Fortwährende Ignoranz gegenüber den österreichischen Zuhältereiverbotsgesetzen
Nachfolgend ein Leserbrief von A. Rosenberger über die Art der Geschichtsaufarbeitung in Österreich .
Lieber Friedi!
Ich habe erst unlängst, vom plötzlichen Tod Gerhard Machers erfahren. Ich erinnere mich an ihn gut und gerne, er gestatte es mir in seiner Eigenschaft als Funktionär der sozialdemokratischer Freiheitskämpfer, mit ihm über heikle Themen in meinen zweifachen Eigenschaften als natürliches österreichsiches Subjekt von Widerstandsopfercharakter und als Tito-Partisanenkampfhistoriker unbefangen zu sprechen. Ihm gegenüber war es für mich kein Nachteil, einen Buckel zu tragen, der nur allzuoft die Schamhemmschwellen der vermeintlichen DialogpartnerInnen für anschütten- und zugdrüberfahrenlassenpolitisches Agieren gegenüber meiner wehrlosen Wenigkeit herabsetzen ließ. Ich möchte Hardy durch dieses anschließende E-Mail [Frie.: Die unten ageführte „weitergeleitete Nachricht“ ist gemeint, die Adressen der Mail wurden von mir entfernt] nach unserer letzten Begegnung hienieden als würdigen Nachruf nicht vergessen lassen, und möge es in gewissenhaften Polizistinnen das Gefühl bewirken, daß wahre Erkenntnis an sich hat, schmerzlich zu sein!
Weitergeleiteten Nachricht:
Da wir uns unlängst rein zufällig am Bahnhof begegnet sind, möchte ich es auch zum Anlaß nehmen, Dir unsere begonnene, dann jedoch auf Anraten des früheren Sektionsvorstandes Klaus Eichberger abgebrochene Aktion seitens des Bundes sozialdemokratischer Widerstandskämpfer zur ehrenhaften, strikten Befolgung der österreichischen Zuhältereiverbotsgesetze in Erinnerung rufen. In dem Fall wäre es vielleicht doch klüger gewesen, auf Linie zu bleiben und die mit Hofrat Dr. Lecker (Kripo Graz) schon sehr konkret angedachten Informations- und Diskussionsabend durchzuorganisieren.
Es scheint mir nunmehr von Bedeutsamkeit zu sein, etwas weiter nach gestern zurückzublicken: Die damalige SPÖ-Steiermark Frauenvorsitzende Ilse Reinprecht, die mich aus der Studentenzeit und vielen gemeinsam verbrachten Mensa-Mittagspausen relativ gut gekannt hat, überraschte mich eines Tages, als Gast an einer an sich internen Enquete der steirischen SPÖ-Frauen teilzunehmen, worin es um das leidige Thema ging, wie Zuhälterei bzw. Prostitution als menschenhandel zu begreifen und absolut zu verurteilen sei. Ilse war die Situation anscheinend peinlich, daß überhaupt eine solche Erörterung notwendig gewesen ist, und da sie von meiner ausgeprägten slawophilen Eigenschaft als nach Belgrad zuständiger Tito-Partisanenkampfhistoriker wußte, baute sie auf antirassistische Verstärkung meinerseits, obgleich sie natürlich wußte, daß ich keine politische Laufbahn anstrebe.
Es war gerade zur Zeit des Herbersteinskandals und dessen Untersuchungssausschuß im Landtag, und die Situation für Skandalbereinigungen erschien generell günstig. Die frühere Frauenministerin Dr. Helga Konrad moderierte die Veranstaltung, und ich meldete mich selbstverständlich im direkten und konkreten Sinn der Sache zu Wort. Auch meiner Sensibilität war es nicht entgangen, daß nach der Demontage des Eisernen Vorhanges arme, arglose Mädchen und Frauen aus dem Osten in die Fallen der Menschenhändler gerieten, ohne daß die Polizei ausreichende Präventivmaßnahmen vorgesehen hatte.
Die Gesetzeslage in Österreich ist Dank einer Initiative des damaligen Bundeskanzlers Dr. Fred Sinowatz (und die ÖVP war da natürlich ganz mit dabei) vorbildlich: Zuhälterei ist strikt verboten, jegliches Nutznießen Dritter an Prostitution ist strafbar. Diese ist an sich nur mehr hypothetisch erlaubt, sofern dies ausschließlich aus freien Stücken einer Frau vonstatten geht, die nichts dabei findet, ihren Körper zu vermieten. Leider Gottes werden diese vorbildlichen europäischen Gesetze in Österreich nur zum Teil vollzogen, insbesondere die Staatsanwaltschaften verfolgen Zuhälterei nicht durchwegs als Offizialdelikt, obwohl es sich – in meinen Augen gesehen – um ein schweres Verbrechen handelt. Die Situation ist gerade für die Wiener, aber auch für die Grazer SPÖ schwierig, weil es ein starkes Ost-West-Gefälle gibt: In Tirol ist – obwohl es sich um das Bundesland mit dem weitaus stärksten Fremdenverkehr handelt – Zuhälterei so gut wie kein Problem, während im Osten Österreichs die Polizei sich im Wesentlichen anscheinend auf einen Beobachtungsstatus zurückgezogen hat.
Von der damaligen Veranstaltung, zu der mich Ilse Reinprecht eingeladen hatte, habe ich aus der Distanz von langen Jahren die damalige LAbg. und Landtagspräsidentin Barbara Gross in bester Erinnerung. Die umsichtige Sozialdemolkratin führte mit mir ein längeres Gespräch über die leidige Thematik, und außerdem vermochte ich ihr einige Bemerkenswertigkeiten zum Herberstein-Skandal zu vermitteln: Die „Gräfin Andrea“ hatte bei dem sehr leicht umgänglichen Joschi Krainer offenbar auch Zugriff auf das Wissenschaftsbudget des Landes erhalten und es könnte einem scheinen, daß Univ.-Prof. DDr. Peter Schachner-Blazizek nicht zuletzt aus dem Grund Nachfolger des einfachen Gewerkschafters Hans Gross wurde, um so einiges auch im Wissenschaftsressorts vor dem Licht der Öffentlichkeit zu verdecken. damals wußte ich allerdings noch nicht, daß Schachner-Blazizek in Tateinheit mit Dr. Busek Belgrad als für mich als Tito-Partisanenkampfhistoriker primär zuständige Stelle ausschalten und sämtliche meine Anträge und Unterlagen Belgrad vorenthielten!
Mit anwesend bei dieser Veranstaltung war auch die nachmalige Infrastrukturministerin und darauffolgende Nationalratspräsidentin Doris Bures. Gerade sie sollte meine Belehrung gut im Gedächtnis haben, denn ich kam zufällig neben ihr den nächsten freien Sitzplatz. Ich habe nun aus der Distanz seit etlichen Jahren jedoch nur Barbara Gross in guter Erinnerung und mir scheint nunmehr, daß die falsche Steirerin nach Wien entsendet wurde, Barbara Gross an Ihrer Statt hätte wahrscheinlich diese Kulturschande nicht geduldet. Offenbar ist die charakteristisch österreichische strafrechtliche Regulierungsmaßnahme gegen den Rassismus in Form strenger Zuhältereiverbotsgesetze gegenüber die Töchter und Enkeltöchter jener Soldaten, da am meisten für die Befreiung Österreichs vom Hitlerterror gekämpft hatten, „aufarbeitungspolitisch“ unterminiert worden.
Fred Sinowatz hatte die Richtlinie seines damaligen Chefs Bruno Kreiskys, sich mit Opfern des Nationalsozialismus nicht (blöd) zu spielen, nicht notwendig. Diese gilt selbstverständlich nicht nur für das Wiener Innenverhältnis, sondern grundsätzlich. Fred Sinowatz war es von Natur aus bewußt, daß das zusehends instabil gewordene System der Sowjetunion brechen und sich Flüchtlingsströme nach Österreich ergießen könnten, die dann leicht von gewissenlosen Elementen zu Geschäften ohne Ethik und Moral mißbraucht werden könnten und ließ europäisch vorbildliche österreichische Schutzgesetze mit Strafsanktion ausarbeiten und beschließen.
Mir scheint, daß Doris Bures vor dem Hintergrund der mir unverständlichen Alice Schwarzer-Förderung lediglich als Macht- und Repräsentationspolitikerin agiert zu haben. Statt zu versuchen, die österreichischen Zuhältereiverbotsgesetze durchzusetzen und diesen europaweit zur Wirksamkeit zu verhelfen, setze die Nationalratspräsidentin keinen mir erkennbaren Widerstand gegen die ethisch minderwertige „Aufarbeitungsposition“ aus Bonn und Berlin entgegen, sodaß nun auch nach deren schlechten Beispielen es auch hierzulande „Laufhäuser“ gibt. Es erscheint mir unverzeihlich zu sein, daß die Galionsgestalt der „Emanzipationsbewegung“ in der Bundesrepublik bzw. der SPD nicht aus Widerstandsopferverhältnissen kam. In Anbetracht der aufgedeckten Schwarzgelder in der Schweiz in der Art der organisierten Wirtschaftskriminalität wundert es mich nunmehr nicht, daß der hohe moralische Anspruch von richtig verstandener sozialdemokratischer Solidaritätsumsetzung eines Fred Sinowatz nicht durchsetzbar gewesen ist. Anscheinend kam es zu einer Verdoppelung negativer Effekte von „Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit“ dortzulande und einem Zuviel an Toleranz für „Ehemalige“ in unösterreichischer Tradition. Hertha Firnberg würde sich im Grab umdrehen und sich grün und blau ärgern, wenn sie von solch einem Abbau ureigenster sozialdemokratischer Prinzipien wüßte! Doris Bures hätte unbedingt Penetrationen in die österreichische Rechtslage abwehren und mit aller Kraft versuchen müssen, unsere Zuhältereiverbotsgesetze nach Richtung Berlin durchzusetzen!
Für Doris Bures gibt es in dieser Frage ein sehr schwieriges Glaubwürdigkeitsproblem und es gibt für sie hierin keine Ausrede: Sie wußte jedenfalls durch meine dezidierte Stellungnahme sowohl von der heiklen zwischenmenschlichen Bedeutung für Opfer von Zwangsprostitution (und als Sozialdemokrat zähle ich hierzu auch soziale Zwänge mit ein) als auch um die Gefährlichkeit für die Umsetzung des an sich wunderbaren Gedankens von der „Partnerschaft für den Frieden“, der mir insbesondere gegenüber der Südspitze der Balkanhalbinsel schon wieder einen gefährlichen Tiefstand erreicht zu haben scheint – wenngleich natürlich aus einem ganzen Bündel aus verschiedenen Gründen, nicht bloß wegen des grassierenden Zuhältereiunwesens allein. So würde in letzter Konsequenz der Weltuntergang für die sozialdemokratische Internationalität heraufbeschworen werden. Belgrad macht hier einen decidement saubereren und gastlicheren Eindruck als Wien. Bures scheint auch als Infrastrukturministerin bloß nach Berlin geschielt zu haben, und die österreichischen Balkanbahnen wurden insbesondere nach Belgrader Perspektive vernachlässigt und blieben unzeitgemäß veraltert. Waren Bundeskanzler Bruno Kreisky und Marschall Tito noch gut befreundet, so hat offenbar auch die Infrastrukturministerin Bures nach schlechtem Vorbild aus Berlin den Draht nach Belgrad abkühlen lassen. Dort hat seit dem Tod der beiden Staatsmänner von europäischem Format der Begriff „sozialdemokratisch“ eine ähnlich inflationäre Bedeutung wie „liberal“ bekommen…
Ich habe über diese hiermit berichtete Veranstaltung natürlich im Sinne von Parteidisziplin Stillschweigen bewahrt, nach innen wie auch nach außen. Umso intensiver sollte sich allerdings der sozialdemokratischer Widerstandskämpferbund der Problematik als solcher annehmen. Bruno Kreisky war gegenüber den Schalmeientönen der sogenannten „Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit“ zu gutgläubig: „Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit“ wurzelt weder in Österreich noch in der Schweiz und schon gar nicht – wahrscheinlich sogar nur in den seltensten Fällen – in einer Widerstandstradition von der Art der Tito-Partisanen als Volksbefreiungsbewegung gegen SS und Ustascha-Dschihadismus oder auch des polnischen katholischen Widerstands und enthält zweifelsohne auch Elemente in sich, die von der selben nationalen Bedenklichkeit sind wie ewiggestrige „nationalen“ BurschenschaftlerInnen.
Wenn Vorsitzendem Christian Kern und seinem steirischen „Statthalter“ Michael Schickhofer und last but not least Elisabeth Grossmann jetzt nicht grundsätzliche Reformen im ursprünglichen sozialdemokratischen Sinn gelingen, pochen skrupellose GeschäftemacherInnen erneut an die Pforten charakteristisch österreichisch neutraler, politisch-moralischer Bastionen!
Freundschaftliche Grüße
Alois Rosenberger
Graz. 17.9.2018
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