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Was wir haben und was wir brauchen: Grundsatzüberlegung zur aktuellen Gesellschaft

Bloged in Allgemein by friedi Sonntag November 13, 2011

Gestern, den 12.11.2011 war Brigitte Ederer im Mittagsjournal Ö1 zu Gast (im Gespräch mit Michael Csoklich: „Ederer: Gegen die Krise ansteuern“ http://oe1.orf.at/artikel/290434 [13.11.2011] ). Frau Ederer ist eine jener modernen, erfolgreichen Managerinnen wie sie heute oft anzutreffen sind. Politikerin und dann gleich auf hohen Posten in der Industrie.

Bereits am 15.10.2011 erschien in der Presse eine Kolumne von Bernd Marin unter dem Titel “Kein ‚Schwindel mit der Frühpension’” (http://derstandard.at/1319182635775/Kein-Schwindel-mit-der-Fruehpension?seite=2 [13.11.2011]). Der Tenor, des etwas wirr formulierten Artikels: Die Bevölkerung hat sich an Pfründe gewöhnt, ist verweichlicht und ähnliche Unterstellungen.

Was haben diese beiden medialen Ereignisse gemeinsam?

Nun – Mitglieder der Oberschicht, tätigen Aussagen, bei denen sie die halbe Wahrheit verschweigen.

Ich hatte die zweifelhafte Ehre, bei der SIEMENS Österreich unter der Leitung von Brigitte Ederer abgebaut zu werden. Damals (2007) äußerte sie der Belegschaft gegenüber die Aussage: “Ihr bekommt was euch zusteht, nicht mehr und nicht weniger!” Angesprochen auf den Umstand, dass sie erfolgreiche, positiv bilanzierende Abteilungen schließt, war die Antwort sinngemäß: “die Zeiten sind härter, die Zeiten des warmen Kuschelnests sind vorbeit!” Beide Ansagen waren an Überheblichkeit kaum zu überbieten. “Kuschelnest” war die Arbeit schon lange nicht mehr – und in einem Arbeitskampf, wo es um die Existenz der Betroffenen geht zu sagen, dass jman eben das Zustehende bekomme, nicht mehr und nicht weniger – dafür hätte es nicht der Kontaktaufnahme mit der Betriebsführung bedurft, das hätte auch das Reinigungspersonal gewusst. Ich will noch hinzufügen, dass das Ausscheiden aus dem Betrieb mit sehr guten Konditionen erfolgte – wir “Abgebauten” also zu den Privilegierten gehören.

Warum erzähle ich das?

Ederer redet in dem Radiointerview mit ihrer politik-engelszungen Sprache. Von vereinten Europa, von gemeinsamen Wirtschaftsstandort, von Geschwindigkeit herausnehmen und Regulierungen der Finanzmärkte usw. In der Praxis ist – zumindest für die Belegschaften – kaum etwas von so einer Gesinnung zu bemerken. Sie hat die berufliche Karriere bei SIEMENS auch dem Umstand zu verdanken, dass sie in Österreich ohne großes Aufsehen hunderte Arbeitsplätze abgebaut hat! Auf Anordnung einer Konzernspitze – nicht wegen mangelnder Aufträge. Die Beschäftigten wurden abgebaut, in Gleitpensionen geschickt, in Altersteilzeit – so früh wie nur möglich. Abgebaut wurde so ab 45 Jahren – alles Experten, die die Wirtschaft angeblich so dringend braucht. Softwaretechniker mit 10, 20 jähriger Berufserfahrung, teilweise Personen, die an innovativen Patenten mitgearbeitet haben. Die meisten der Betroffenen hätten gerne weiter gearbeitet und würden auch gerne weiterarbeiten. Aber die Sicherung immer höherer Konzerngewinne für die Aktionäre geht eben nur mehr, wenn man „Kostenträger“  abbaut. Im Interview redet Ederer natürlich nicht von dieser Seite. Offen redet sie zwar gegen die Spekulation und für eine Realwirtschaft auf Basis von Güterproduktion. praktisch erfüllt sie allerdings andere Vorgaben (Ein kleiner Einblick ist bei: http://sispsebr.wordpress.com/tag/brigitte-ederer/ [13.11.2011] zu finden ).  Verdeckt findet sich das auch im angesprochenen Mittagsjournalinterview. Die Art der neoliberalen Wirtschaft – zumindest was die Führungsgehälter betrifft – ist für Ederer in Ordnung. Angesprochen auf ihr Gehalt, drückt sie sich zwar um die Nennung der Summe die sie erhält- evl. weiß sie ja gar nicht mehr, was sie kassiert – findet aber pauschal die hohen Gehälter in Ordnung, da sie und Peter Löscher (vom Csoklich genannt: Jahresverdienst 9 Mio €)  ja auch gute Arbeit machen.

Und nun kommt der zweite der ach so modernen Experten, der Herr Marin ins Spiel: Er ist die zweite Komponente des bösen Spiels gegen die Bevölkerung. Er bereitet den Neidboden gegen die Frühpensionen auf. Frühpensionen,  die sich die Menschen angeblich erschleichen. Die von verweichlichten, verwöhnten Arbeitsnehmern, vermeintlich zurecht – aber doch in wirklichkeit erschlichen – in Anspruch nehmen und nehmen wollen.

Anhand dieser kleinen skizzenhaften Anekdote ist zu sehen was läuft – und vor allem was schief läuft in der Gesellschaft. Die politische Spitze sichert sich die Spitzenpositionen in der Wirtschaft, arbeitet dort an der Gewinnmaximierung durch Personalabbau und Produktionsverlagerung mit. Nutzt die geschulte Rhetorik und die Reste einer aufrichtigen Zukunftsutopie, um sich und das aktuelle Wirken medial gut darzustellen – macht aber im industriellen Aufgabenbereich nahezu das Gegenteil.

Aufgrund der Machtgegebenheit lässt man dann Experten aufmarschieren, die in der Öffentlichkeit die Menschen gegen die von den Polit-Wirtschafts-Managern und Managerinnen auf die Straße gesetzten, aufhetzen, die aus dem Arbeitsprozess geworfenen dann als Schmarotzer darstellen, als Gauner und Weicheier.  Um dieses, vorderhand für die Aktionäre noch sehr gewinnbringende Spiel effizient spielen zu können, ruft man immer dann immer lauter nach einer „Wirtschaftsregierung“ die rasch und ohne Diskussion die angeblich zwingend notwendigen Konzepte umsetzen soll. Die Politik geht – aufgrund ihrer Verstrickung mit den Wirtschaftsinteressen auch willig diesen Weg. Die Steiermark ist da ein Vorreiter. Unter fadscheinigsten Gründen werden die letzten basisdemokratischen Strukturen aufgelöst und immer stärker zentralisiert.

Sicher: Marin hat den böseren Part! Er muss wesentlich mehr verschweigen von dem was er weiß. Er sagt nicht, dass sich ja gar niemand selbst in Frühpension schicken kann, dass Invalidität ärztlich diagnostiziert werden muss, er sagt nicht, dass Staat, Post, Bahn, Privatwirtschaft die sind, welche die Menschen hier in prekäre Situationen treiben, er sagt nicht, dass die Arbeitsbedingungen krank machen  – was er natürlich alles weiß!

Also: Er hat eben den unguten Teil – Ederer den salbungsvollen: Wir halten die Wirtschaft aktiv, wir sichern Gewinn. Sie redet – und schickt die Leute auf die Straße. Marin schreibt böse, tut aber eigentlich aktiv nichts (außer die Menschen verhetzten). Damit verschwimmt die Trennung und die Inszenierung liegt klar vor uns:

Die welche die Sozialstruktur aktiv zerstören, reden mit Engelszungen und die, die verhindern sollen, dass den Besitzlosen das bewusst wird, die hetzen. Etwaiger „Volkszorn“ richtet sich dann gegen Leute wie Marin – die dann einfach durch den nächsten Demagogen ersetzt werden und die Ursache des Übels bleibt unangetastet.

Was wir brauchen ist das Gegenteil!

Um erfolgreich die Zukunft – und unter erfolgreich meine ich hier: für alle! Nicht nur für eine Funktionärsschicht wie Ederer, Pröll, Gusenbauer usw.! – also um eine erfolgreiche Zukunft zu ermöglichen, brauchen wir kleinräumige Einflussstrukturen, die Selbstorganisation auf unterer Ebene zulassen. Wir brauchen Mischkonzerne, die krisenstabiler sind. Wir brauchen echte betriebliche Mitbestimmung. Wir brauchen eine Besteuerung, die das Arbeitseinkommen entlastet. Wir brauchen Managergehälter, die nicht das 100fache eines Normaleinkommens sind und vor allem würden wir Manager brauchen, die so etwas unmoralisch finden würden.

Wir brauchen Mitsprache auf unterer Ebene, um Fehlentwicklungen früh vermeiden zu können, um eine kohärente Lebensgemeinschaft – genannt Gesellschaft – gestalten zu können. Strukturen, welche die unterschiedlichen Lebensinteressen, Kulturen und Lebenslagen sinnvoll in den Organismuns des täglichen Lebens einbauen – nicht ausgrenzen – aufgebaut auf Solidarität, Subsidiarität, Mitgestaltung und Mitverantwortung!

Was wir nicht brauchen, sind selbsternannte Experten, die für uns bestimmen und für uns entscheiden und uns so in eine Katastrophe führen und dann salbungsvoll erzählen, was sie tolles geleistet haben.

Graz, 13.11.2011, Wolfgang Friedhuber

 

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