ROSDOLSKY KREIS: MIT PERMANENTEN GRÜSSEN (Rezension)
Roman Rosdolsky ist in linken Kreisen eher nur „SpezialistInnen“ bekannt. Völlig zu Unrecht: sowohl sein politisches Wirken und erst recht seine theoretische Arbeit sind mehr als bemerkenswert.
Roman wird 1898 im damals österreichischen Lemberg in einer ukrainischen Familie geboren. Er politisiert sich bereits als Gymnasiast, wird Sozialist bzw. Kommunist. Er studiert in Prag und Wien (wo er auch Emmy kennenlernt). Infolge der Stalinisierung der kommunistischen Bewegung wird er revolutionärer Marxist („Trotzkist“).
Unter den Nazis wird er verhaftet und überlebt mehrere (!) KZ. Nach dem Krieg lebt er mit seiner Frau in Oberösterreich. Nach der Entführung des revolutionären Marxisten Karl Fischer durch den sowjetischen NKDW entschließen sich Emmy und Roman in die USA zu gehen, wo Roman 1967 stirbt. Er bleibt sein Leben lang seinen politischen Positiuonen treu.
Roman hinterläßt ein reichhaltiges theoretisches Schaffen. Besonders in seinen Studien zur „nationalen Frage “ ist er immens innovativ. Im wahrscheinlich besten Kapitel des vorliegenden Buches „Roman Rosdolsky und das Nationalitätenproblem. Warum Marx und Engels nicht recht hatten…“ (S.148 ff) wird das bündig dargelegt. Insbesonders Engels verfaßt unter dem Eindruck der bürgerlichen Revolution 1848/ 49 eine Reihe von Artikeln, indem er einigen Völkern -inbesonders den Slawen (mit der Ausnahme Polens) – die Geschichtsmächtigkeit abspricht („geschichtslose Völker“, „Völkertrümmer“,…) und ihnen undifferenziert konterrevolutionäres Gebahren unterstellt. Rosdolsky geht in der Analyse weit tiefer, untersucht die widersprüchliche Lage der „Bauernnationen“, insistiert , daß ihre Entwicklung keinesfalls abgeschlossen ist oder eindimensional verlaufen muß- wie es auch der reale Verlauf der Geschichte unmißverständlich gezeigt hat.
Auch im Kapitel „Roman Rosdolskys Jugend in Lemberg (1898-1926)“ (S. 46ff) erfärt man/ frau eine Menge über die Komplexheit der nationalen Frage in der Ukraine- die bekanntlich bis zum heutigen Tag reicht!
„Rosdolkskys Studien über revolutionäre Taktik“ (S.110ff) zeigen in beeindruckender Weise, wie sich die „Friedenspolitik“ der Bolschewki unter Lenin und Trotzki fundamental von der der Sozialdemokratie und des Stalinismus („friedliche Koexistenz“) unterschied.
Für eine volle, nicht verkürzte Rezeption des Marxschen Oevres war Rosdolkskys „Zur Entstehungsgeschichte des Marxschen`Kapital´“ von großer Bedeutung (S. 374ff).
Auch Emmy Rosdolsky engagiert sich früh politisch: zuerst im Verband Soziliastischer Mittelschüler, dann im Kommunistischen Jugendverband („Emmy Meders Jugend und politische Anfänge in Wien (1911-1926)“, S.210ff ). Sie kämpft gegen den Austrofaschismus, die Nazis und steht gegen den Stalinismus. Auf ihr lastet auch zumeist die Sorge um das finazielle Auskommen der Familie. Ich traf Emmy mehrmals in Wien, wohin sie noch dem Tod von Roman zurückgekehrt war und war stets von ihrem scharfen politischen Verstand überrascht.
Da ich 1972 meine Dissertation der „Methode der Kritik der Politischen Ökonomie. Die Logik des „Kapitals“ „widmete, möchte ich den AutorInnen des Rosdolskys Kreises eine – solidarische- Empfehlung geben: in dem Kapitel über die „Entstehungsgeschichte des Marxschen ´Kapital` “ wird zu recht auf den enormen Stellenwert der „Grundrisse“, der Dialektik etc. verwiesen. Unterbelichet und daher im Text zu korrigieren scheint mir das Marxsche „Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten“. Marx wollte sich ursprünglich bis zum Staat, dem auswärtigen Handel und Weltmarkt und den Krisen (S.385) vorarbeiten- wozu es bekanntlich nicht kam. Praktisch hatte das in der Marx-Rezeption zur Folge, daß oft nur die „abstraken“ Kategorien wiederholt wurden anstatt sie „reichhaltig fortzustimmen“- also eine konkrete Analyse des Kapitalismus vorzunehmen.
Ich habe die spannenden 450 Seiten über Emmy und Roman Rosdolsky in eineinhalb Tagen geradezu verschlungen. Ich kann sie nur jedem/r empfehlen, der sich -kritisch- mit der Geschichte und Theoriebildung der ArbeiterInnenbewegung auseinandersetzen möchte.
Hermann Dworczak
Rosdolsky- Kreis MIT PERMANENTEN GRÜSSEN; Leben und Werk von Emmy und Roman Rosdolsky; Mandelbaum Verlag Wien 2017, 453 Seiten 15 Euro
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