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György Dalos DER LETZTE ZAR (Rezension)

Bloged in Allgemein by friedi Samstag April 7, 2018

1917 wurde die Zarendiktatur gestürzt. 1918 wurde der letzte Zar Nikolaj II. in Jekaterinenburg vor dem Hintergrund des eskalierden Bürgerkriegs getötet. György Dalos, Autor vieler historischer Studien, aber auch Romane, analysiert die Hintergründe , wie es dazu  gekommen ist.

Rund um den 17. Juli, denn hundertsten Jahrestag des Todes des Zaren, wird es in Rußland  jede Menge idealisierende „Erinnerung“ und Kitsch geben. Auch international wird es nicht an einer großen Portion Unsinn und viel Weihrauch fehlen. Um so wichtiger, sich ernsthaft mit dem realen Geschehen auseinanderzusetzen.

 Dalos hat die Faktenlage gründlich studiert- auch auf Grund seiner Sprachkenntnisse war ihm dies möglich. Er entwirft ein realistisches  Bild des letzten Romanow, fern jeglicher Schönfärberei und nachträglicher Stilisierung.
Nikolaj war seiner Rolle als „Zar aller Reußen“ nicht gewachsen. Ihm fehlte es an den erforderlichen politischen und militärischen Kenntnissen und der benötigten Willensstärke. Als etwa der Krieg mit Japan drohte, traf er gänzlich widersprechende Entscheidungen (S.41ff). Auch während der Revolution 1905 attestiert ihm Dalos eine „beinahe physische  Unfähigkeit Entscheidungen zu treffen und dann deren Konsquenzen auch bis zum bitteren Ende zu tragen (S.61).“  Er  unterzeichnet zwar das „Manifest“, das den Weg für die Duma (ein sehr zusammengestutztes „Parlament“) ebnet, sucht aber gleichzeitig einen „Bluthund“ (S.73), der einen Staatsstreich vollzieht und eine Militärdiktatur errichtet. Schließlich schaßt er im April 1906 den ihm treu ergebenen und von „feudalen Urmythen nicht gefeiten“ (S.76) Ministerpräsidenten Sergej Witte.
Nikolaj war „abergläubisch und fatalistisch“ (S. 75), er neigte zum „Mystizismus“ (S.78). Durch die Revolution aus der Bahn geworfen und in depressiver Stimmung trat Rasputin in sein Leben.  Da der Thronfolger Alexej an der unheilbaren  Bluterkrankheit litt und während der Präsenz des „Wunderheilers“ sich Besserungen des Gesundheitszustands des über alles geliebten Sohnes ergaben, wurde der Kontakt zu Rasputin immer enger und nahm zunehmend auch politischen Charakter an. Der kaum schreibkundige Wandermönch nahm für den Zaren (und dessen Gattin) schon sehr früh eine „Art geistiger Beschützerfunktion wahr“ (S.118).
Trotz  der allseits bekannten Saufgelage , Bordellbesuche und der „Zimmerbesuche“ der Töchter des Zaren von Rasputin hält Nikolaj  weiter fest zu ihm. Seine  Ermordung im Dezember 1916 erschüttert ihn zutiefst.
Da Nikolaj von Militaria nur wenig Ahnung hat, fungiert er im Ersten Weltkrieg  als „ratloser Kriegsherr.“ (S. 149 ff). Dennoch kührt er sich schließlich selbst zum Oberbefehlshaber der Armee…  Mit feiner Ironie  schildert Dalos wie der Zar trotz schwerer militärischer Rückschläge  als „gemütlicher Weltverteiler “ (S. 162 )agiert.
Nikolaj verstand auch die  anstehende Revolution 1917 nicht. Als ihm ein enges Familienmitglied den Ernst der Situation darlegte, schwieg er einfach und „rauchte weiter (sic!)“  (S. 174).
So nuanciert mitunter die Analysen von Dalos sind, so merkwürdig oberflächlich und unhistorisch ist das Schlußkapitel „Die Tragödie des Bürgers Romanow“ (S.185 ff). Die Tötung Nikolajs wird kaum in den historischen Kontext gestellt, obwohl der Autor selbst darlegt, daß die Weißen „immer näher an die „Hauptstadt des roten Urals“ heranrückten (S.201). Dalos, der ansonsten an mehreren Stellen die französische Revolution 1789 zu Vergeleichen heranzieht, unterläßt dies hier. Ludwig XVI landete nicht zuletzt deshalb auf der Guillotine, weil er zum Kristallisationspunkt der Konterrevoution werden konnte. Ebenso bestand 1918 die Gefahr , daß der Zar zur Projektionsfläche der Weißen und ihrer imperialistischen Verbündeten wird.

Hermann Dworczak

György Dalos Der letzte Zar. Der Untergang des Hauses Romanow.
Verlag C. H. Beck München 2017.  231 Seiten
Kommentare	»
  1. wollten die weissen wirklich den zaren reaktivieren ? verirrte holländer als imperialistische verbündete ?

    ref. orlando figes, die tragödie eines volkes……..

    Trackback by kurt strohmaier 16. April 2018 17:23

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