Graz: Demokratie in der Provinz
Mediales lametieren über Pressefreiheit in Ungarn, empörte Berichte über Benachteiligung wahlwerbender Gruppen in der Ukraine, in Russland, China uns sonst wo – und bei uns?
Seltsame Vorgänge in Graz: Im BIG (BürgerInnen Information Graz), einer an alle Haushalte gesendete Gratiszeitung (mit unklarem Impressum und vermutlich Steuermittelfinanziert) kommen praktisch nur die aktuell im Gemeinderat vertretenen Parteien zu Wort.
Zwar wird auf Seite 22 der Stimmzettel mit 11 wahlwerbenden Gruppen abgedruckt, einen medialen Auftritt gönnen sich aber nur die im Gemeinderat sitzenden SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne und KPÖ. Diese investieren auch massive in Plakate und sonstige Werbung (man hat’s ja).
Die restlichen wahlwerbenden Gruppen „brauch‘ ma net!“ scheint unisono die Meinung zu sein.
Nach einem Protestbrief der Piraten, BBB und WIR (3 der wahlwerbenden noch nicht im Gemeinderat sitzenden Gruppen – siehe auch: LinkeArtikel) hat zwar die „Kleine Zeitung“ reagiert und nun alle wahlwerbenden Gruppen präsentiert (siehe: Wahlabstimmung; vorher war man auch hier der Meinung: es reicht wenn die im Gemeinderat vertretenen präsentiert werden; man sollte ja nicht vergessen, dass auch die „Kleine Zeitung“ ein „Medienpartner“ der steirischen Regierung ist).
Die Gratiszeitung BIG scheint aber weiterhin ungebremst den Auftrag zu haben, machterhaltend zu berichten. Es ist nämlich nicht so, dass den BIG-Mitarbeitern entgangen wäre, das mehr als Nagl & CO existieren (auch wenn sich diese Partei ohne Widerstand – ja teilweise mit Zustimmung der GRÜNEN die Stadt aneignen – aber das ist eine andere Geschichte). So wurde z.B. die Gruppe „BBB“ sehr wohl interviewt – aber die Aussagen waren den Herren Nagel, Frau Rücker und ev. auch Frau Kahr (SPÖ und FPÖ verschweige ich hier geflissentlich) anscheinend nicht „optimistisch“ („regierungsloyal“ ?) genug.
Karin Rausch (Repräsentantin von BBB) schreibt dazu verzweifelt:
"Was sagt man dazu: Hatte heute am Magistrat zu tun und sehe dort zufällig die neue "BIG"-Sonderausgabe für die bevorstehende Wahl. Nach der Einreichung unserer Kandidatur hat mich [d]er Rathaus-Pressedienst für die Vorstellung unserer Liste um einen kurzen Text und ein Bild gebeten. Das war wohl mehr Beschäftigungstherapie für uns Kleinparteien/-listen, denn keine einzige "neue Gruppierung" wurde nur mit einem Wörtchen erwähnt. Sieht so demokratische Bürgerinformation aus, die auf der ersten Seite "alles über die Grazer Gemeinderatswahl 2012" verspricht? Aus diesem Grunde möchte ich Dich bitten, Euren Leuten noch zu sagen, dass sie, wenn sie protestieren wollen gegen diese undemokratische Vorgehensweise, die Möglichkeit haben eine der 5 Neuparteien zu wählen. Es wäre dringend wichtig, dass wir diesem herrschenden System endlich mal eine Absage erteilen. Vielleicht wäre es möglich eine dementsprechend formulierte "Wahlempfehlung" rauszugeben?! Dabei geht es mir nicht um Betty Baloo Bande sondern um die Möglichkeit zu beweisen, dass viele Kleinparteien besser zusammenarbeiten können, als eingesessene Großparteien schon seit Jahren das Gegenteil beweisen."
Nun, ich für meine Person kann mich dem nur voll anschließen. Ich weiß nicht, ob meine Stellungsnahme und Schlüsse als „wohlformuliert“ empfunden werden, auch ist dieser Beitrag – der Aktualität geschuldet – nicht innerhalb der LINKEstmk abgesprochen – also nur meine Meinung, aber die Wahlempfehlung: Bitte, wenn ihr nicht zu den Wohlhabenden gehört, wählt KEINE der Parteien, die im Gemeinderat sitzen.
Dies gilt aus meiner Sicht sogar teilweise für die KPÖ. Zwar setzt sich die KP vehement für die Benachteiligten der Gesellschaft ein – tut dies aber so wie der Pfarrer Pucher auf dem Niveaue von individueller Nothilfen. Dies ist nicht schlecht – aber keine Politik. Die Wohnungsspekulation wird nicht eingeschränkt – sondern nur ein Park nach dem nächsten, eine Grünfläche nach der anderen mit Wohnblocks zugebaut, die dann, nach kurzer Zeit wieder Spekulationsobjekte werden.
Eine Stadtpolitik für eine lebenswerte Stadt, wo die Randgruppen ein RECHT auf Teilhabe hätten, ist das nicht! So unternimmt auch die KPÖ (das Vorgehen der Grünen will ich hier gnadenhalber weg lassen, sowohl beim Thema Grünraumvernichtung als auch beim Thema Punks) auch nichts gegen das menschenverachtende Vorgehen der Stadtregierung gegen die Punks – bzw. Randgruppen, für die einfach ein Aufenthaltsverbot – etwa auf dem Hauptplatz (der Nagl brauch den ungestörte Ausblick auf den Stadtbrunnen) – verhängt wird – und das obwohl diese Menschen Bürger der Stadt sind! Aber Randgruppen haben halt in einer sauberen, bürgerlichen Stadt nichts verloren – bzw. sollen in zugigen Seitengassen ohne Sitzgelegenheiten vegetieren.
Wie gesagt, die KPÖ ist im Gemeinderat und scheut auch das Risiko, sich für diese Gruppe einzusetzen. So etwas verachtenswertes wie Platzverbot, Alkoholverbot usw. zu bekämpfen. Zu groß ist die Gefahr, dass dann der linke bürgerliche Rand als Wählerpotential verloren geht. Wie die SPÖ zeigt, geht aber über kurz oder lang so das gesellschaftliche Veränderungspotential verloren.
Das ist bei BBB anders! Die wahlwerbende Gruppe vertritt eine „unter den Teppich gekehrte Randgruppe“ (offiziell haben wir ja kaum Arbeitslose). Nicht nur, dass BBB diese Gruppe vertritt – „Vertretungen“ haben wir ohnedies schon genug – sie rekrutiert sich auch aus diesen „Randgruppen“. Aktive Arbeitslose! Es ist eine echt, demokratiepolitisch wertvolle Bewegung.
Randgruppen werdet aktiv! Lasst nicht Pfeffersäcke in eurem Namen sprechen … so oder so ähnlich könnten Slogans von BBB lauten.
Ich wollte, beginnend bei der Grazer Wahl, nicht mehr an dieser Scheindemokratie teilnehmen. Ich wollte nicht mehr „das kleinere Übel wählen“. Ich wollte keine „Ubel“ mehr wählen. Übel, die dann ihre (eigentlich nicht mehr gegeben) Legitimation auf die Prozentzahl abgegebener Stimmen berufen – auch wenn sie nur mehr ein Zehntel der Bevölkerung „vertreten“; die mir dann in „meinem Namen“ die Pension rauben, die Arbeitsplätze nach China verlegen, Aufenthaltsverbote im meiner Heimatstadt verhängen, jeden Park vernichten und das Leben unerträglich mache. Wie gesagt: Ich wollte …
Ich werde an dieser Wahl doch noch einmal aktiv teilnehmen und BBB wählen. Für mich ist in der Gruppe BBB ein Systemwechsel sichtbar.
17.11.2012, W. Friedhuber
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