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Steirischer Landesrat Buchmann und die Jagdgesellschaft

Bloged in Allgemein by friedi Samstag April 15, 2017

Die Universität Graz hat dem Landesrat Buchmann seinen Doktortitel aufgrund von Plagiatsvorwürfen nun wieder aberkannt. Was sich schon in Deutschland vor geraumer Zeit bei Hr. zu Guttenberg (siehe: Spiegel) bewährt hat, macht nun auch bei uns Schule. 

Gleich vorneweg: ich halte Betrug für keine leichtfertige und entschuldbare Sache und das Erschwindeln eines Titels für moralisch verwerflich. Zu Hr. Buchmann als Mitglied einer immer weiter nach rechts triftenden ÖVP habe ich zudem generelle Vorbehalte.

Aber diese Plagiatsjagdgesellschaft halte ich ebenfalls für eine bedenkliche Sache. Dass die Betroffenen, damals Hr. zu Guttenberg und nun Hr. Buchmann, nicht für ihre Arbeit einstehen, lässt natürlich tief blicken. Ebenso die Reaktion der Universitäten, die den Titel vergeben haben – wohlgemerkt: mit Doktoratsbetreuer und Rigorosum, das im Falle von Hr. Buchmann die Arbeit mit „gut“ bewertet hat.

Ebenso wie Hr. Buchmann, müsste ja nun die Universität Graz ihre Berechtigung Doktortitel zu verleihen zurückgeben, da ja anscheinend weder das betreuende Personal noch das prüfende in der Lage ist, das bearbeitete Feld in der Tiefe zu kennen und zu beurteilen.

Die Reaktionen der Betroffenen und der verleihenden Stellen lässt den Schluss zu, dass die Doktorwürden tatsächlich eigentlich nichts mit Wissenschaft, Themenaufarbeitung oder sonstwas zu tun haben, sondern nur mit Sozialstatus, den man halt einmal aufgrund irgendwelcher Strömungen verleiht und dann, wenn sich das Wetter wendet, halt wieder abspricht. Die Plagiats-Jagdgesellschaft scheint das moderne Fußvolk in diesem unappetitlichen Polit-Spiel zu sein.

Wie kann ich so etwas sagen, bei so einer offensichtlichen Verfehlung?

Nun 1.:

Jeder der in Österreich zur Schule gegangen ist, weiß, dass gesellschaftliche Machtpositionen auf die Schulergebnisse des familiären Anhangs nicht ganz unbedeutend sind. Dies mag als Freunderlwirtschaft angesehen werden – ist aber Faktum und nicht prinzipiell als unmoralisch einzustufen. Im übrigen wird das für die nun aufkommenden Privatuniversitäten verstärkt schlagend werden (Welche UNI wird etwa 10.000 € kassieren können und diesen Kunden dann durchfallen lassen?).

Und 2.:

Was wesentlich stärker zu Bedenken wäre ist dies, dass eine wissenschaftliche Arbeit hauptsächlich neue Erkenntnisse bringen soll. So soll etwa eine Doktorarbeit neue Sichtweisen erschließen, neue Theorien entwickeln oder bestehende Faktenlagen im Lichte neuer Erkenntnisse aufarbeiten. Plagiate sind in diesem Umfeld eigentlich zweitrangig. Jede Erkenntnis steht auf den Erkenntnissen der Vorgänger. Erst mit der Übernahme der anglo-amerikanischen Publikations- und Zitat- Wut zusammen mit den aufzustellenden Publikations-Rankings und Urheberrechtsforderungen wird das Plagiats(un)wesen relevant.

Natürlich: Mit fremden Federn schmückt man sich nicht – das war unmoralisch und ist es auch heute noch. Früher prinzipiell heute wegen der entgangenen Zitatstatistik und potentiellen Tantiemenzahlungen.

Bis vor gar nicht langer Zeit hat der Fachwissenschaftler sein Fach gekannt. Ein Plagiat als Aneignung fremder Leistung war nicht leicht möglich. Hätte jemand (was ja auch gang und gäbe war) etwa Kant wort-wörtlich in seine Arbeit übernommen, ohne die Quelle anzugeben – jeder im Fach hätte das Zitat erkannt. Erst durch die ungeheure Publikationsflut heute ist es auch den Fach-Insidern nicht mehr möglich, alle relevanten Publikationen zu kennen – immerhin müssen nun, nach anglo-amerikanischen Gepflogenheiten die Professorinnen und Professoren möglichst vierteljährlich etwas Gedrucktes von sich geben. Dies führt dazu, dass es nahezu unmöglich ist, all diese Textfragmente zu kennen.

Es ist auch nicht nötig. Bei einer Doktorarbeit ist es heute zwar handwerklich schlechter Stil, Zitate nicht zu kennzeichnen, solange es aber die wissenschaftliche Erkenntnis nicht schmälert, ist das eher zweitrangig – schon gar, wie etwa Hr. Buchmann angibt, dass nur die Zitation formal fehlerhaft war. Wenn also etwa Einstein in seiner Doktorarbeit die berühmte Formel von Masse und Energie publiziert hätte (was er nicht getan hat, er hat über Moleküldimensionen dissertiert) und dabei die Ausgangsbasis nicht klar als Mechanik des Newton oder die Transformation von Lorentz angegeben hätte, wäre das schlechter Stil aber trotzdem geniale Wissenschaft. Hr. Einstein daraufhin die Professur abzuerkennen würde eben zeigen, dass Menschen, die so etwas tun, etwas anderes als Wissenschaft vertreten beziehungsweise nichts verstehen.

Ich habe aber nirgends gelesen, dass die wissenschaftliche Aussage in der Doktorarbeit von Hr. Buchmann nicht vorhanden wäre. Bei der Arbeit von Hr. zu Guttenberg glaube ich mich sogar zu erinnern, dass der Erkenntnisgehalt der Arbeit als relevant erkannt worden war.

Was also (neben der allgemein zu beobachtenden moralischen Erosion der politischen Honoratioren) wirklich bedenklich stimmt, ist die Reaktion der Universitäten. Anstatt hier klar aufzutreten und diesen intellektuellen Jagdgesellschaften aus der zweiten Reihe einen Verweis zu erteilen, wird den Anwürfen relativ leicht nachgegeben. Wenn die Universitäten hier nicht mehr hinter ihren Arbeiten stehen, sollte man diesen Universitäten das Recht der Titelverleihung absprechen.

Aber eventuell ist genau das der tiefere Sinn dieser geistlosen Plagiats-Jäger: eliminieren der staatlichen Universitäten und nur mehr bezahlte Privatuniversitäten, die dann, aus markttechnischen Reputationsgründen solche Jagdgemeinschaften mit Rufschädigungsklagen überziehen würden.

Graz, 15.4.2017, W.Friedhuber

 

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