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[Österreich] Aktion „Sprungbrett“: Das Glück der Tüchtigen

Bloged in Allgemein,Krise by friedi Montag November 1, 2021

Das Jounral Heute meldete am 1.7.2021: „So sollen Langzeit-Arbeitslose wieder zu Jobs kommen“ (Heute, 1.7.2021). Gemäß dieser Meldung sollte die Aktion heute, am 1.7.2021 starten.

„Im Rahmen des Programms fördert die Regierung Unternehmen, die Langzeitarbeitslose aufnehmen. Es soll Lohnzuschüsse von bis zu 67 Prozent für bis zu zwölf Monate geben.“ (ebd.)

Schon im April war vom damaligen Kanzler Sebastian Kurz der Start des mit 300 Millionen € dotierten Programms angekündigt (siehe: Wiener Zeitung, 30.4.2021 ).

Nun: In Wien wurde der Start im September gemeldet (siehe:Die Presse, 13.9.2021 ), das AMS meldet in Liezen am 21.September die Aktion als „gestartet“ (siehe: AMS Liezen, 21.9.2021 ).

„Die Beschäftigungsbetriebe – privatwirtschaftliche Unternehmen, Gemeinden, gemeinnützige oder sozialökonomische Beschäftigungsprojekte sowie gemeinnützige Arbeitskräfteüberlasser – erhalten je Förderfall eine in der Dauer und Höhe individuelle Beihilfe, wo in der Start- und Einarbeitungsphase sogar bis zu 100 Prozent der Lohn- und Lohnnebenkosten durch das AMS übernommen wird.“ (ebd.).

In der AMS-Meldung ist auch wieder der große Unterschied zu früheren Aktionen – etwa der Aktion 20.000 im Jahre 2018 zu sehen. Damals wurden nur „Arbeitsplätze bei Gemeinden, gemeinnützigen Organisationen und den Sozialen Unternehmen“ (https://arbeitplus.at/lexikon/aktion-20000/) gefördert – nun werden auch Privatunternehmen direkt eingebunden und gefördert.

Und da sind wir beim Glück der Tüchtigen!

Die „Tüchtigen“ sind natürlich die Unternehmungen – vorwiegend die, die händeringend „Fachkräfte“ suchen. Die haben nun das Glück, zu Beginn der Wintersaison – so lange hat sich das Programm Sprungbrett zum Glück verzögert – vom AMS – in einigen Fällen sogar völlig gratis – Personal zugewiesen zu bekommen. Jawol gratis, da bis zu 3 Monate der Staat alle Lohnkosten übernehmen kann. Stellt sich dann die Fachkraft als ungeeignet heraus, haben die Tüchtigen zumindest ein paar Wochen eine Gratis-Kraft gehabt, die zu Reinigungsdienst, Botengänge, Corona-Kontrollen und ähnliche „fachspezifische“ Arbeiten eingesetzt werden konnte – bis sich eben herausgestellt hat, dass diese Kraft doch nicht so tüchtig war. (Natürlich kann der Unternehmer dann die nächste Tranche von Arbeitskräften vom AMS abrufen – solange eben, bis die Saison auläuft.)

Für die Langzeitbeschäftigungslosen stellt sich die Lage nicht so toll dar. Sie müssen jegliche Arbeitsstelle annehmen, so sie nicht ihre Arbeitslosenunterstützung verlieren wollen wobei die Chancen auf Dauer angestellt zu werden, gering sind. Zu sehr ist der „Fachkräftemangel“ in Saisonbetrieben auf Hilfskräfte gelegen.

Für die „Tüchtigen“, also für die Eventmanager, Liftbetreiber, Gasthausbesitzer und auch für manche Lebensmittelfilialen ist dieses Sprungbrett ein wirklicher Glücksfall. Kann man damit doch drei Monate lang eine beliebige Anzahl von Hilfskräften praktisch gratis im Betrieb nutzen. Lohn und Sozialabgaben zahlt ja die Allgemeinheit – eigentlich eine unerlaubte Wettbewerbsverzerrung gemäß den einmal verkündeten EU-Regeln – aber die Tüchtigen haben diese Regeln, wenn es um Förderungen und Hilfszahlungen für Betriebe geht ohnedies schon weitgehend gelockert.

Wie sieht es aber nun mit dem „Arbeitsmaterial“ das da vermittelt wird aus? Also wie stellt sich der „Glücksfall der Tüchtigen“ für die vermittelten Arbeitslosen dar?

Nun: Erst einmal ganz gut. Es winkt eine bezahlte Stelle und damit eine Befreiung vom trostlosen Arbeitslosendasein. Zumindest auf den ersten Blick.

Der zweite Blick ist dann für die meisten nicht so schön: Die vermittelten Jobs dürften alle in die Kategorie „Prekär“ fallen – also temporäre Hilfsdienste mit geringer Chance auf eine Dauerstellung mit existenzsichernder Bezahlung. Die Wahrscheinlichkeit einer guten Daueranstellung ist nahezu Null! Brutal könnte man sagen: Die vermittelten Menschen werden für eine verdeckte Wirtschaftsförderung im Rahmen einer Politkampagne mißbraucht.

Warum ich zu dieser Aussage komme?

Nun: Wenn man sich die Arbeitslosenstatistiken der letzten Jahre ansieht, so ergeben diese ein etwas anderes Bild als das in den Medien breit getretene.

Arbeitskräftebedarf

Erwerbstätige 2010–2020 in Österreich

Als erstes gibt es den gemeldeten Bedarf von Fachkräften nicht. Wie die Statistik der Erwerbstätigen zeigt, ist der Bedarf an Arbeitskräften nahezu gleich bleibend. Von 2010 bis 2020 stieg der Bedarf von etwa 4 Millionen auf 4,3 Millionen nahezu gleichförmig an. Da gibt es kaum Schwankungen. Von 2019 auf 2020 war eine leichte Abnahmen von 4,36 Mio auf 4,3 Mio – also um 60.000 Arbeitskräfte.
Langzeitarbeitslose

Langzeitarbeitslose 2010-2020 in Österreich

Arbeitslosigkeit

Arbeitslose 2010-2020 in Österreich

Demgegenüber stehen große Schwankungen (vor allem nach oben) in der Langzeitarbeitslosigkeit. Im Jahre 2020 gab es da den bisherigen Höchstert mit ca. 62.000 Langzeitarbeitslose.

Dies entspräche in etwa dem gesunkenen Bedarf an Arbeitskräften. Somit scheint die Aktion „Sprungbrett“ also hier die Corona-Delle an Arbeitskräftebedarf genau zu decken.

Allerdings ist der Stand der Arbeitslosen insgesamt 2020 auf 409.639 gestiegen – also auf etwa das 6,6 fache der Bedarfsdelle aus 2020.

Dass aktuell alle „Leistungsträger“ so publikumswirksam „Hande ringen“ hat also wenig mit den Langzeitbedarf an Arbeitskräften zu tun – sondern mehr mit dem saisonalen Bedarf an Wanderarbeiter, der durch die Coron-Restriktionen ins Stocken geriet.

Nun könnte man natürlich sich der neoliberalen Sichtweise anschließen und meinen: Gut, wenn aktuell keine billigen Rumäninnen oder Wanderarbeiter anderer ärmerer Länder verfügbar sind, ist es doch vernünftig, die vorhandenen Randschichten in diese Stellen, die zumindest zeitweise verfügbar sind zu zwingen.

Ja – eh! Nur: Human ist das nicht – es ist eine echte „Verzweckung“ (frei nach Kant) der arbeitslos gemachten Menschen als eine Art von Taglöhnern. Eine echte Chance der Wiedereingliederung in das Arbeitsleben ist es für die meisten nicht. Ganz unappetitlich im sozialen Sinn ist es, dass hier praktisch der Staat den privaten Unternehmen Arbeitskräfte auf Staatskosten zuweist. Das ist schon sehr nahe – zumindest in der Tendenz – an Arbeitskräftezuweisung aus dunkler Zeit.

Aber es bewahrheitet sich anscheinend der alte Spruch: „Glück hat auf die Dauer nur der Tüchtige“. Denen, welche das Leben (und ihre Regierungen) nicht so wohlgesonnen sind, die sind vom Glück leider verlassen.

Für die Tüchtigen fügt sich alles perfekt. Da passt die Zeitverschiebung des Starttermins von Juli auf den September, da passt auch die Förderung – bis hin staatlichen Lohnzahlung auf drei Monate mit der Möglichkeit jederzeit ohne Konsequenzen auch wieder entlassen zu können – ja! Glück gehabt.

Für den „untüchtigen Langzeitarbeitslosen“ winkt das Glück nur im Einzelfall. Für die Meisten ist das Sprungbrett eine Zuweisung zu einem temporären Arbeitsdienst ohne Aussicht auf Verbesserung seiner Lage – dies zeigen die Statistiken deutlich.

Graz, 1.11.2021, W.Friedhuber

Kommentare	»
  1. das ist halt die fortführung der praktikum-mania auf einem scheinbar höheren lohnniveau………….

    Trackback by kurt strohmaier 1. November 2021 15:35

  2. als lotterie tritt das system auch auf:

    https://salzburg.orf.at/stories/3128116/

    Trackback by kurt strohmaier 1. November 2021 15:50

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