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Überraschende Entwicklung bei der PräsidentInnenwahl in Brasilien. Einige erste Überlegungen dazu.

Bloged in Allgemein by admin Dienstag Oktober 5, 2010

Dilma Rousseff von der PT(ArbeiterInnenpartei) hat mit 47 zu 32,5 Prozent zwar klar den Kandidaten der konservativen Opposition, Jose Serra abgehängt, muss jedoch in die Stichwahl. Marina Silva, das ehemalige PT-Urgestein und frühere Umweltministerin, die nunmehr für die Grünen (PV) antrat, erreichte nämlich an die 20 Prozent.

Das überraschende Wahlergebnis ist Anlass zu einigen Reflexionen. Im folgenden möchte ich sie – behutsam – angehen und wenn mehr Infos vorliegen ergänzen, gegebenenfalls auch modifizieren.

Die „Erklärungen“ für das Wahlergebnis, die bislang von der veröffentlichten Meinung ausgegeben wurden, greifen entschieden zu kurz. Vor allem wird darauf verwiesen, dass Dilma Rousseff – im Gegensatz zu ihrem Mentor Lula – keine “ Volkstribunqualitäten“ hat und dass unmittelbar vor den Wahlen in ihrer unmittelbaren Umgebung ein Korruptionsskandal platzte.

Beide facts stimmen (Dilma wirkt tatsächlich hölzern, „kommt nicht rüber,….“) reichen jedoch allein zur Ursachenbestimmung nicht aus: In der PT und auch rund um Lula herum gab es immer wieder riesige Korruptionsskandale – mit einer Reihe von Rücktritten.

Es ist daher nötig, nicht nur ein wenig an der Oberfläche zu kratzen, sondern analytisch in die Tiefe zu gehen:

Offenkundig haben nicht wenige bei Marina Silva angekreuzt, obwohl die Partido Verde politisch nicht links steht. Die wesentlichen Gründe dafür scheinen mir in folgenden Ursachensträngen zu sein:

– Brasilien wird heute – ziemlich oberflächlich – als “ Großmacht“ gehandelt (ähnliche Kategorisierungen gibt es hinsichtlich Indien und China). Obwohl es unleugbar ist, dass diese Länder kräftig aufgeholt haben und z.T. Weltmarktspitzenpositionen haben (etwa die gigantischen Währungsreserven Chinas) , sind sie insgesamt keine „entwickelten Industrienationen“. Und schon gar nicht passt die „Verteilung“ in diesen Ländern. Neben Hochtechnologie und einigen Milliardären gibt es nach wie bitterste Massen-Armut.

* durch seine Sozialprogramme (bolsa de familia,….) hat Lula die extreme Armut abgefedert, aber nicht beseitigt. Millionen bekommen „Unterstützungen“ – aber ihr strukturelle Armut bleibt.
* in der Frage der Landreform ist die PT-Führung weithin säümig – was auch immer wieder von der MST (Landlosenbewegung, movimiento sem tierra) beklagt wird.
* die Umweltpolitik Lulas und Rousseffs war und ist brutal und unsenbibel (siehe etwa das fürchterliche Mammut-Projekt Belo Monte). Erst jüngst hat dies – der aus Österreich stammende – Bischof Erwin Kräutler, der dieser Tage den „Alternativen Nobelpreis“ erhielt, unterstrichen.

Unter diesen Bedingungen und angesichts des Umstands, daß Rousseff dafür steht, diesen – „moderat“ neoliberalen- Kurs fortzusetzen, haben sich offensichtlich bisherige und potentielle PT abgewandt und ihrer „Unzufriedenheit“ dadurch Ausdruck verliehen, dass sie für Marina Silva stimmten – trotz der Polit-Defizite der Grünen.

Es ist anzunehmen und zu hoffen, dass Dilma Rousseff die Stichwahl für sich entscheidet. Und ich halte es auch für einen schweren politischen Fehler, dass die Ex-PTlerIn Marina Silva die Sozialdemokratin Rousseff und den Bürgerlichen Serra auf eine Stufe stellt und KEINE Wahlempfehlung abgibt!

Auf jeden Fall scheinen die politischen Karten in Brasilien etwas neu gemischt zu werden.

Hermann Dworczak

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