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Ein weiterer Schritt in die Diktatur der Troika

Bloged in Krise by friedi Sonntag Juni 2, 2013

Frankfurt, Blockupy, 1.Juni 2013

Das hessische Innenministerium hat am 1. Juni in Frankfurt unter fadenscheinigsten Vorwänden die Demonstrationsfreiheit ausgehebelt.

Die Demo kam einen ganzen Kilometer weit, dann wurde sie gestoppt, just vor der Stelle, wo sich der Weg gabeln sollte in den von den Verwaltungsgerichten Kassel und Frankfurt genehmigten Route und die Route, die die Polizei von Anfang an als einzige hatte erlauben wollen. Die Polizei begründete den Stopp der Demo mit der Vermummung einiger AktivistInnen sowie Verstößen gegen gerichtliche Auflagen, etwa dass Transparente nur eine maximale Länge von drei Metern haben durften. Die Demonstranten hatten Seitentransparente und Regenschirme dabei. Außerdem seien Feuerwerkskörper abgefeuert und Farbbeutel geworfen worden. Zudem sei ein Polizist aus der Demo heraus attackiert worden – allerdings wurde der mutmaßliche Täter noch vor dem Festsetzen der Demo laut einem Polizeisprecher in Gewahrsam genommen.

Bereits am Donnerstag wurden rund 200 Aktivisten aus Berlin auf einem Parkplatz der hessischen Autobahnpolizei festgehalten. Sechs Stunden verbrachten sie dort, nicht nur mit voller Blase, sondern auch mit einer Wahl, die sich nur schwer mit dem Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit vereinbaren lässt: Leibesvisitation und Taschenkontrolle oder Rückfahrt nach Berlin.

Kurz nach 15 Uhr endete die Fahrt auf dem Parkplatz der Autobahnpolizeiwache Butzbach. Rund 100 Polizisten erwarteten die Aktivisten dort. Die polizeiliche Anweisung: Nur wer sich durchsuchen und abfilmen lässt, hat eine Chance, weiterfahren zu dürfen. Alle anderen dürfen für die nächsten Stunden nicht einmal den Bus verlassen. Besonders problematisch wird die Lage für eine Gruppe von 40 Flüchtlingen, die sich ebenfalls auf dem Weg nach Frankfurt befanden. Diese traten deshalb die Rückfahrt nach Berlin an.

Nach dem Stop der Demonstration drang die Polizei in den vorderen Teil der Demonstration ein und kesselte etwa 1.000 Demonstrierende über 8 Stunden ein. Kompromissangebote, dass die Demonstranten ihre Regenschirme und Seitentransparente ablegen, wurden zunächst von der Polizei angenommen, dann wurde jedoch die Forderung nachgeschoben: Leibesvisitation und Aufnahme der Personalien für alle im Kessel. Es folgten Provokationen: Einzelne wurden mit Greiftrupps, teils auf brutale Weise, aus dem Kessel herausgezogen. Schließlich wurde der Kessel aufgelöst, das dauerte drei Stunden.

Die Demonstranten beklagen laut Angaben der Organisatoren an die 1.000 Verletzte, einige davon schwer. Vor allem Pfefferspray setzte die Polizei in großen Mengen ein – das ist ein Giftgasangriff im Nahkampf.

Dieses Szenario wurde von langer Hand vorbereitet und hat nichts mit dem realen Ablauf der Demonstration zu tun, das ist die einhellige Meinung der Demonstrationsleitung und der zahlreichen in- und ausländischen Beobachter, wie u.a. dem Komitee für Grundrechte und Demokratie. Spiegel online mutmaßte, es könnte die Rache für den 31. März 2012 gewesen sein, als eine überwiegend autonome Demonstration im Vorfeld der Blockupy-Aktivitäten im darauffolgenden Mai zahlreiche Sachschäden verursachte. Das mag sicher eine Rolle spielen, ist aber auf der anderen Seite auch schon fast zu lange her. Meine Vermutung ist deshalb, dass das hessische Innenministerium der Blockupy-Bewegung eine Niederlage bereiten wollte, die sie entmutigt, zu weiteren Aktionen im Februar 2014 aufzurufen, wenn das neue Gebäude der EZB eingeweiht werden soll.

Damit das nicht passiert, ist nun auch eine mediale und politische Nachbereitung erforderlich. Zählen wir zwei und zwei zusammen:

* Die Polizei setzt sich über das Urteil der Verwaltungsgerichte hinweg, setzt ihr eigenes Recht und handelt damit grob illegal. Das kann man nicht resigniert hinnehmen. Was kann darauf folgen? Eine Klage? Eine weitere Demonstration für das Grundrecht auf Demonstration? Im Vorfeld der Wahlen wäre dies eine empfindliche Aktion.

* Das Vorgehen des hessischen Innenministeriums bestätigt das Bild, das der NSU-Skandal in den letzten Monaten gezeichnet hatte: Ein Teil der Exekutive verselbständigt sich in wachsendem Maße und macht seine eigene Politik – an der Gesetzgebung und an der Öffentlichkeit vorbei. Er setzt damit einen schleichenden Prozess in Richtung autoritärer Staat in Gang. Dieser kann nicht durch Anfragen im Bundestag gestoppt werden, wir brauchen eine Demokratiebewegung auch in Deutschland!

* Die Einschränkung der demokratischen Rechte und die Schritte in Richtung Präsidialregime sind in ganz Europa die Antwort der Herrschenden auf den Widerstand gegen die Diktatur des Finanzkapitals. In Deutschland werden sie offenbar schrittweise eingeführt, noch bevor es eine Massenbewegung gegen die Sparpolitik gibt, die auch hier unweigerlich kommen wird. Der Entfaltung einer dauerhaften linken Bewegung gegen das asoziale, neoliberale und undemokratische EU-Projekt, die es versteht, den Unmut in der Bevölkerung aufzugreifen und Systemalternativen zu präsentieren, soll frühzeitig ein Riegel vorgeschoben werden. Die zunehmende Synchronisierung der sozialen Proteste für ein solidarisches Europa ist den Herrschenden ein Dorn im Auge und kann ihnen gefährlich werden.

Diese Hürde müssen wir überwinden, sie stellt für uns die Chance dar, noch engeren Anschluss an die Bewegungen in Südeuropa zu finden.

Mit umso größerem Eifer gilt es nun, die Aktionen im kommenden Frühjahr vorzubereiten!

Angela Klein, 2. Juni 2013

 

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