bericht aus Porto Alegre von Leo Gabriel
Das sogenannte „Thematische Sozialforum“ das vom 24. bis 29. Jänner in Porto Alegre, Brasilien, der Heimatstadt des Weltsozialforums statt gefunden hat, ging mit der Ankündigung einer Massenmobilisierung zu dem ab 22. Juni stattfindenden Umwelt- und Sozialgipfel in Rio de Janeiro zu Ende. In zahlreichen Seminaren nahmen die RednerInnen vor allem gegen die von verschiedenen Regierungen vorangetriebene, so genannte „grüne Ökonomie“ Stellung, die – ähnlich wie bei den Klimagipfeln in Cancun und Durban – den Umweltschutz zum Gegenstand von Finanztransaktionen machen soll. „No a esta economía verde!“ ist auch der Aufruf zu einer weltweiten Kampagne, den fast alle Organisationen unterschrieben haben, die zur bereits traditionellen Versammlung der weltweiten sozialen Bewegungen am letzten Tag des Thematischen Sozialforums gekommen waren. 15 Arbeitsgruppen aus Brasilien und 10 aus anderen Kontinenten sollen dafür sorgen, dass der Gegengipfel in Rio de Janeiro zum Treffpunkt einer noch nie dagewesenen Massenbewegung wird.
Dass nach Rio de Janeiro Millionen BrasilianerInnen kommen werden meint auch die ehemalige Umweltministerin Marina da Silva, die bei den letzten präsidentschaftswahlen ca. 20 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Im Unterschied zu ihrem Vorgänger Lula hat auch die Präsidentin Dilma Youssef in einem Staatsakt den TeilnehmerInnen des Sozialforums ihre Unterstützung zugesagt, allerdings mit der Einschränkung, dass sie eben die Präsidentin aller BrasilianerInnen sei. Wie viele Menschen und Staatsoberhäupter aber aus anderen Teilen der Welt nach Rio de Janeiro kommen werden, steht noch in den Sternen dieser subtropischen Region, in der ja der Himmel bekanntlicherweise besonders tief hängt.
Aber auch sonst war das „Thematische Sozialforum über die kapitalistische Krise, die soziale und die Umwelt-Gerechtigkeit“ von einigen Neuerungen geprägt. Ein hochgradig besetztes Menschenrechtsforum wurde vom bekannten Publizisten und Attac-Begründer Ignacio Ramonet mit der Forderung nach der sofortigen Niederschlagung des Verfahrens gegen den spanischen Pinochet- und Rios Monnt-Jäger Baltazar Garzon eingeleitet; auch die neu ernannte brasilianische Staatssekretärin für MenschenrechteMaria del Rosario Nunez stellte sich mit einer gut recherchierten, 500seitigen Dokumentation über die Opfer der brasilianischen Militärdiktatur ein und machte sich sogar für die in Brasilien unerhörte Forderung nach einer Landreform stark.
Aber auch in der Koordination der weltweiten Palästina-Solidarität wurden große Fortschritte gemacht, zumal am 22. November dieses Jahres in Porto Alegre ein weltweites Sozialforum zu Palästina stattfinden soll und immer weitere Kreise en für den 30. März geplanten Global March on Jerusalem unterstützen. Weiters wurde vom namhaften Portugiesischen Soziologen Enrique Boaventura der Startschuss für eine weltweite „Universidad Popular“ nach dem Vorbild der der Landlosen-Bewegung MST in Sao Paulo gegeben, in die ExpertInnen und soziale Bewegungen im Rahmen einer neuen partizipativen Methodologie einbezogen werden sollen.
Obwohl zu diesem Sozialforum nur relativ wenige TeilnehmerInnen aus Europa, Afrika und Asien gekommen waren, gelang es den anwesenden Mitgliedern des Internationalen Rates des WSF einige wichtige Perspektiven für die nächste Zukunft der Sozialforen aufzuzeigen:
- Das nächste Weltsozialforum wird höchstwahrscheinlich Ende Juni 2013in Monasteri, Tunesien, stattfinden, wobei zuvor unter dem Titel des WSF eine ganze Reihe von Foren in Nordafrika und Palästina stattfinden sollen, beginnend mit dem regionalen Mahgreb-Maschrek-Forum, das vom 10. bis 14. Juli 2012 ebenfalls in Monasteri, Tunesien stattfinden soll.
- In Santiago de Compostella, im spanischen Galizien wird vom 14. bis 18. September ein sogenanntes „Forum der Foren“ stattfinden, zu dem alle VeranstalterInnen von Sozialforen weltweit eingeladen sind, über die strategischen Veränderungen in und außerhalb der Sozialforumsbewegung zu diskutieren.
- Dabei geht es vor allem um die Frage, die auch im Internationalen Rat derzeit heftig diskutiert wird und Gegenstand eines vielbeachteten Papers von Chico Whitaker gewesen ist, wie die den Sozialforen angeschlossenen Organisationen mithilfe der so genannten „Neuen Bewegungen“ (Occupy, Plaza del Sol, Syntagma etc.) ihre eigenen Kreise durchbrechen und mit Andersdenkenden in Dialog treten könnten.
- Und last, but not least wurde auch das Konzept des Schreibers dieser Zeilen diskutiert, demzufolge zu Foren wie Rio+20 und dem G-20 in Mexiko auch VertreterInnen der Staaten und Staatengemeinschaften eingeladen werden sollen, um die existierenden Kontroversen öffentlich auszutragen und die mediale Aufmerksamkeit für die Positionen der Zivilgesellschaft zu erhöhen.